Landessortenversuche Sommerbraugerste 2020

Sommerbraugerste im JuniBild vergrößern
Sommerbraugerste mit geringer Bestandesdichte

Die Anbaufläche von Sommergerste in NRW lag 2020 bei etwa 9.800 ha. Davon entfielen weniger als 1/3 auf den Anbau von Braugerste. Dieser konzentriert sich in NRW auf die Voreifel und insbesondere den Kreis Euskirchen. Dort wurden 2020 etwa 2.560 ha Sommergerste angebaut. 2017 lag die Anbaufläche noch bei über 3.000 ha. Der deutliche Rückgang des Braugerstenanbaus in den letzten Jahren ist unter anderem auf die trockenheitsbedingt geringen Erträge zurückzuführen. Die schlechte Ernte in 2020 und die anhaltende Coronakrise werden die Anbaufläche in 2021 voraussichtlich weiter zurückgehen lassen.

Rückblick auf 2020

Die meisten Sommerungen blieben 2020 deutlich hinter den Ertragserwartungen zurück. Bei Sommerbraugerste berichteten viele Landwirte und Händler sogar von der schlechtesten Ernte, die sie je erlebt haben. Die angegebenen Erträge reichen von unter 25 dt/ha bis etwa 65 dt/ha. Sorten mit einer hohen genetisch fixierten Bestandesdichte schnitten insgesamt besser ab als solche, die den Ertrag vorwiegend über eine hohe Kornzahl/Ähre und Tausendkornmasse erreichen. Ertragsentscheidend war 2020 der Regen: Die ausgiebigen Niederschläge im Februar reichten zwar noch aus, um einen guten Feldaufgang zu sichern, spätestens ab Mai waren diese Vorräte aber meist verbraucht. Anstatt des dringend benötigten Regens erlebte die Voreifel nach 2018 und 2019 erneut eine lang anhaltende Trockenphase. Durchschnittlich fielen zwischen Aussaat und Ernte der Sommergerste weniger als 50% der zu erwartenden Niederschläge. Wo der Regen ausblieb, ließ sich selbst bei gut aufgelaufenen Beständen kein zufriedenstellender Ertrag realisieren. Durch den Wassermangel reduzierte sich nicht nur die Bestockung, während des Schossens bildeten sich auch viele der angelegten Nebentriebe wieder zurück. An den verbliebenen Halmen entwickelten sich Ähren mit deutlich weniger Körnern als in „normalen“ Jahren. Dort wo etwas höhere Niederschläge fielen, wurde jeder Regentropfen in Ertrag umgesetzt.

Aussichten für den Braugerstenanbau in der Voreifel

Die geringen Ernten der letzten Jahre, die schwer abzuschätzende Marktentwicklung und nicht zuletzt die Auflagen der neuen Düngeverordnung wirken dem Anbau von Sommerbraugerste in der Voreifel entgegen. Viele der aktuell genutzten Anbauflächen liegen in nitrataustragsgefährdeten („roten“) Gebieten und müssen daher ab Herbst 2021 mit Zwischenfrüchten bestellt werden, wenn im nachfolgenden Jahr eine Sommerung angebaut werden soll. Auch im Hinblick auf das zunehmende Risiko einer Frühlingstrockenheit gingen bereits in den letzten Jahren immer mehr Landwirte dazu über, Sommergerste bereits im Herbst als „Wechselgerste“ auszusäen. Dafür ist besonders die Sorte Leandra geeignet, die nach Angaben des Züchters bis mindestens -12°C winterhart ist. Das höhere Risiko eines Ertragsausfalls wurde 2020 mit Erträgen von bis zu 80 dt/ha belohnt. Standorte, an denen Probleme mit wirkstoffresistenten Ackerfuchsschwanzpopulationen bestehen, sind für eine Herbstaussaat von Sommergerste allerdings nur bedingt geeignet. Erschwerend kommt für den Anbau in 2021 hinzu, dass der zukünftige Bedarf an Malz auch durch den weiteren Verlauf der Coronakrise beeinflusst wird. Aktuell besteht noch ein großer Übertrag aus der letzten Ernte und selbst den erfahrensten Händlern fällt es schwer, eine zuverlässige Prognose für die weitere Marktentwicklung zu geben. Mehrjährig allerdings nimmt der globale Bedarf an Braugerste zu, sodass sich zumindest langfristig auch wieder bessere Vermarktungsaussichten ergeben sollten.

Ergebnisse der Landessortenversuche 2020

Sortenversuche für Sommerbraugerste werden in NRW nur noch am Standort Hergarten durchgeführt. Dieser litt in 2020, wie fast die gesamte Voreifel, stark unter der trockenen Witterung. Darüber hinaus konnten die Versuche aufgrund eines technischen Ausfalls des Parzellenmähdreschers erst überreif geerntet werden. Die daraus resultierenden Ernteverluste trugen dazu bei, dass an dem Standort nur ein durchschnittlicher Ertrag von 43,8 dt/ha erzielt wurde. Die aktuellen Sortenempfehlungen beziehen sich daher überwiegend auf Ergebnisse aus den Vorjahren und aus anderen Anbauregionen sowie allgemeine Anbauerfahrungen. Bei der Sortenwahl sind neben pflanzenbaulichen Merkmalen auch vermarktungstechnische Aspekte zu berücksichtigen.

