Feldbesichtigung von Saatgutvermehrungsflächen beginnt

Abweicher in WintergersteBild vergrößern
Die Feldbesichtiger achten auch auf den Besatz mit anderen Sorten der gleichen Art und nicht hinreichend sortenechten Pflanzen, sogenannte "abweichende Typen".

Die Feldbesichtiger sind wieder unterwegs und überprüfen die Saatgutvermehrungen auf die Einhaltung der vorgeschriebenen Normen. Um einen reibungslosen Ablauf zu ermöglichen, sollten die Vermehrer ihre Bestände rechtzeitig vor der Besichtigung selbst kontrollieren und entsprechende Vorbereitungen wie z.B. das Aufstellen der Schilder vornehmen. Was sonst noch zu beachten ist, erläutert Holger Dietzsch von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen.

Ab Ende Mai/Anfang Juni beginnt die Feldbesichtigung der Vermehrungsflächen. Je nach Fruchtart erstreckt sich die Saison bis Ende Juli/Anfang August. Die Feldbesichtigung wird im Gebiet der Anerkennungsstelle Nordrhein-Westfalen im Allgemeinen ohne vorherige Terminabsprache durchgeführt. Deshalb ist es ratsam, Familien- oder Betriebsangehörige über die Lage der Vermehrungsschläge zu informieren. Dann kann die Feldbesichtigung auch stattfinden, wenn der Betriebsleiter zufällig einmal nicht anwesend ist. Überprüft werden die Vermehrungsbestände auf die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Normen. Die Besichtigung wird durchgeführt, wenn eine ausreichende Beurteilung der Vermehrungsbestände gesichert ist. Sortenmerkmale müssen gut zu unterscheiden und vorhandener Besatz mit Fremdgetreide oder Unkraut deutlich zu erkennen sein. Bei Getreide und Gräsern beginnt die Feldbesichtigung daher nach dem vollen Schieben der Ähren bzw. Rispen. Die optimalen Besichtigungstermine (phänologische Richtwerte) der einzelnen Fruchtarten sind in Übersicht 1 in Abhängigkeit der beantragten Saatgutkategorie aufgeführt.

Beschilderung vornehmen

Jede Vermehrungsfläche ist bis zum Beginn der Feldbesichtigung durch ein entsprechendes Schild zu kennzeichnen. Auf dem Schild müssen Fruchtart, Sortenname, beantragte Kategorie, Schlagbezeichnung, Schlaggröße, Anschrift des Vermehrers und die VO-Firma angegeben sein. Der Feldbesichtiger kann so die Angaben für die Vermehrungsfläche mit den Angaben der Feldbesichtigungskarte vergleichen. Die Schilder können gleichzeitig auch als Werbung für die Ware des jeweiligen Saatguterzeugers dienen. Bei fehlendem Schild findet keine Feldbesichtigung statt bzw. nur eine Besichtigung unter Vorbehalt. In solchen Fällen ist dann eine gebührenpflichtige Nachbesichtigung (34 € je Feldbestand) erforderlich.

Anforderungen an den Bestand

Jede zur Anerkennung angemeldete Vermehrungsfläche von Getreide zur Erzeugung von Z-Saatgut, von Gräsern und Sommerraps muss mindestens einmal besichtigt werden, Vorstufen- und Basissaatgut von Getreide und Gräsern mindesten zweimal (Übersicht 1). Bei dem ersten Termin zu dem früheren Zeitpunkt kurz nach der Blüte können die Sortenmerkmale (z.B. Anthocyanverfärbung der Blattöhrchen oder der Grannenspitzen bei Wintergerste) kontrolliert werden, die später in der Abreife nicht mehr eindeutig zu erkennen sind. Der zweite Besichtigungstermin zu einem späteren Zeitpunkt ist erforderlich, um zum Beispiel Fremdbesatz bei Getreide im Vermehrungsbestand sicher erkennen zu können. Mittel- und großkörnige Leguminosen (Ackerbohnen, Erbsen, Wicken und Lupinen) werden ab 2009 unabhängig von der beantragten Kategorie grundsätzlich zweimal besichtigt. Hier erfolgt die zweite Besichtigung nach der Blüte zur Feststellung des Krankheitsbefalls (Brennflecken bei Erbsen, Wicken und Ackerbohnen sowie Anthracnose bei Lupinen).

Bei der Besichtigung überprüft der Feldbesichtiger die angegebene Sorte und die Flächengröße. Wichtige Besichtigungsmerkmale sind Sortenechtheit, Fremdbesatz mit anderen Arten, Unkrautbesatz und Gesundheitszustand hinsichtlich samenübertragbarer Krankheiten. Übersicht 2 zeigt die vorgeschriebenen Mindestnormen für Getreide je nach Kategorie. Großes Augenmerk wird auf den Besatz mit anderen Sorten der gleichen Art und nicht hinreichend sortenechten Pflanzen - so genannte „abweichende Typen“ - gerichtet, weil dieser nur im Feld und nicht mehr in der Saatgutuntersuchung im Labor zu erkennen ist. Der Feldbesichtiger hat die Aufgabe, die Anforderungen zu überprüfen und die Bestände zu beurteilen. Hierzu wird durch mehrmaliges Auszählen auf einer Zählstrecke von 150 m² (ca. 83 m Länge und ca. 1,80 m Breite) der Besatz ermittelt. Bei Kartoffeln müssen pro Prüfstrecke jeweils 100 Stauden beurteilt werden. Beim Überschreiten der Norm wird der Vermehrungsbestand „ohne Erfolg“ eingestuft.

