Wintergetreide: Qualität bringt ihren Preis

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Winterweizen

Auch wenn es zur Ernte 2024 den meisten Betrieben ohne Probleme gelang die Mindestanforderungen des Handels an Kornfeuchte, Fallzahl und Auswuchs zu erfüllen, führten zu geringe Hektolitergewichte und bei Konsumgetreide darüber hinaus zu geringe Proteingehalte erneut zu deutlichen Abzügen. Durch eine gezielte Sortenwahl und Kulturführung lässt sich die Vermarktungssicherheit beeinflussen.

Winterweizen

Mit einem durchschnittlichen Proteingehalt von 10,3% belegte Nordrhein-Westfalen erneut den letzten Platz bei den Qualitätsanalysen zur Besonderen Ernteermittlung 2024. Anders als bei früheren Ernten waren diese geringen Proteingehalte allerdings kaum auf eine Verdünnung aufgrund hoher Erträge, sondern vor allem auf eine witterungsbedingt insgesamt geringe Nährstoffaufnahme und -umsetzung zurückzuführen. Auch in den länderübergreifenden Landessortenversuchen in Nordwestdeutschland lag der durchschnittliche Proteingehalt nur bei 11,0% und damit deutlich unter den häufig geforderten 12,0% für eine abschlagsfreie Vermarktung als Brot- und Backweizen. Mit durchschnittlich 74,2 kg lag auch das Hektolitergewicht nur geringfügig über der handelsüblichen Stoßgrenze von 74 kg. Daraus resultiert, dass sich viele in den Landessortenversuchen 2024 erzeugten Ernteproben nicht oder nur mit Abschlägen als Brot- und Backweizen hätten vermarkten lassen. Anders als im Vorjahr waren die Fallzahlen hingegen fast immer ausreichend und auch Probleme mit Auswuchs traten nicht auf. Die eng mit dem Proteingehalt korrelierten Sedimentationswerte lagen allerdings ebenfalls auf geringem Niveau.

Betrachtet man die Ergebnisse der nordrhein-westfälischen Landessortenversuche von 2020 bis 2024 wird deutlich, dass insgesamt nur etwa 35% der Proben alle Qualitätskriterien für eine Brot- und Backweizenvermarktung erfüllten. 2020 und 2022 ließ sich dies überwiegend auf zu geringe Proteingehalte zurückführen. 2021 erreichten zwar 67% der Proben einen Proteingehalt von über 11,0%, allerdings war das Hektolitergewicht nur bei 59% der Proben ausreichend. Aus der schwierigen Ernte 2023 hätten sich insgesamt nur 26% der Proben als Brot- und Backweizen vermarkten lassen. Ursache dafür waren vor allem zu geringe Fallzahlen infolge der anhaltenden Niederschläge zur Ernte. Bei der diesjährigen Ernte waren zwar die Fallzahlen meist ausreichend, dafür erfüllten nur je etwa die Hälfte der Proben die Mindestanforderungen an den Proteingehalt und das Hektolitergewicht, sodass insgesamt nur etwa 32% der Ernte für eine Brot- und Backweizenvermarktung geeignet gewesen wären. Als Grenzwerte für die vorstehende Betrachtung wurden ein Rohproteingehalt von 11,0%, ein Hektolitergewicht von 74 kg und eine Fallzahl von 200 s angenommen. Der Sedimentationswert blieb unberücksichtigt, da dieser in den Versuchen erst seit 2023 standardmäßig erfasst wird und die bisherigen Ergebnisse andeuten, dass dieser fast immer ausreichend ist, wenn der Proteingehalt den Mindestanforderungen entspricht.

Landwirte, die gezielt Brot- und Backweizen anbauen und vermarkten möchten, müssen sich unter den nordrhein-westfälischen Anbaubedingungen also etwas einfallen lassen: Abgesehen vom Standort und der Düngestrategie beeinflusst vor allem die Sortenwahl, wie zuverlässig die vom Handel geforderten Qualitätseigenschaften erreicht werden. Dabei geht aus den im Rahmen der Landessortenversuche durchgeführten Qualitätsuntersuchungen hervor, dass spätestens seit der Änderung der Kriterien für die in der Beschreibenden Sortenliste angegebenen Qualitätsgruppen nicht nur viele B-Sorten, sondern sogar einige A-Sorten die für eine Brot- und Backweizenvermarktung erforderlichen Eigenschaften nur noch unter günstigen Anbaubedingungen erreichen.

