NOB: Nicht obligatorische Beschaffenheitsprüfung mittlerweile etabliert

Automatische Saatgutprobenahme
Für die Ziehung der Nachkontrollproben muss ein zugelassenes automatisches Probenahmegerät genutzt werden

Bei der Anerkennung von Getreide-Saatgut besteht nunmehr seit fünf Jahren die Möglichkeit, dass nicht mehr alle Z-Saatgutpartien vor dem Inverkehrbringen amtlich untersucht werden müssen. Dieses Verfahren, welches der Saatgutwirtschaft mehr Eigenverantwortung überträgt und gleichzeitig aber auch Vorteile für den Saatgutverbraucher beinhaltet wird seitens der beteiligten Saatgutwirtschaft und der amtlichen Seite durchweg als positiv und richtungsweisend beurteilt. Holger Dietzsch von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen und Willi Thiel von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen geben einen Überblick über die Erfahrungen und die Ergebnisse.

Wofür steht NOB?

NOB steht für „Nicht obligatorische Beschaffenheitsprüfung“. Nach § 12 (1b) Saatgutverordnung gibt es eine Verfahrensmöglichkeit, bei der nicht mehr alle Z-Saatgutpartien einer Beschaffenheitsprüfung unterzogen werden müssen, wie es im weiterhin möglichen, herkömmlichen Anerkennungsverfahren erforderlich ist. Dabei wird der Saatgutwirtschaft im Vorfeld mehr Eigenverantwortung übertragen. Die Partien müssen bei NOB nicht so strikt wie im bisherigen Anerkennungsverfahren vor dem Inverkehrbringen geprüft werden. Im Nachhinein werden die aufbereiteten Partien dann allerdings sehr genau untersucht. Bestimmte Voraussetzungen hinsichtlich Anmeldung, Feldbesichtigung, Probenahme und Untersuchungsergebnis-Veröffentlichung müssen erfüllt sein, damit die Anerkennungsstelle der Teilnahme am Verfahren zustimmt. Es handelt sich dabei um ein Antragsverfahren. Ein Aufbereiter entscheidet in Abstimmung mit Vertriebsfirma und Züchter, ob er grundsätzlich am Verfahren teilnehmen will. Wird ihm dies von der Anerkennungsstelle genehmigt, kann er – wieder in Abstimmung mit Vertriebsfirma und Züchter – partiebezogen entscheiden, ob er das herkömmliche Anerkennungsverfahren wählt oder ob die Partie den Weg der „Nicht obligatorischen Beschaffenheitsprüfung“ gehen soll.

Die wesentlichen Eckpunkte von NOB sind:

  • Damit ein Aufbereiter am Verfahren teilnehmen kann, müssen bestimmte Voraussetzungen wie Anmeldung (Antrag), Feldbesichtigung (nur mit Erfolg feldbesichtigte Vorhaben), Probenahme (automatischer Probenehmer) und Veröffentlichung der Ergebnisse erfüllt sein.
  • Bezogen auf eine Partie mit 120 Tonnen Saatgut müssen nicht mehr wie bisher vier Proben gezogen und untersucht werden. Beim NOB-Verfahren „vorgereinigte Rohware“ genügt es zunächst eine repräsentative Probe aus der vorgereinigten, nicht endgültig aufbereiteten Rohware für die Anerkennung einzureichen. Diese Probe muss allerdings die gesetzlichen Mindestanforderungen an die Beschaffenheit (Mindestkeimfähigkeit, Besatz, technische Reinheit) erfüllen. Bei Gerste und Weizen ist eine Mindestkeimfähigkeit von 92% und bei den anderen Getreidearten von 85% gefordert. Die Norm für die technische Mindestreinheit liegt bei 98%. Beim Besatz mit anderen Getreidearten dürfen 3 Körner bezogen auf die Untersuchungsmenge von 500 Gramm nicht überschritten werden. Diese Werte entsprechen genau den gesetzlichen Mindestanforderungen, die auch an herkömmlich zertifiziertes Getreidesaatgut gestellt werden. Sind die Anforderungen erfüllt, werden dann für eine 120 Tonnen-Partie 4 Anerkennungsbescheide für jeweils 30 t ausgestellt.
  • Die endgültige Aufbereitung erfolgt dann zu einem späteren Zeitpunkt. Zur Absicherung der Saatgutqualität hat der Gesetzgeber hier eine amtliche Nachkontolle des aufbereiteten Saatgutes vorgesehen. Aus jeder einzelnen Partie muss bei der Aufbereitung eine Kontrollprobe mittels automatischen Probenehmers gezogen werden. Mindestens 20% der Kontrollproben sind auf ihre Beschaffenheit zu überprüfen. In den ersten Jahren hatten sich die Anerkennungsstellen in Deutschland und die Saatgutwirtschaft darauf geeinigt, dass nicht 20% sondern 75% der Proben nachkontrolliert werden. Aufgrund der guten Erfahrungen in den ersten beiden Jahren wurde die Kontrolldichte danach auf 25 % zurückgefahren. Das bedeutet, je NOB-Partie wird eine Kontrollprobe untersucht. Auch für 2009 war dieser an die gesetzliche Mindestnorm angenäherte Kontrollwert vorgesehen.
  • NOB-Partien sind an dem Hinweis „geprüft nach § 12 (1b) SaatgutV“ als zusätzliche Angabe auf dem blauen Z-Saatgutetikett zu erkennen. Die Angaben zur Keimfähigkeit und zur Tausendkornmasse befinden sich auf dem weißen, nicht amtlichen Anhang (Übersicht 1) am Etikett.  