Trennstreifen und Mindestentfernungen beachten

Bei Saatgut wird besonders auf die Trennung zu Nachbarschlägen geachtet. Grundsätzlich ist zwischen Vermehrungsbeständen und angrenzenden Mähdruschfrüchten immer ein Trennstreifen von mindestens 40 cm erforderlich (Übersicht 2), um mechanische Vermischungen bei der Ernte zu vermeiden. Der Trennstreifen muss für den Feldbesichtiger deutlich erkennbar sein. Wenn der Trennstreifen nicht bei der Aussaat angelegt wurde, muss er notfalls nachträglich durch Fräsen oder Herausmähen hergestellt werden. Bei Grassamenvermehrungen sind die Feldränder der Vermehrungsflächen sauber zu halten, damit ein Einwandern von Fremdgräsern aus dem Rand in den Vermehrungsbestand verhindert wird. Die Abgrenzung zu Schlagrändern, Feldrainen, Böschungen o. ä. ist hier im Vermehrungsbestand vor der Feldbesichtigung herzustellen.

Bei den Fremdbefruchtern sind darüber hinaus bestimmte Mindestentfernungen zu benachbarten Feldbeständen (Übersicht 2) erforderlich, um Einkreuzungen zu verhindern. Bei Populationssorten von Roggen betragen diese zum Beispiel 300 m bei Vorstufen/Basissaatgut bzw. 250 m bei Z-Saatgut. Bei Hybridroggen ist für die Erzeugung von Z-Saatgut sogar eine Mindestentfernung von 500 m vorgeschrieben. Aber auch bei den Selbstbefruchtern wie Wintergerste und Triticale sind Mindestentfernungen vorgeschrieben, da es hier zu einem gewissen Anteil an Fremdbefruchtungen kommen kann. Bei den Leguminosen zählen Erbsen, Lupinen und Wicken zu den Selbstbefruchtern, alle anderen Leguminosen zu den Fremdbefruchtern. Hier sind bei Vermehrungsflächen bis 2 ha Größe 200 m (Vorstufen-/Basissaatgut) bzw. 100 m (Z-Saatgut) einzuhalten, bei größeren Vermehrungsflächen 100 m (Vorstufen-/Basissaatgut) bzw. 50 m (Z-Saatgut). Bei den Gräsern werden nur die Rispenarten als Selbstbefruchter behandelt, alle übrigen Gräserarten zählen zu den Fremdbefruchtern. Die Mindestentfernungen betragen hier bei Schlägen von unter 2 ha Größe 200 m (Vorstufen/Basissaatgut) bzw. 100 m (Z-Saatgut), bei Schlägen über 2 ha Größe sind es 100 m (Vorstufen-/Basissaatgut) bzw. 50 m (Z-Saatgut). Werden die Mindestentfernungen unterschritten, hat das die Teil- oder Totalaberkennung des Vermehrungsvorhabens zur Folge, da Einkreuzungen nicht ausgeschlossen werden können.

Das Auftreten von samenübertragbaren Brandkrankheiten wird streng bewertet. Aberkennungen wegen samenbürtiger Krankheiten hat es aber aufgrund der konsequenten Beizung in den letzten Jahren nicht mehr gegeben. Eine Bereinigung von flugbrandkranken Pflanzen aus den Vermehrungsbeständen ist nicht erlaubt und zudem auch zwecklos, da die Sporen aus der Brandähre sofort nach dem Erscheinen verbreitet werden und Infektionen hervorrufen können, die äußerlich am Korn nicht zu erkennen sind. Das Auftreten von Flugbrand wird deshalb nicht nur im Vermehrungsbestand überprüft, sondern auch in den benachbarten Beständen in einem Abstand von 50 m. Zulässig sind hier maximal 15 Flugbrandpflanzen je 150 m² (Übersicht 2).

Hafer muss frei von Flughafer sein

Das Auftreten von Flughafer in Hafervermehrungen wird sehr kritisch bewertet. Hafervermehrungen müssen frei von Flughafer sein. Das gilt nicht nur für die Zählstrecken, sondern für den gesamten Schlag. Bei der Erzeugung von Vorstufen- und Basissaatgut darf darüber hinaus in einem Abstand von 100 m vom Vermehrungsbestand kein Flughafer oder Flughaferbastard auftreten. Flughafer kann sich mit Hafer zu so genannten Bastarden kreuzen, die dann wiederum Flughafermerkmale aufweisen und wie Flughafer zu werten sind. Wegen der Gefahr der Einkreuzung ist eine Bereinigung von Flughafer aus Hafervermehrungen nach dem Beginn der Blüte nicht mehr erlaubt. Der Bestand kann dann nicht mehr mit Erfolg besichtigt werden. Selbst bei großen Haferschlägen ist beim Auftreten von Flughafer keine Abtrennung und Teilflächenanerkennung möglich. Diese strengen Regelungen beim Flughafer haben in der Vergangenheit dazu geführt, dass dieses Ungras im Saatgetreide nur sehr selten vorkommt.