Betrachtet man die Proben der in den Landessortenversuchen von 2020 bis 2024 geprüften Sorten die alle Qualitätskriterien für A-Weizen (Proteingehalt > 13,5%, Hektolitergewicht > 77 kg, Fallzahl > 250 s), normalen B-Weizen (Proteingehalt > 12,0%, Hektolitergewicht > 76 kg, Fallzahl > 220 s) oder B-Weizen mit Abschlägen (Proteingehalt > 11,0%, Hektolitergewicht > 74 kg, Fallzahl > 200 s) erreichen wird deutlich, dass ein hoher Anteil der geprüften Sorten durchschnittlich nur Futterqualität erreicht. Ursache dafür ist oft, aber nicht immer, ein zu geringer Proteingehalt. Bei den mehrjährigen Zusammenstellungen ist allerdings zu beachten, dass Sorten die in qualitätsschwachen Versuchen geprüft wurden tendentiell schlechter dargestellt werden als solche, die nur in Versuchen mit insgesamt guten Qualitäten standen.

Als besonders qualitätsbetont präsentierten sich erwartungsgemäß die beiden E-Sorten KWS Emerick und die erst einjährig geprüfte Sorte Exsal, die als einzige bei mindestens 75% der Proben die für eine Brot- und Backweizenvermarktung mit Abschlägen erforderlichen Qualitätsanforderungen erreichten.

Bei den A-Sorten erzielten RGT Reform, KWS Donovan, SU Jonte und die erst zweijährig geprüfte Sorte LG Optimist in über 50% ausreichende Qualitäten für eine Vermarktung als Brot- und Backweizen. Als sehr qualitätsbetonte aber nur noch regional geprüfte Sorten sind darüber hinaus KWS Imperium und Polarkap zu nennen, von denen ersterer bevorzugt für warm-trockene Anbaugebiete und letzterer für die Mittel- und Höhenlagen geeignet ist. Bei allen vorgenannten Sorten führte am häufigsten ein zu geringer Proteingehalt zu einer Abwertung als Futterweizen. Bei den erst einjährig geprüften A-Sorten erreichten SU Tarroca und SU Magnetron hohe bis sehr hohe Proteingehalte und durchschnittliche Hektolitergewichte. SU Tarroca ist für eine A-Sorte allerdings relativ fallzahlschwach und SU Magnetron zeigte sich in den Wertprüfungen weniger fallzahlstabil. Die ebenfalls neu geprüfte Sorte LG Kermit erreichte zwar relativ hohe Proteingehalte, aber in keinem Versuch das erforderliche Hektolitergewicht. Bei den Sorten Asory, Akzent, SU Willem, WPB Newton und dem einjährig geprüften Willcox erfüllten durchschnittlich weniger als 40% der Proben die für Brot- und Backweizen erforderlichen Kriterien.

Dies gilt auch für die meisten B-Sorten. Ausnahmen davon sind die qualitätsbetonte Sorte SU Fiete und die erst einjährig geprüfte Sorte SU Tammo, die beide deutlich überdurchschnittliche Proteingehalte erzielen und sich damit relativ zuverlässig vermarkten lassen. Informer (geringes Hektolitergewicht), Campesino (sehr geringer Proteingehalt), Chevignon, Complice (beide insgesamt nur durchschnittliche Qualität) und die nur noch regional geprüften Sorten Akasha (geringes Hektolitergewicht) und Mortimer erreichten nur bei etwa einem Drittel der Proben die Brot- und Backweizenqualität mit Abschlägen. Nur geringfügig schwächer präsentierte sich in den Versuchen die Sorte Debian. Die ertragsbetonten Sorten RGT Kreuzer und Spectral, der fallzahlschwache KWS Mintum und der proteinarme LG Lorimar ließen sich überwiegend nur als Futterweizen vermarkten. Die nur regional oder bisher erst in sehr wenigen Versuchen geprüften Sorten Obiwan, Celebrity und Pondor erzielten zwar meist ausreichende Proteingehalte, erreichten zur Ernte 2024 aber oft nicht das geforderte Mindesthektolitergewicht. Der aktuell als B-Sorte vertriebene Champion ist aufgrund des geringen Proteingehalts und des ebenfalls sehr schwachen Hektolitergewichts nur als Futterweizen zu vermarkten.

Bei den C-Sorten erreichten Revolver, Winner und der einjährig geprüfte RGT Konzert zwar wiederholt die für eine Brot- und Backweizenvermarktung erforderliche Qualität, eine entsprechende Vermarktung dürfte sich trotzdem als schwierig herausstellen. KWS Keitum ist aufgrund des sehr geringen Proteingehalts und der sehr schlechten Backeigenschaften als reiner Futterweizen zu bewerten.

