Landessortenversuche Frühkartoffeln 2008

Frühkartoffeln
Frühkartoffeln

Der Markt fordert schalenfeste Knollen

Der Kartoffelhandel hat sich ab 2008 zum Ziel gesetzt, Frühkartoffeln nur noch festschalig zu vermarkten. Dadurch soll eine höhere Lagerstabilität der Ware geschaffen werden, was wiederum mehr Flexibilität bei der Vermarktung erlaubt. Um die Grundlage für diese Forderungen zu schaffen, muss sich die bekannte Anbautechnik der Frühkartoffeln in wichtigen Punkten verändern, aber auch die Sortenfrage neu überdacht werden. Was Sie künftig bei der Sortenwahl unbedingt beachten müssen, beschreibt Peter Lövenich, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen.

Obwohl in der Praxis auch in diesem Jahr wieder sehr früh Kartoffeln gepflanzt wurden, verhinderte die winterliche Witterung im März, mit dem Kälteeinbruch um Ostern, eine fristgerechte Auspflanzung der Restmengen. Die Bestellung zog sich bis zur zweiten Aprilwoche hin, ehe auf den leichteren Standorten die Auspflanzarbeiten fortgesetzt werden konnten. Viele Betriebe kamen aber erst um den 20. April auf die Flächen und gerieten so unter Zeitdruck, weil auch noch Sommergetreide- und   Rübenbestellung drängten. Wegen der überlangen Lagerung des Pflanzgutes waren einige Sorten abgekeimt und in ihrer Triebkraft eingeschränkt, was zu lückigem Auflauf mit entsprechenden Fehlstellen führte.

Die im Rheinland dominierende feuchte Witterung begünstigte einen frühen Krautfäulebefall, der oft pflanzgutbedingt war. Im Versuch wie auch in der Praxis wurden die sehr frühen Speisesorten früh und außergewöhnlich häufig gegen Krautfäule behandelt, was aber eine weitere Ausbreitung verhindern konnte. Wegen der im Herbst vom Handel gestarteten Offensive zur Festschaligkeit von Frühkartoffeln wurde auch der Landessortenversuch mit sehr frühen Speisekartoffeln umgestellt, um diesem Anspruch gerecht werden zu können. Man war sich von Seiten der Versuchsansteller einig, dass ohne zusätzliche begleitende Maßnahmen eine Ernteverzögerung von mindestens 14 Tagen zu erwarten sei. Will man diese Zeit nennenswert verkürzen, muss man unter anderem folgende produktionstechnische Maßnahmen ergreifen:

  • optimale Vorbereitung des Pflanzgutes
  • Senkung des Stickstoffangebotes
  • fristgerecht krautregulierende Maßnahmen.

Am Standort Buir wurde daher der normale Landessortenversuch mit sechs Wiederholungen angelegt, anstatt sonst üblich mit vier. Deshalb konnte der Stickstoff in zwei Varianten und die Krautregulierung mit drei Varianten gefahren werden. Da es sich um eine komplexe Versuchsanlage handelt, kann in der Kürze noch keine Auswertung wiedergegeben werden. Diese erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt. Dennoch sind erste Erkenntnisse mit in die Beschreibung der einzelnen Sorten eingeflossen und werden im Anschluss dargestellt. In diesem Jahr konnten die beiden Landessortenversuche witterungsbedingt erst am 21. April in Buir und am 23. April in Waldniel angelegt werden. Der frühe Befall mit Krautfäule wurde schnell gestoppt und hatte keinen Einfluss auf das Ertragsverhalten der Sorten. Das ereichte Ertragsniveau lag in Buir 52 dt/ha und in Waldniel 22 dt/ha über dem vierjährigen Versuchsdurchschnitt in dieser Reifegruppe, bei allerdings hohem Übergrößenanteil. Im Vergleich zum Vorjahr waren die Erträge aber geringer.

Die Ernte erfolgte im Buir je nach Reifevariante nach 85 und nach 105 Wachstumstagen; in Waldniel nach Krautregulierung am 20. Juli wurde am 8. September geerntet.

Die Sorten im Einzelnen

Berber war lange Zeit die führende Sorte in diesem Segment. Sie gehört zu den Verlierern der neuen Vermarktungsstrategie des Handels, da sie nur spät festschalig wird. Ihre Vermehrungsfläche hat sich zum Vorjahr fast halbiert. Ihre Vorteile sind eine sehr schnelle Entwicklung bei guter Kalibrierung und guten Stärkegehalten. Daher wurden auch immer die hellere Fleischfarbe und der nicht immer gute Geschmack akzeptiert. Schwächen zeigt Berber in der Schorfanfälligkeit und bei langem Wachstum mit Rissen und Verwachsungen. Berber dürfte in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung verlieren und durch neue ebenso frühe Sorten ersetzt werden.

