Landessortenversuche Sommerbraugerste 2022

Sommerbraugerste im BestandBild vergrößern
Sommerbraugerste im Bestand

Die bereits im Herbst 2021 deutlich gestiegenen Marktpreise für Braugerste haben dazu beigetragen, dass sich die Anbaufläche von Sommerbraugerste in Nordrhein-Westfalen zur Ernte 2022 deutlich erhöht hat. Schätzungen gehen von insgesamt etwa 3.300 ha aus, von denen etwa 25-30% auf den Anbau von Sommerbraugerste in Herbstaussaat entfallen. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass sich die Anbauflächen für Winterbraugerste und Sommerbraugerste in Herbstaussaat zur Ernte 2023 nochmals erhöht haben. Die aktuell hohe Braugerstenprämie und die gestiegenen Stickstoffkosten könnten dazu beitragen, dass sich auch die Aussaat von Sommerbraugerste im Frühling ausweiten wird.

Gute Ernte, gute Preise

Mit schätzungsweise etwa 24.000 t wurde 2022 in der Voreifel die wahrscheinlich beste Braugerstenernte seit 2015 eingefahren. Grundlage dafür waren zum einen die leicht gestiegenen Anbauflächen, zum anderen aber auch die mit durchschnittlich bis zu 65 dt/ha relativ guten Erträge und vor allem die sehr hohe Qualität. Ausgehend von Schätzungen des Handels erfüllten etwa 90% der im Anbaugebiet geernteten Sommergerste die strengen Kriterien für Braugerste. Nur vereinzelt wurde der geforderte Mindestproteingehalt unterschritten. Die insgesamt sehr zufriedenstellende Ernte kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch im vergangenen Jahr große Ertragsunterschiede zwischen den meist eher nördlich gelegenen Standorten mit ausreichender Wasserversorgung und den stärker von der Frühlingtrockenheit betroffenen Standorten im südlicheren Anbaugebiet festzustellen waren.

Die Aussaat im Frühling erfolgte zu 90% in der zweiten Märzhälfte und unter überwiegend sehr guten Bedingungen. Die meisten Böden waren oberflächlich gut abgetrocknet, enthielten aber noch ausreichend Restfeuchte für einen gleichmäßigen Feldaufgang. Auch die Herbstaussaaten profitierten von der Winterfeuchte. Ab der zweiten Aprilwoche setze eine beschleunigte Jugendentwicklung ein. Die Bestockung war durchschnittlich. Anhaltend geringe Niederschläge führten im weiteren Vegetationsverlauf besonders auf leichteren Standorten zu Trockenstress und einer erhöhten Triebreduktion, die sich auch auf den späteren Ertrag auswirkte. Die zu erzielende Ernte hing somit auch im Jahr 2022 vornehmlich vom Wassernachlieferungspotential des Bodens und lokalen Niederschlagsereignissen ab. Die insgesamt trockenen und sonnigen Bedingungen begünstigten einen geringen Krankheits- und Lagerdruck und eine überwiegend zufriedenstellende Kornfüllung. Anders als im Vorjahr erfolgte die Ernte ohne Probleme. Mit einem Vollgerstenanteil von geschätzt 94% und durchschnittlichen Proteingehalten von etwa 10% wurden ausgesprochen gute Qualitäten erreicht. Die bevorzugt angebauten Sorten waren Lexy, Avalon und Leandra in Herbstaussaat.