Betrachtet man die einzelnen Qualitätseigenschaften ist zu bedenken, dass der Proteingehalt zum einen ertragsabhängig ist (Verdünnungseffekt!) und sich zum anderen durch eine angepasste Düngestrategie relativ stark beeinflussen lässt. Beim Hektolitergewicht hingegen sind es vor allem Umwelteffekte, die sich positiv oder negativ auf das Merkmal auswirken, während die Kulturführung nur einen geringen Einfluss hat. Auch bei der Fallzahl sind die Möglichkeiten des Landwirts diese positiv zu beeinflussen nur begrenzt: Entscheidend ist vor allem ein günstiger Witterungsverlauf vor der Ernte beziehungsweise ein möglichst frühzeitiger Erntetermin. Bei der Sortenwahl sind auch diese Merkmale zu beachten.

Die relativ hohen Preisunterschiede zwischen Brot- und Backgetreide einerseits und Futtergetreide andererseits sollten dazu anregen, sich bei der Sortenwahl nicht nur mit dem Ertrag und den Anbaueigenschaften, sondern auch intensiver mit den Qualitätseigenschaften der einzelnen Sorten zu befassen. Dies gilt besonders für Betriebe, die bereits Vorkontrakte über die entsprechenden Qualitäten vereinbart haben. Besonders in kritischen Jahren entscheidet oft die Sorte über die mögliche Vermarktung.

Wintergerste

Bei der Gerste resultiert der Futterwert vor allem aus den im Erntegut enthaltenen Nährstoffen und dem daraus berechneten Energiegehalt sowie der Proteinqualität. Auch weil sich die einzelnen Inhaltsstoffe nur laborchemisch ermitteln lassen hat sich im Handel allerdings das Hektolitergewicht als Qualitätsmerkmal etabliert. Abhängig von den Abnahmebedingungen wird für eine abschlagsfreie Vermarktung ein Hektolitergewicht von > 62/64 kg gefordert. Gerste mit einem geringeren Hektolitergewicht lässt sich nur mit Abzügen vermarkten die umso höher ausfallen, je stärker der Mindestwert unterschritten wird.

Auch wenn sowohl das Hektolitergewicht als auch die eigentlichen Qualitätseigenschaften zu einem hohen Anteil umweltbedingt sind, bestehen deutliche Sortenunterschiede, die unter kritischen Bedingungen darüber entscheiden können, ob eine abschlagsfreie Vermarktung einer Erntepartie möglich ist. Das relative Hektolitergewicht der in den nordrhein-westfälischen Landessortenversuchen zur Ernte 2024 geprüften Wintergersten wurde bereits in den Sortenempfehlungen dargestellt. Bei der Wintergerste mehrjährig überdurchschnittliche Hektolitergewichte erzielen unter anderem die Sorten SU Jule und Winnie, die Hybridsorten SY Dakoota und SY Loona sowie die gegenüber Gelbverzwergungsviren toleranten Sorten Integral und Sensation. Besonders hohe Hektolitergewichte erreichen die zweizeiligen Sorten Bordeaux und KWS Tardis. Bei den erst einjährig geprüften Sorten erzielen KWS Delis und KWS Antonis leicht überdurchschnittliche Hektolitergewichte. Durchschnittlich etwas geringere Hektolitergewichte erzielen Esprit und SY Galileoo sowie die gegenüber Gerstengelbmosaikvirus Typ 2 resistenten Sorten SU Midnight, Avantasia, Julia und vor allem SU Hetti. Bei Sorten die nicht oder nicht mehr in den Landessortenversuchen geprüft werden lohnt ein Blick in die Beschreibende Sortenliste: Dort wird für alle in Deutschland zugelassenen Sorten das Hektolitergewicht mit einer Ausprägungsstufe von 3 (gering) bis 8 (hoch) angegeben.

Bei einer geplanten Vermarktung als Braugerste bestehen deutlich umfassendere Qualitätsanforderungen: Dazu zählen vor allem ein hoher Vollgerstenanteil (> 90%), eine gute Keimfähigkeit (> 95%) und ein für die technische Vermälzung optimaler Proteingehalt (9,5-11,5%). Über- oder Unterschreitungen dieser Werte führen zu deutlichen Abzügen oder einer Abwertung der Erntepartie als Futtergerste. Die Sortenwahl wird überwiegend durch den Handel bestimmt. Aktuell wird in Nordrhein-Westfalen auf etwa 600-800 ha die zweizeilige Sorte KWS Donau angebaut.

