NOB hat sich auch in einem schwierigen Anbaujahr bewährt

Gerstenkörner

Bei der Anerkennung von Getreide-Saatgut ist es jetzt seit drei Jahren möglich, dass nicht mehr alle Z-Saatgutpartien vor dem Verkauf, also vor dem Inverkehrbringen, amtlich untersucht werden müssen. Die skeptischen Betrachter werden weniger, das Verfahren, welches der Saatgutwirtschaft mehr Eigenverantwortung überträgt und gleichzeitig aber auch durchaus Vorteile für den Saatgutverbraucher beinhaltet wird seitens der beteiligten Saatgutwirtschaft und der amtlichen Seite positiv und als richtungsweisend beurteilt. Im Folgenden wird über die bisher gemachten Erfahrungen und Ergebnisse berichtet.

NOB, was heißt das?

NOB steht für „Nicht obligatorische Beschaffenheitsprüfung“. Nach § 12 (1b) Saatgutverordnung eröffnet der Gesetzgeber die Möglichkeit, dass nicht alle Saatgutpartien grundsätzlich der Beschaffenheitsprüfung unterzogen werden müssen, wie es im weiterhin möglichen, herkömmlichen Anerkennungsverfahren erforderlich ist. Dabei erhält die Saatgutwirtschaft im Vorfeld mehr Eigenverantwortung: Die Partien müssen nicht so strikt wie im bisherigen Anerkennungsverfahren vor dem Inverkehrbringen geprüft werden. Im Nachhinein werden die aufbereiteten Partien dann allerdings sehr genau untersucht.

Bestimmte Voraussetzungen hinsichtlich Anmeldung, Feldbesichtigung, Probenahme und Untersuchungsergebnis-Veröffentlichung müssen erfüllt sein, damit die Anerkennungsstelle der Teilnahme am Verfahren zustimmt. Es handelt sich dabei um ein Antragsverfahren. Ein Aufbereiter entscheidet in Abstimmung mit Vertriebsfirma und Züchter, ob er grundsätzlich am Verfahren teilnehmen will. Wird ihm dies von der Anerkennungsstelle genehmigt, kann er – wieder in Abstimmung mit Vertriebsfirma und Züchter – partiebezogen entscheiden, ob er das herkömmliche Anerkennungsverfahren wählt oder ob die Partie den Weg der „Nicht obligatorischen Beschaffenheitsprüfung“ gehen soll. Die wesentlichen Abläufe in diesem Verfahren sind zusammenfassend in der Abbildung 1 schematisch dargestellt.

Dabei müssen bezogen auf eine Partie mit 120 Tonnen Saatgut, nicht mehr wie bisher vier Proben gezogen und untersucht werden, sondern es reicht eine repräsentative Probe aus vorgereinigter, nicht endgültig aufbereiteter Rohware.

Diese Probe muss allerdings bereits die gesetzlichen Mindestanforderungen an die Beschaffenheit erfüllen. Das sind im Wesentlichen eine Mindestkeimfähigkeit bei Gerste und Weizen von 92% und bei den anderen Getreidearten von 85%. Das ist darüber hinaus eine technische Mindestreinheit von 98% und zum Beispiel ein maximaler Besatz mit anderen Getreidearten von 3 Körnern bezogen auf die Untersuchungsmenge von 500 Gramm. Diese Werte entsprechen exakt den gesetzlichen Mindestanforderungen, die auch an herkömmlich zertifiziertes Getreidesaatgut gestellt werden. Das herkömmliche Anerkennungsverfahren gibt es natürlich nach wie vor; danach wird zurzeit in Deutschland immer noch die überwiegende Menge des Z-Saatgutes bei Getreide zertifiziert.

Zur Absicherung der Saatgutqualität sieht der Gesetzgeber eine amtliche Nachkontolle des abschließend aufbereiteten Saatgutes in Form von mindestens 20% der Kontrollproben vor. Denn von dem aufbereiten Saatgut muss je 30 Tonnen eine Probe gezogen werden und für eine etwaige Überprüfung bereitgestellt werden. Für die ersten Jahre haben sich die Anerkennungsstellen in Deutschland und die Saatgutwirtschaft darauf geeinigt, dass nicht 20% sondern 75% der Proben nachkontrolliert werden. Damit sollten Erfahrungen mit diesem Verfahren gesammelt werden können und gleichzeitig der Saatgutverbraucher nachhaltig geschützt werden. Aufgrund der guten Erfahrungen in den ersten beiden Jahren wurde die Kontrolldichte auf 25 % zurückgefahren. Das heißt, je NOB-Partie wird eine Kontrollprobe untersucht.  Auch für 2008 ist dieser an die gesetzliche Mindestnorm angenäherte Kontrollwert vorgesehen.