Solist wurde im dritten Jahr geprüft und bestätigt ihr leicht unterdurchschnittliches Ertragsniveau. Solist ist in der Reife später als Berber und läuft auch in der Stärkeeinlagerung deutlich hinterher. Sie kompensiert dies aber mit einer schnellen Schalenfestigkeit, was sie wiederum für die neue Vermarktungslinie empfiehlt. Ein weiterer Vorteil liegt in der gleichmäßigen Sortierung. Auch bei sehr langer Wachstumszeit hält sich der Übergrößenanteil im Rahmen und garantiert einen hohen Anteil an verkaufsfähiger Ware. Sie ist vorwiegend festkochend, besitzt eine hellgelbe Fleischfarbe und hat rundovale Knollen. Die Sorte ist für die frühe Abpackung vorgesehen und lässt sich problemlos waschen. Auf Grund der robusten Schale ist die Anfälligkeit gegenüber Erwinia auch unter nassen Bedingungen nicht hoch. Erwähnenswert ist die heftige Reaktion mit starker Gelbfärbung der Blätter auf kühle Nächte und die Empfindlichkeit gegenüber Metribuzin, die aber keinen gravierenden Einfluss auf das Ertragsverhalten der Sorte hat.

Verona steht ebenfalls im dritten Prüfjahr und knüpft an die weit überdurchschnittliche Ertragsleistung des ersten Prüfjahres an. Verona hat ovale, vorwiegend festkochende Knollen mit hellgelber Fleischfarbe und feiner, glatter Schale. Die Sortierung ist ausgeglichen, kann aber bei längerer Standzeit auch ins Grobe tendieren. Der Stärkegehalt ist durchschnittlich, Knollenmängel fallen nicht besonders ins Gewicht. Die Sorte gefällt wegen ihrer schönen Optik und kann auch ertraglich überzeugen. Sie gehört auch nicht zu den Sprintern in diesem Segment und dürfte daher eher etwas für den zweiten Erntetermin bei den Frühkartoffeln sein.

Anuschka wurde auch zum dritten Mal geprüft, zeigte aber eine konstantere überdurchschnittliche Ertragsleistung, die allerdings sehr einseitig auf eine sehr grobe Sortierung zurückzuführen ist. Anuschka ist eine sehr keimträge Sorte, die entsprechend später aufläuft und sich entwickelt. Sie nimmt daher auch bei früher Rodung in Sachen Festschaligkeit und Stärkegehalt nur eine mittlere Position ein. Die Knollen sind oval, robust und mit schöner gelber Fleischfarbe und fester Kocheigenschaft. Geschmack und Handling der Sorte sind gut. Um dem enormen Übergrößenpotenzial Einhalt zu gebieten, muss diese Sorte unbedingt enger gepflanzt werden. Gelingt das, dürfte die Sorte sowohl für die Direktvermarktung als auch für die Abpackung interessant sein.

Presto brachte im zweiten Prüfjahr wieder überdurchschnittliche Erträge, bei hohem Übergrößenanteil. Presto ist eine ovale, vorwiegend festkochende Sorte mit gelber Fleischfarbe. Leider bestätigte sich auf beiden Prüfstandorten auch der hohe Anteil an Knollenmängeln. In erster Linie sind hier grüne Knollen, Zwiewuchs und Wachstumsrisse zu nennen. Presto bildet schnell Stärke und erreichte 63 Tage nach Auflauf bereits 11,2% und lag damit auf Berberniveau. Bei späterer Rodung steigt der Stärkegehalt bis 13% an, aber die Sorte wurde in diesem Jahr auch nur schwer festschalig, so dass sie sich auch nicht unbedingt für die neue Vermarktungslinie eignet und sich eher, unter Beachtung der Übergrößenproblematik, für den zweiten Rodetermin empfiehlt.

Annabelle langjährig geprüfte Sorte, die von ihrer Reifezeit nicht in dieses Segment passt, in der Praxis aber oft als Frühsorte auch unter Folie angebaut wird. Bekannterweise gehört Annabelle nicht zu den Sorten mit einem hohen Stärkegehalt, was sich besonders unter den feuchten Bedingungen des Jahres 2008 und bei einem frühen Rodetermin bemerkbar macht. Gehalte unter 10 % Stärke sollten als Grenze dienen, bei deren Unterschreitung die Sorte auch schon einmal wässrig und wenig gehaltvoll schmeckt. Ertraglich schnitt die Sorte in diesem Jahr auch im sehr frühen Segment leicht überdurchschnittlich ab, ohne dabei zu viele Übergrößen zu bilden. Dabei ist es immer schwierig, den exakten Übergößenanteil bei sehr langen Sorten zu bestimmen, weil bei kurzer Sortierstrecke viele Knollen über die Siebe rutschen, obwohl das Kaliber kleiner ist. Knollenmängel fielen bis auf den formbedingten Anteil an grünen nicht auf. Bei aller Wertschätzung bei Landwirt und Verbraucher darf nicht vergessen werden, dass die Sorte eine hohe Erwiniaanfälligkeit besitzt und in diesem Jahr stellenweise eine sehr hohe Belastung mit Yntn-Virus verzeichnete.