Wintertriticale

Triticale wird in Deutschland fast ausschließlich als Futtergetreide genutzt. Die wichtigste Qualitätsanforderung des Handels ist ein Hektolitergewicht von > 68/70 kg. Da in der Beschreibenden Sortenliste keine Angaben zu den Qualitätseigenschaften bei Triticale gemacht werden, bieten die Ergebnisse der Landessortenversuche eine wichtige Information. Diese zeigen, dass überdurchschnittliche Hektolitergewichte vor allem von der Sorte Lumaco und der neuen Sorte Fantastico zu erwarten sind. Lombardo, Ramdam, Rivolt, Trias und Tributo erzielen meist nur leicht unterdurchschnittliche Hektolitergewichte. Darüber hinaus ist die Fallzahl zwar kein direktes Qualitätsmerkmal, kann allerdings als Hinweis für die Auswuchsfestigkeit der Sorten genutzt werden: Zusammen mit den letztjährigen Bonituren deuten die Ergebnisse darauf hin, dass vor allem die Sorte Lumaco sehr auswuchsfest ist. Bei der Sorte Lombardo besteht ein leicht unterdurchschnittliches, bei Ramdam, Rivolt und Trias hingegen ein leicht überdurchschnittliches Auswuchsrisiko. Die späte Sorte Tributo zeigt stark schwankende Ergebnisse. Lumaco sticht auch bei dem für den Futterwert relevanten Proteingehalt positiv heraus. Abgesehen von hohen Nährstoffgehalten wird der Futterwert bei Triticale auch durch einen geringen Besatz mit Mykotoxinen definiert. Dabei orientieren sich viele Händler nicht an den EU-Richtwerten, sondern an den strengeren Grenzwerten für die Lebensmittelproduktion. Erntepartien mit einem erhöhten DON-/ZEA-Gehalt lassen sich daher oft nur schwer oder mit hohen Abschlägen vermarkten. Daher sollten vor allem bei kritischen Bedingungen (z.B. Maisvorfrucht) bevorzugt Sorten mit einer geringen Anfälligkeit gegenüber Ährenfusarium genutzt werden. Dazu zählt an erster Stelle die Sorte Rivolt, gefolgt von Lumaco und der neuen Sorte Fantastico. Lombardo, Ramdam, Trias und Tributo sind durchschnittlich anfällig.

Winterroggen

Roggen wird in Nordrhein-Westfalen sowohl als Futtermittel als auch als Brotgetreide angebaut und vermarktet. Abhängig von der geplanten Nutzung unterscheiden sich auch die Qualitätsanforderungen: Bei Futterroggen wird, ähnlich wie bei Triticale, vor allem ein Hektolitergewicht von > 68/70 kg gefordert. Brotroggen hingegen lässt sich meist erst bei einem Hektolitergewicht von > 72/74 kg ohne Abschläge vermarkten. Die genetischen Unterschiede der Sorten sind relativ gering. Allein die Sorte SU Karlsson erzielt durchschnittlich ein etwas höheres Hektolitergewicht. Als weitere Qualitätsanforderung für Brotroggen gilt eine Fallzahl von > 120 s. Diese wird unter normalen Anbau- und Erntebedingungen meist zuverlässig erreicht, kann in kritischen Jahren (z.B. Ernte 2023) aber selbst mit fallzahlstärkeren Sorten nicht ausreichend abgesichert werden. Der Proteingehalt liegt bei den Sorten der Saaten-Union durchschnittlich etwas höher als im KWS-Sortiment. Aufgrund der zur Ernte 2025 verschärften Grenzwerte für Mutterkornsklerotien in Konsumroggen rückt vor allem für Betriebe mit Brotroggenproduktion auch dieses Thema wieder in den Fokus. Innerhalb des aktuell geprüften Sortiments sind unter anderem die Sorten KWS Serafino, KWS Baridor und KWS Emphor als relativ mutterkornresistent zu bewerten. KWS Tutor besitzt zwar eine noch höhere Resistenz, erzielt allerdings nur sehr unterdurchschnittliche Erträge. SU Karlsson und ebenso die schlechter eingestuften Sorten SU Perspectiv und SU Erling sind in der Praxis weniger anfällig gegenüber Mutterkorn als in der Beschreibenden Sortenliste angegeben, da dem landwirtschaftlichen Saatgut standardmäßig 10% Populationsroggen beigemischt wird.

Autor: Johannes Roeb