Der höhere Aufwand und das zusätzliche Risiko beim Anbau von Braugerste scheinen vor allem dann gerechtfertigt, wenn sich dies mit einer entsprechenden Prämie bezahlt macht. Die global gestiegene Nachfrage führte dazu, dass kurz vor der Ernte 2022 bis zu 40 €/dt für Braugerste geboten wurden. Dies ist ein noch höherer Preis als, selbst inflationsbereinigt, zuletzt in der Finanzkrise 2008 erreicht wurde. Die meisten Betriebe konnten die gute Braugerstenernte zu einem hohen Preis vermarkten. Dies dürfte für die ein oder andere schlechte Ernte der vergangenen Jahre entschädigen. Mittlerweile sind die durchschnittlichen Marktpreise für Braugerste zwar wieder gefallen, liegen aber immer noch auf einem hohen Niveau. Auch die Prämie gegenüber Futtergerste hat sich in den letzten Monaten wieder deutlich erhöht, nachdem infolge der Ukrainekrise die Preise für Futtermittel stark gestiegen waren. Bei aktuellen Vorkontraktpreisen von etwa 30 €/dt für Sommerbraugerste gegenüber 21 €/dt für Futtergerste dürfte für viele Betriebe feststehen, dass diese auch zur Ernte 2023 auf den Anbau von Braugerste setzen werden. Die aktuell hohen Stickstoffpreise und die erneute Ausweitung der nitratbelasteten ("roten") Gebiete begünstigen die Wirtschaftlichkeit gegenüber alternativen Kulturen.

Ergebnisse der Landessortenversuche 2022

Der einzige Landessortenversuch für Sommerbraugerste in Nordrhein-Westfalen wurde, wie bereits in den vergangenen Jahren, am Standort Heimbach-Hergarten im Anbaugebiet Voreifel angelegt. Der Boden war eine Pseudogley-Parabraunerde, sandiger Lehm mit 65 Bodenpunkten. Der Standort lag auf etwa 370 m. Die Aussaat erfolgte am 16. März mit 330 Körnern/m². Die noch im Boden erhaltene Winterfeuchte begünstigte einen zügigen und gleichmäßigen Feldaufgang. Auf die kurze Kaltphase zum Monatswechsel März/April folgte eine rasche Jugendentwicklung und ausreichende Bestockung. Aufgrund der erneut auftretenden Vorsommertrockenheit blieb der Krankheitsdruck gering. Die zunehmend kritische Wasserversorgung führte zwar zu einer leicht erhöhten Triebreduktion, mit durchschnittlich etwa 680 Ähren/m² war die Bestandesdichte im Versuch aber nicht zu gering. Ausgehend von einem Nmin-Wert von 43 kg/ha (0-60 cm) wurde der Versuch mit 80 kg/ha N zuzüglich 16 kg/ha S kurz nach der Aussaat gedüngt. Als Pflanzenschutzmaßnahmen wurden 0,1 kg/ha Concert SX zur Unkrautbekämpfung sowie 0,6 l/ha Input Classic in EC 31-23 und 1,0 l/ha Revytrex + 0,33 l/ha Comet in EC 39-49 zur Bekämpfung von Blattkrankheiten eingesetzt. Die Ernte erfolgte am 4. August unter optimalen Bedingungen. Lager, Halm- und Ährenknicken oder sonstige Probleme traten nicht oder kaum auf. Mit durchschnittlich 61,2 dt/ha Vollgerstenertrag wurde zwar keine sehr gute Ernte erzielt, dennoch kann der Versuch als repräsentativ für das Anbaugebiet Voreifel und insbesondere die Standorte mit eingeschränkter Wasserversorgung gewertet werden. Damit gibt es nach mehreren Jahren mit witterungs- oder technikbedingten Ausfällen wieder aktuelle Ergebnisse zur Leistung der verschiedenen Sommerbraugerstensorten in Nordrhein-Westfalen. Einschränkend muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass aufgrund von technischen Problemen die Aussaatdichte in einigen Parzellen geringfügig von den geplanten 330 Körnern/m² abwich. Diese Unterschiede hatten zwar keinen signifikanten Einfluss auf die Bestandesdichte und die Ertragsleistung der Sorten, führten aber zu dem Entschluss, den gesamten Versuch als intensive Pflanzenschutzvariante mit Fungiziden (B2) zu behandeln. Ähnlich wie in der Praxis wurden auch im Landessortenversuch in Heimbach-Hergarten sehr gute Braugerstenqualitäten erzielt: Mit einem Hektolitergewicht von 70,0 kg (68,8-70,6 kg), einem Vollgerstenanteil von 95,1% (91,6-96,7%) und einem Proteingehalt von 10,0% (9,4-10,6%) lagen die durchschnittlichen Werte bis auf wenige Ausnahmen im geforderten Bereich. Die Ergebnisse decken sich insgesamt relativ gut mit den bundesweiten Sommerbraugerstenversuchen, obwohl bei einzelnen Sorten in anderen Anbaugebieten leicht abweichende Vollgerstenerträge erzielt wurden.