Eine ganz wesentliche Voraussetzung für NOB ist, dass für die Ziehung der Nachkontrollproben ein zugelassenes automatisches Probenahmegerät im Rohrsystem des Aufbereitungsbetriebes sachgerecht eingebaut sein muss. Außerdem werden nur solche Vermehrungsschläge für dieses Verfahren zugelassen, die bereits die Feldbesichtigung ohne jede Einschränkung mit Erfolg absolviert haben; ausgeschlossen sind nach § 8(2) feldbesichtigte Verfahren. Dies trägt dazu bei, die Sicherheit in diesem Verfahren zu erhöhen.

Vorteile für Saatguterzeuger und für Saatgutverbraucher

Der Saatguterzeuger hat den Vorteil, dass er die endgültige Aufbereitung der Partie erst in Angriff nehmen muss, wenn zum einen ein Anerkennungsattest vorliegt und sich auch eine entsprechende Kundennachfrage abzeichnet. Das bedeutet für den Saatgutaufbereiter Kosten- und teilweise auch Zeit-Ersparnis. Damit wird ihm andererseits auch ein hohes Maß an Eigenverantwortung übertragen. Durch die allgegenwärtige Nachkontrolle muss der Saatgutaufbereiter sicherstellen, dass das von ihm aufbereitete Saatgut zumindest die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllt, ansonsten greift ein Maßnahmenkatalog. In der Regel liegt das endgültig aufbereitete Saatgut deutlich über den gesetzlichen Anforderungen. Es stellt sich bei NOB aber auch die Frage nach dem Nutzen für den Saatgutverbraucher, also dem Landwirt. Zunächst ist davon auszugehen, dass zu erwarten ist, dass die Saatgutqualität genauso gut wie bei herkömmlich zertifiziertem Saatgut ist. Völlig neuartig bei dieser Variante der Saatgutanerkennung ist aber, dass deutschlandweit alle Saatgutpartien, die an diesem Verfahren teilnehmen, veröffentlicht werden. Partien, die in der Nachkontrolle negativ aufgefallen sind, werden dabei besonders gekennzeichnet und die Untersuchungsergebnisse dieser Partien gleichfalls veröffentlicht.

Ständig einzusehen sind diese Ergebnisse auf der Homepage der Arbeitsgemeinschaft der Anerkennungsstellen in Deutschland, wo auch über NOB hinaus zahlreiche Informationen rund um das Saatgut zu finden sind (www.ag-akst.de). Mit der Veröffentlichung der Daten ist sicherlich schon ein sehr wichtiger Schritt getan, aber die Konsequenzen sind durchaus noch weit reichender. Die Saatgutwirtschaft hat sich verpflichtet, auf freiwilliger Basis Schadensersatz zu leisten, wenn bestimmte Normwerte unterschritten werden. Diese freiwilligen Entschädigungsleistungen greifen wenn z.B. bei Winterweizen die Mindestkeimfähigkeitswerte um mehr als 5% unterschritten werden oder der Besatz mit Fremdgetreide 5 Körner und mehr beträgt. Im Internet unter o.a. Adresse findet sich der vollständige Entschädigungskatalog.