Erstmals geprüfte Neuzulassungen

Magda von der Firma Saatzucht Lange wurde bereits im Jahr 2000 in Tschechien zugelassen. Die Knollen sind oval, vorwiegend festkochend und hellgelb bis gelbfleischig. Der Ertrag war mit relativ 90 schwach, die Sortierung hat einen hohen Anteil zwischen 35 und 60 mm, so dass sie sich im marktfähigen Ertrag etwas verbessert. Der große Vorteil der Sorte lag im ersten Prüfjahr in der sehr schnellen Stärkeeinlagerung, wo sie bereits nach 63 Wachstumstagen 13,5 % erreichte und in der schnellen Festschaligkeit. Beide Kriterien empfehlen diese Sorte für das neue Vermarktungssegment frühe festschalige Ware mit ausreichendem Stärkegehalt. Bei früher Rodung kann sie ertraglich auch mit den übrigen Sorten mithalten. Bleibt die Sorte dagegen zu lange stehen, wird sie von den anderen Sorten ertraglich abgehangen und sinkt deutlich in der Qualität. Knollenmängel, wie Hohlherzigkeit, Zwiewuchs und grüne Knollen, nehmen deutlich zu. Nach einjähriger Erfahrung ist Magda eine Spezialsorte für die ganz frühe Rodung, wo sie die vom Markt gewünschten Kriterien erfüllt und gleichzeitig über einen guten Geschmack verfügt. In dieser Rolle dürfte sie auch in der Direktvermarktung eine gute Chance haben.

Ingrid ist eine neue Sorte aus dem Hause Weuthen. Züchter dieser Premiere-Kreuzung ist die niederländische HZPC. Die Knollen sind rundoval bis oval, haben eine ansprechende glatte Schale und sind vorwiegend festkochend mit gelber Fleischfarbe. Der Ertrag ist durchschnittlich, mit vielen Übergrößen, was den marktfähigen Anteil reduziert. Ingrid weist bei sehr früher Rodung nur unterdurchschnittliche Stärkegehalte auf, was sich bei Normalrodung wieder relativiert. Die angekündigte, schnelle Festschaligkeit konnte die Sorte in diesem Jahr noch nicht beweisen. Auffällig waren der hohe Anteil an grünen Knollen und der starke Zwiewuchs. Ingrid scheint auch eher eine Sorte für die zweite Rodung zu sein, wo sie ertraglich besser abschneidet als bei der sehr frühen Rodung. Sehr gefällig ist das äußere Erscheinungsbild.

Arcona ist die dritte Neuprüfung mit sehr früher Reifezeit von der Saka Pflanzenzucht GbR. Die ovalen Knollen sind gelbfleischig und vorwiegend festkochend. Sie lieferte mir relativ 114 den höchsten Ertrag in diesem Reifesegment, bei einer noch ausgeglichenen Sortierung. Formbedingt kam es zu einigen grünen Knollen; leichter Zwiewuchs trat nur in Waldniel bei überlanger Standzeit auf. Arcona bildet auch schnell Stärke und konnte nach 63 Wachstumstagen bereit 10,5 % aufweisen und liegt damit nur knapp hinter Berber oder Presto. In punkto frühe Schalenfestigkeit ist sie vergleichbar mit Ingrid oder Berber. Arcona überzeugt durch eine enorme Ertragsleistung, ohne dabei zu dick zu werden oder überdurchschnittliche Qualitätsmängel aufzuweisen. Schafft man es, anbautechnisch die Schalenfestigkeit vorzuverlegen, dürfte diese Sorte für den Handel interessant werden.

Bellaprima von Europlant ist die letzte Neuvorstellung in diesem Versuch. Diese Sorte passt von der Reife nicht in dieses Segment. Der Auflauf ist spät und die Entwicklung läuft der der anderen Sorten hinterher. Bellaprima erreichte nach 63 Wachstumstagen nur 9,0 % Stärke und war auch beim letzten Rodetermin noch zu 100 % losschalig. Ertraglich schnitt Bellaprima überdurchschnittlich ab, allerdings sehr stark auf Kosten der groben Sortierung. Nimmt man nur das Segment 35 bis 60 mm, reduziert sich der Marktwareertrag auf relativ 64. Hinzu kommen sehr hohe Anteile an grünen Knollen und Zwiewuchs. Bellaprima ist von der Reife keine sehr frühe Sorte und auch sonst bleiben viele Fragen offen. Vorerst kann man diese Sorte noch nicht empfehlen.

Sortimentsverschiebung

Wurde im letzten Jahr noch über das Fehlen von klassischen Frühsorten geklagt, hat sich das Sortiment in dieser Hinsicht wieder etwas nach vorne geschoben. Besonders die Sorte Magda scheint hier eine gute Chance zu haben, Fuß zu fassen. Aber auch die anderen Neuvorstellungen passen in die vom Handel gewünschte Vermarktungslinie einer frühen Festschaligkeit. Hier gilt es aber noch, die Produktionstechnik auf dieses besondere Ziel abzustimmen. Leider wird das auch mit Einbußen an Ertrag einhergehen und es ist zu hoffen, dass das Bemühen der Landwirtschaft, die gewünschte Ware bereitzustellen, auch vom Handel honoriert wird.

Autor: Peter Lövenich