Wesentlich ist, dass für die Ziehung der Nachkontrollproben ein zugelassenes automatisches Probenahmegerät im Rohrsystem des Aufbereitungsbetriebes sachgerecht eingebaut sein muss, was die Repräsentativität der gezogenen Proben optimiert. Auch werden nur solche Vermehrungsschläge für dieses Verfahren zugelassen, die bereits die Feldbesichtigung ohne jede Einschränkung mit Erfolg absolviert haben; ausgeschlossen sind nach § 8(2) feldbesichtigte Verfahren. Auch diese Punkte erhöhen die Sicherheit des Verfahrens. Ab 2008 ist auch innerhalb des NOB-Verfahrens bundeseinheitlich die Anerkennung mit Beizbedingung zulässig.

Was hat der Saatguterzeuger davon?

Der Saatguterzeuger hat den Vorteil, dass er die endgültige Aufbereitung der Partie erst in Angriff nehmen muss, wenn zum einen ein Anerkennungsattest vorliegt und sich auch eine entsprechende Kundennachfrage abzeichnet. Das bedeutet für den Saatgutaufbereiter Kosten- und ggf. Zeit-Ersparnis. Damit wird ihm andererseits auch ein hohes Maß an Eigenverantwortung übertragen. Durch die allgegenwärtige Nachkontrolle muss der Saatgutaufbereiter sicherstellen, dass das von ihm aufbereitete Saatgut zumindest die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllt, ansonsten greift ein Maßnahmenkatalog. In der Regel liegt das endgültig aufbereitete Saatgut deutlich über den gesetzlichen Anforderungen. Im Jahr 2005 fand dieses Verfahren nur Anwendung für die Getreidearten Gerste und Weizen (sowie Mais). Aufgrund der überwiegend guten Erfahrungen im ersten Jahr kamen in 2006 die übrigen Getreidearten dazu.

Positiv auch für den Saatgutverbraucher?

Zu Recht stellt sich die Frage nach dem Nutzen für den Saatgutkonsumenten, den Landwirt. Zunächst ist festzuhalten, dass zu erwarten ist, dass die Saatgutqualität genauso gut wie bei herkömmlich zertifiziertem Material ist. Völlig neuartig ist, dass deutschlandweit alle Saatgutpartien, die an diesem Verfahren teilnehmen, veröffentlicht werden. Partien, die in der Nachkontrolle negativ aufgefallen sind, werden dabei besonders gekennzeichnet und die Untersuchungsergebnisse dieser Partien werden gleichfalls veröffentlicht. Ständig einzusehen sind diese Angaben unter www.ag-akst.de. Das ist das Internet-Portal der Arbeitsgemeinschaft der Anerkennungsstellen in Deutschland, wo auch über NOB hinaus zahlreiche Informationen rund um das Saatgut zu finden sind.

Mit der Veröffentlichung der Daten ist sicherlich schon ein sehr wichtiger Schritt getan, aber die Konsequenzen sind durchaus noch weit reichender. Die Saatgutwirtschaft hat sich verpflichtet, auf freiwilliger Basis Schadensersatz zu leisten, wenn bestimmte Normwerte unterschritten werden. Diese freiwilligen Entschädigungsleistungen greifen wenn z.B. bei Winterweizen die Mindestkeimfähigkeitswerte um mehr als 5% unterschritten werden oder der Besatz mit Fremdgetreide 5 Körner und mehr beträgt. Unter www.ag-akst.de findet sich der vollständige Entschädigungskatalog.

Weiterhin werden solche Aufbereitungsbetriebe, bei denen Fehler vorgefunden werden, je nach Schwere des Vergehens, gemaßregelt. Das können Ermahnungen sein, das kann die Entbindung des Probenehmers sein, das kann der Ausschluss vom Verfahren sein, dies kann aber auch die Einleitung weiterer rechtlicher Schritte sein. So wurden und werden in den Fällen, wo nicht nur die Anerkennungsnorm sondern statistisch berechnete Toleranzwerte überschritten wurden, nachträglich die Anerkennungen zurückgenommen, was unabhängig von den Entschädigungsregelungen die Konsequenz beinhaltet, dass die Erwerber jenes Saatgutes zu informieren sind, dass sie nicht anerkanntes Saatgut gekauft haben. Der vollständige Maßnahmenkatalog ist auch unter www.ag-akst.de zu finden.