Maßnahmenkatalog

Weiterhin werden solche Aufbereitungsbetriebe, bei denen Fehler vorgefunden werden, je nach Schwere des Vergehens, gemaßregelt. Das können Ermahnungen sein, das kann die Entbindung des Probenehmers sein, das kann der Ausschluss vom Verfahren sein, dies kann aber auch die Einleitung weiterer rechtlicher Schritte sein. So wurden und werden in den Fällen, wo nicht nur die Anerkennungsnorm sondern statistisch berechnete Toleranzwerte überschritten wurden, nachträglich die Anerkennungen zurückgenommen, was unabhängig von den Entschädigungsregelungen die Konsequenz beinhaltet, dass die Erwerber jenes Saatgutes zu informieren sind, dass sie nicht anerkanntes Saatgut gekauft haben.Der vollständige Maßnahmenkatalog ist auch der Homepage der AG der Anerkennungsstellen zu finden.

Ergebnisse von 2005 bis 2009 stellen zufrieden

Mit dem Verfahren NOB insgesamt, das unter Einbeziehung der Saatgutwirtschaft erarbeitet wurde, ist ein hohes Maß an Verbraucherschutz und eine hohe Saatgutqualität zu gewährleisten. Dass dies gelingt zeigen im Wesentlichen auch die Erfahrungen in den Jahren 2005 bis 2009. In der Nachkontrolle 2005 und 2006 lagen in Deutschland von 3.654 Kontrollproben 108 Proben, also nicht ganz 3 %, unter der Anerkennungsnorm. Diese Ergebnisse wurden wie oben geschildert mit allen Daten veröffentlicht und entsprechend des Maßnahmenkatalogs weiter behandelt. Der Wert von 3% lag niedriger als Vergleichswerte, die seit Jahren im Rahmen der Saatgutverkehrskontrolle festgestellt werden, wobei sich Saatgut aus Deutschland insgesamt durch ein hohes Qualitätsniveau auszeichnet, welches meist deutlich über den gesetzlich festgeschriebenen Normwerten liegt. In der Nachkontrolle des Extremjahres 2007, was zumindest die Erntebedingungen im Norden, Westen und Osten betraf, wurden 1.185 Kontrollproben untersucht, wobei die Ergebnisse von 68 Proben, also rund 5,7%, unter der Norm lagen. In 2008 lagen 73 (4,3%) von 1.698 Kontrollproben unter der Norm, also erneut ein gutes bis sehr gutes Resultat. Gleichzeitig stieg die Anzahl der Partien im NOB- Verfahren um fast 21%. In 2009 war dies (vorläufig) bei 54 von bisher 1.528 Kontrollproben der Fall. Das sind 3,5% bei erneut gestiegener Anzahl an teilnehmenden Aufbereitungsbetrieben und gestiegener Saatgutmenge.

Nach diesen Eindrücken darf man also weiter optimistisch für die Zukunft sein. In der Übersicht 2 sind nochmals die wesentlichen Zahlen aus Nordrhein- Westfalen und Deutschland der Jahre 2007 bis 2009 zusammengefasst. Zukünftig dürften das Interesse und die Zahl der teilnehmenden Aufbereiter noch weiter steigen. Manche Aufbereiter sehen im Erfordernis automatischer Probenahmegeräte ein gewisses Hemmnis. Die Vorteile solcher Geräte im Hinblick auf Repräsentativität der Proben und Erfüllung privatrechtlicher Nachweispflichten liegen aber klar auf der Hand.

Fazit für die Praxis

  • Nach derzeitigem Stand wird das relativ neue Anerkennungsverfahren der „Nicht obligatorischen Beschaffenheitsprüfung“ von allen Seiten positiv beurteilt.
  • Die Eigenverantwortung der Saatgutwirtschaft wird erhöht. Es besteht eine schnellere Verfügbarkeit des Saatgutes. Die Kosten der Aufbereitung lassen sich senken.
  • Für Betriebe eröffnet sich die Möglichkeit, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Andererseits dürfte die Sicherheit für den Saatgut-Konsumenten letztlich genauso hoch sein wie beim herkömmlichen Anerkennungsverfahren.
  • Darüber hinaus wird die Transparenz für den Verbraucher ganz erheblich erhöht aufgrund der deutschlandweiten Ergebnis-Veröffentlichung.

Weitere Auskünfte zur „Nicht obligatorischen Beschaffenheitsprüfung“ in NRW erhalten Sie auf Anfrage bei der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Referat 31 Landbau - Anerkennungsstelle NRW, Nevinghoff 40 in 48147 Münster (Telefon: 0251/23 76-679).

Autor: Holger Dietzsch