Hinweise zur Sortenwahl

Die Sortenwahl bei Braugerste wird an erster Stelle durch den Markt bestimmt. Selbst die beste Ware lässt sich nur dann zu einem guten Preis vermarkten, wenn sich ein entsprechender Abnehmer dafür findet. Aufgrund der bestehenden Handelsstrukturen werden für das Anbaugebiet Voreifel bevorzugt Sorten empfohlen, die sich über die lokalen Marktpartner zuverlässig absetzen lassen. Betriebe die für ihre Ware einen alternativen Abnehmer haben, sind bei der Sortenwahl deutlich weniger gebunden.

Avalon war bis vor wenigen Jahren die wichtigste Braugerstensorte in der Voreifel und ist nach wie vor stark im Anbau vertreten. Die Sorte ist ertraglich nur geringfügig schlechter einzuschätzen als die deutlich jüngere Sorte Leandra, kann mit den späteren Neuzulassungen aber nicht mithalten. Avalon ist relativ standfest, allerdings als einzige der geprüften Sorten anfällig für Mehltau und zudem relativ anfällig für Rhynchosporium. Ausgesprochen positiv zu bewerten ist die sehr gute Kornausbildung, die dazu beiträgt, dass die am Markt geforderten Vollgerstenanteile meist zuverlässig erreicht werden. Aufgrund des relativ hohen Proteingehalts sollte die Stickstoffdüngung eher zurückhaltend erfolgen.

RGT Planet erzielt im Braugerstensortiment nach wie vor überdurchschnittliche Kornerträge, die aber nicht über denen der jüngsten Neuzulassungen liegen. Aufgrund der fehlenden Verarbeitungsempfehlung durch das Berliner Programm lässt sich die Sorte in Deutschland relativ schwer vermarkten, wird international aber nachgefragt. RGT Planet ist durchschnittlich standfest und strohstabil. Der relativ geringe Proteingehalt ist meist positiv zu bewerten, führte in den Braugerstenversuchen 2022 aber dazu, dass der geforderte Mindestwert von 9,5% leicht unterschritten wurde.

Leandra kann insgesamt eher in der Herbstaussaat als bei der klassischen Aussaat im Frühling überzeugen. Als Sommerbraugerste erzielte die Sorte mehrjährig nur leicht unterdurchschnittliche Vollgerstenerträge. Auch daher haben viele Betriebe bereits zur Aussaat 2022 beschlossen, stattdessen die neue Sorte Lexy anzubauen. Positiv hervorzuheben sind die relativ geringe Lagerneigung und die insgesamt gute Blattgesundheit. Der zu erwartende Proteingehalt ist durchschnittlich und die sonstige Kornqualität gut, aber nicht überragend.

Prospect ist eine mögliche Alternative zur Sorte Leandra, wenn der Absatz gesichert ist. Die Sorte überzeugt im direkten Vergleich durch höhere Vollgerstenerträge sowie eine bessere Strohstabilität. Der Proteingehalt ist durchschnittlich. Die Kornausbildung ist geringfügig schlechter als bei den vorgenannten Sorten, sodass der am Markt geforderte Vollgerstenanteil in Jahren mit kritischer Wasserversorgung nicht immer zuverlässig erreicht wird. Prospect ist auch für die Herbstaussaat geeignet.