Vermehrungsbestände vorbereiten

Bevor die Feldbesichtigung beginnt, sollte jeder Vermehrer seine Bestände selbst kontrollieren. Wird dabei beispielsweise festgestellt, dass starker Fremdbesatz zu einer endgültigen Aberkennung führen würde und eine Bereinigung nicht Erfolg versprechend ist, kann der Vermehrungsbestand durch den Anmelder von dem Anerkennungsverfahren zurückgezogen werden. Dazu ist natürlich die Absprache zwischen Vermehrer und Vertragspartner erforderlich, damit die Zurückziehung rechtzeitig bei der Anerkennungsstelle beantragt werden kann. Übersteigt ein möglicher Fremdbesatz die Normen nur geringfügig, so kann eine Bereinigung des Bestandes sinnvoll sein. Auch dies sollte möglichst vor der offiziellen Feldbesichtigung erfolgen. Ergibt sich erst bei der Feldbesichtigung, dass Mängel im Bestand behoben werden müssen, so kann auf Antrag eine gebührenpflichtige Nachbesichtigung (34 € je Bestand) nach der Bereinigung stattfinden. Die Kosten hierfür sind vom Antragsteller der Nachbesichtigung zu tragen.

Private Feldbesichtigung

Die Anerkennung von Saatgut ist eine klassische hoheitliche Aufgabe. Der Gesetzgeber hat jedoch bereits vor etlichen Jahren Voraussetzungen geschaffen, Teilbereiche des Anerkennungsverfahrens wie z.B. die Feldbesichtigung nicht nur amtlich, sondern auch durch Private durchführen zu lassen. Der Einsatz privater Feldbesichtiger ist dabei an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Eine nichtamtliche Feldbesichtigung ist bei Erzeugung von Zertifiziertem Saatgut von Getreide, Betarüben, Futterpflanzen sowie Öl- und Faserpflanzen möglich. Als Feldbesichtiger kommen neben unabhängigen natürlichen Personen auch Mitarbeiter von VO-Firmen und Zuchtbetrieben in Frage, sofern sie nicht (Mit-)Inhaber oder in leitender Position tätig sind. Wenn die fachliche Befähigung in einer Prüfung im Anschluss an eine Schulung nachgewiesen wird, kann die Anerkennungsstelle den privaten Feldbesichtiger amtlich zulassen. Seine Tätigkeit muss er gemäß den Richtlinien der Anerkennungsstelle für die Feldbesichtigung durchführen. Die Vermehrungsvorhaben, die von privaten Feldbesichtigern geprüft werden, müssen zu einem Anteil von mindestens 5% von der Anerkennungsstelle nachkontrolliert werden. In einem Pilotprojekt mit KWS Lochow in 2007 und 2008 wurden sämtliche privat besichtigten Flächen parallel durch amtliche Feldbesichtiger besichtigt. Für 2009 ist bei privater Feldbesichtigung eine Kontrolldichte von mindestens 20 % vorgesehen. Werden Verstöße eines privaten Feldbesichtigers festgestellt, greifen Sanktionen bis hin zur Nachkontrolle aller von ihm besichtigten Feldbestände und zum Entzug der amtlichen Zulassung. Das Ausgangssaatgut für Vermehrungen, die von einem privaten Feldbesichtiger kontrolliert werden sollen, muss im Nachkontrollanbau geprüft werden. Die Prüfung im Nachkontrollanbau darf keine Beanstandungen ergeben und muss vor Erstellung des Anerkennungsbescheides abgeschlossen sein.

Fazit für die Praxis

Für den Vermehrer empfiehlt es sich vor Beginn der Besichtigungssaison auf folgendes zu achten:

  • Schilder in Vermehrungsschlägen rechtzeitig aufstellen.
  • Fremdbesatz rechtzeitig und sachgerecht Bereinigen.
  • Auf Trennstreifen von mindestens 40 cm zu benachbarten Mähdruschfrüchten achten, bei Gräservermehrungen Schlagränder sauber halten und gegebenenfalls mähen.
  • Mindestentfernungen bei Fremdbefruchtern (z.B. Roggen, Gräser, Ackerbohnen) einhalten; auch bei Triticale und Wintergerste auf die vorgeschriebenen Mindestentfernungen achten.
  • Zurückziehungen in Abstimmung mit der zuständigen Saatzucht- oder VO-Firma rechtzeitig bei der Anerkennungsstelle beantragen.
  • Bei Unklarheiten mit dem Vertragspartner sprechen oder sich bei der Anerkennungsstelle erkundigen.

Autor: Holger Dietzsch