Accordine lieferte bereits in den Vorjahren nur unterdurchschnittliche Erträge. 2020 zählte die Sorte ertraglich zu den größten Verlierern. Dies resultierte insbesondere aus einer im Vergleich zu anderen Sorten relativ schwachen Bestockung. Die geringe Anzahl an ährentragenden Halmen konnte auch durch eine hohe Kornzahl/Ähre nicht kompensiert werden konnte. Accordine ist im Vergleich zu anderen Sorten etwas später reif und durchschnittlich anfällig gegenüber Blattkrankheiten.

Avalon erzielte in den Höhenlagen der Voreifel mehrjährig überdurchschnittliche Erträge. 2020 schnitt die Sorte aber vergleichsweise schlecht ab. Sowohl die Bestandesdichte als auch die Kornzahl/Ähre und TKM lagen deutlich unter dem Mittelwert der anderen Sorten. Avalon ist standfest und resistent gegen Zwergrost, allerdings anfällig für Ährenknicken, Mehltau und Rhynchosporium.

Leandra schnitt 2018 und 2019 in der Voreifel ertraglich schwächer ab, erreichte bundesweit aber ein durchschnittliches Ertragsniveau. 2020 erzielte Leandra in allen Anbaugebieten höhere Erträge als Avalon. Dieses Ergebnis resultierte aus einer höheren Kornzahl/Ähre und TKM. Leandra ist etwas weniger standfest, dafür aber vergleichsweise blattgesund. Die Sorte ist nach Angaben des Züchters auch für eine späte Herbstaussaat geeignet und relativ winterhart.

Quench erzielte 2020 etwas bessere Erträge als Leandra und lag in den Vorjahren etwa auf dem gleichen Ertragsniveau. Die Sorte steht relativ dicht, bildet aber nur vergleichsweise kleine Körner aus. Vorteile von Quench sind die geringe Neigung zum Ährenknicken und die Resistenz gegenüber Mehltau. Nachteilig zu bewerten ist die ansonsten relativ geringe Blattgesundheit, insbesondere die hohe Anfälligkeit für Zwergrost.

RGT Planet brachte sowohl 2020 als auch in den Vorjahren die höchsten Sommerbraugerstenerträge. Aufgrund der leicht unterdurchschnittlichen Malz- und Brauqualität erhielt die Sorte aber keine Verarbeitungsempfehlung durch das Berliner Programm. Daher sollte vor dem Anbau geklärt werden, wie die Ernte später vermarktet werden kann. RGT Planet ist etwas weniger standfest als andere Sorten und durchschnittlich blattgesund.

Prospect erzielte in den ersten beiden Prüfjahren durchschnittliche Erträge. Die Sorte profitiert in trockenen Jahren von einer guten Bestockung. 2020 erhielt Prospect eine Verarbeitungsempfehlung des Berliner Programms. Dennoch sollte die Abnahme noch vor der Aussaat mit dem Handel geklärt werden. Die Sorte ist wenig anfällig gegenüber Halm- und Ährenknicken und durchschnittlich blattgesund.

Amidala und KWS Jessie wurden 2020 erstmals in den Landessortenversuchen NRW geprüft. Über eine Verarbeitungsempfehlung des Berliner Programms wird allerdings erst in den nächsten Wochen entschieden. Amidala ist relativ bestockungsträge und bildet den Ertrag vorwiegend über eine hohe TKM. Auch bedingt durch die starke Frühlingstrockenheit blieben die Erträge in 2020 deutlich hinter dem Sortimentsdurchschnitt zurück. KWS Jessie hingegen bildet den Ertrag vorwiegend über die Bestandesdichte. 2020 erreichte die kurzstrohige Sorte fast das Ertragsniveau von RGT Planet. Aufgrund der noch nicht geklärten Vermarktung erfolgt für beide Sorten aktuell keine Anbauempfehlung.

Anbauhinweise

Der Anbau von Sommerbraugerste setzt eine deutlich intensivere Anbauplanung voraus als bei einer geplanten Futternutzung. Standorte mit einem hohen Stickstoffnachlieferungsvermögen sind für den Anbau von Braugerste nur bedingt geeignet. Leguminosen scheiden als Vorfrüchte aus, da deren Rückstände zu einer schwer zu kontrollierenden Stickstofffreisetzung noch während der Kornfüllungsphase führen können. Sommerbraugerste profitiert zwar von einer guten Stickstoffversorgung während der Jugendentwicklung, späte N-Aufnahmen können aber den Proteingehalt erhöhen und damit die Qualitätseinstufung gefährden. Auch ein gegebenenfalls erforderlicher Zwischenfruchtanbau ist auf dieses Ziel hin auszurichten. Die Aussaat sollte, auch im Hinblick auf die Ausnutzung der Winterfeuchte, möglichst früh und in ein gut abgetrocknetes Saatbett erfolgen. Die empfohlene Saatstärke reicht von 270-300 keimfähigen Körnern/m² bei frühen Saaten bis zu 330-360 Körnern/m² bei später Aussaat. Ziel ist eine Bestandesdichte von 650-750 ährentragenden Halmen/m². Die Stickstoffdüngung kann in den Mittelgebirgslagen in einer Gabe zur Aussaat, spätestens aber zum 3-Blatt-Stadium, erfolgen. Auf sehr fruchtbaren Standorten ist eine Aufteilung auf 2/3 zur Saat und 1/3 zu EC 31/32 möglich. Als Düngemittel sollte ein schnell wirksamer mineralischer Dünger eingesetzt werden. Bei Anbau von mehltauresistenten Sorten ist eine einmalige Fungizidapplikation in EC 37/49 ausreichend.

Autor: Johannes Roeb, Heinz Koch