Erkennen kann der Saatgutverbraucher NOB-Partien an dem Hinweis „anerkannt nach § 12 (1b)“ unter Bemerkungen auf dem blauen Etikett (siehe Tabellen und Abbildungen). Außerdem hat das blaue Etikett einen weißen, nicht amtlichen Anhang. Auf diesem weißen Anhang sind Angaben zur Keimfähigkeit und i.d.R. Tausendkornmasse zu finden. Da diese Angaben nicht für jede einzelne Partie im Zuge der Anerkennung amtlich ermittelt wurden, dürfen diese Angaben nur auf dem nicht amtlichen weißen Anhang erscheinen. Mit dieser Vorgehensweise insgesamt, die unter Einbeziehung der Saatgutwirtschaft erarbeitet wurde, ist ein hohes Maß an Verbraucherschutz und eine hohe Saatgutqualität zu gewährleisten.

Wie lief es 2005 bis 2007?

In der Nachkontrolle 2005 und 2006 lagen in Deutschland von 3.654 Kontrollproben 108 Proben, also nicht ganz 3 %, unter der Anerkennungsnorm. Diese Ergebnisse wurden wie oben beschrieben mit allen Daten veröffentlicht und entsprechend des Maßnahmenkatalogs weiter behandelt. Der Wert von 3% lag niedriger als Vergleichswerte, die seit Jahren im Rahmen der Saatgutverkehrskontrolle festgestellt werden, wobei sich Saatgut aus Deutschland insgesamt durch ein hohes Qualitätsniveau auszeichnet, welches meist deutlicht über den gesetzlich festgeschriebenen Normwerten liegt. In der Nachkontrolle 2007 wurden bisher 1.061 Kontrollproben untersucht, wobei die Ergebnisse von 56 Proben, also rund 5,3 % unter der Norm lagen (Übersicht 1). Also selbst in einem Extremjahr, zumindest was die Erntebedingungen im Norden, Westen und Osten betraf, wurde noch ein gutes Resultat erzielt. Nach diesen Eindrücken darf man also durchaus optimistisch für die Zukunft sein.

Die Tabelle fasst nochmals die wesentlichen Zahlen aus Nordrhein-Westfalen und Deutschland der Jahre 2006 und 2007 zusammen. In 2007 nahmen bundesweit 49 Aufbereiter am NOB-Verfahren teil gegenüber 45 Aufbereitern im Vorjahr. In Nordrhein-Westfalen sind in 2007 drei Betriebe neu hinzugekommen und ein Betrieb ausgeschieden. Zukünftig dürften das Interesse und die Zahl der teilnehmenden Aufbereiter noch weiter steigen. Manche Aufbereiter sehen im Erfordernis automatischer Probenahmegeräte ein gewisses Hemmnis. Die Vorteile solcher Geräte im Hinblick auf Repräsentativität der Proben und Erfüllung privatrechtlicher Nachweispflichten liegen aber auf der Hand. Darüber hinaus wird der Einbau automatischer Probenahmegeräte insofern auch mehr Sinn machen, als ab 01.07.2007 in Aufbereitungsbetrieben ohne diese Geräte mindestens 5% der Partien kontrollbeprobt und –untersucht werden müssen, sofern Firmen-Mitarbeiter als privat zugelassene Probenehmer im Einsatz sind.

Fazit für die Praxis

  • Nach derzeitigem Stand wird das neue Anerkennungsverfahren der „Nicht obligatorischen Beschaffenheitsprüfung“ von allen Seiten positiv beurteilt. Die Eigenverantwortung der Saatgutwirtschaft wird erhöht.
  • Es besteht eine schnellere Verfügbarkeit des Saatgutes. Die Kosten der Aufbereitung lassen sich senken. Für Betriebe eröffnet sich die Möglichkeit, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.
  • Andererseits dürfte die Sicherheit für den Saatgut-Konsumenten letztlich genauso hoch sein wie beim herkömmlichen Anerkennungsverfahren. Darüber hinaus wird die Transparenz für den Verbraucher ganz erheblich erhöht aufgrund der deutschlandweiten Ergebnis-Veröffentlichung.

Weitere Auskünfte zur „Nicht obligatorischen Beschaffenheitsprüfung“ in NRW erhalten Sie auf Anfrage bei der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Referat Landbau – Anerkennungsstelle NRW, Nevinghoff 40 in 48147 Münster (Telefon: 0251/23 76-679).

Autor: Holger Dietzsch