Lexy wurde bereits nach zwei Prüfjahren fast bundesweit in die Sortenempfehlungen aufgenommen. Auch für das Anbaugebiet Voreifel erhält die Sorte eine gesicherte Hauptempfehlung. Lexy erzielte sowohl in den Braugerstenversuchen 2022 in Heimbach-Hergarten als auch in den mehrjährigen Versuchen der anderen Länderdienststellen zuverlässig hohe Vollgerstenerträge und gute, wenn auch nicht überragende Kornqualitäten. Die Sorte ist relativ standfest, strohstabil und blattgesund. Der Proteingehalt ist gering. Lexy wurde bereits zur Aussaat 2022 auf fast 50% der Braugerstenflächen in der Voreifel angebaut und erzielte auch in der Praxis sehr zufriedenstellende Erträge und Qualitäten.

Als weitere Sorten wurden in den Braugerstenversuchen 2022 zusätzlich Amidala, KWS Jessie und die Neuzulassung LG Flamenco geprüft. Amidala hat sich bundesweit als aktuell wichtigste Sommerbraugerste etabliert und wird in den meisten Anbaugebieten aufgrund überdurchschnittlicher Erträge und sehr guter Qualitäten empfohlen. Die auf eine geringe Bestandesdichte und hohe Tausendkornmasse ausgerichtete Ertragsstruktur kann bei schlechter Wasserversorgung allerdings dazu führen, dass sich das hohe Ertragspotential der Sorte nicht realisieren lässt. KWS Jessie hingegen ist ein ausgesprochener Bestandesdichtetyp mit guten Kornerträgen aber unterdurchschnittlichen Qualitäten und damit begrenzten Absatzmöglichkeiten. LG Flamenco erzielte im ersten Prüfjahr in den bundesweiten Versuchen sehr hohe Kornerträge bei geringen Proteingehalten. Die Verarbeitungsempfehlung durch das Berliner Programm steht allerdings noch aus.

Als geeignete Sorten für die Herbstaussaat haben sich vor allem Leandra und Prospect bewährt. Beide erzielten in einem am 18. Oktober des Vorjahres zur Ernte 2022 in Kerpen-Buir gesäten Versuch sehr hohe Kornerträge und gute Hektolitergewichte. Leandra schnitt dabei mit einem Ertrag von 115,1 dt/ha (2021: 60,0 dt/ha, 2020: 87,2 dt/ha) nicht signifikant besser ab als Prospect mit 114,3 dt/ha (2021: 67,3 dt/ha). Die zusätzlich geprüfte Sorte Lexy erzielte einen Kornertrag von 108,6 dt/ha, wird vom Züchter allerdings bisher nicht für die Herbstaussaat empfohlen.

Anbauhinweise

Aufgrund der deutlich erhöhten Braugerstenprämie gewinnen die Qualitätsanforderungen des Marktes wieder an Bedeutung. Betriebe, die in den vergangenen Jahren eher "auf gut Glück" gedüngt haben, um einen möglichst hohen Ertrag zu erzielen und damit das Risiko eingegangen sind, die Ernte später als Futtergerste vermarkten zu müssen, dürften nun zu einer differenzierteren Strategie zurückkehren. Die möglichst korrekte Bewertung des Ertrags- und Stickstoffnachlieferungspotentials eines Standorts, zusätzliche Nmin-Analysen des Bodens und eine langjährige Anbauerfahrung können dazu beitragen, die Stickstoffdüngung auf das Ziel von 9,5-11,5% Proteingehalt auszurichten. Dabei sollte neben Ab- oder Zuschlägen aufgrund der Vor- und Zwischenfrucht oder der Bodenart auch die unterschiedliche Neigung der Sorten zur Proteinkonzentration beachtet werden. Durch eine flach eingearbeitete Düngung vor der Aussaat lässt sich die Nährstoffaufnahme beschleunigen und das Risiko einer zu späten Stickstofffreisetzung infolge zeitweilig geringer Niederschläge reduzieren. Die Aufteilung der Düngung auf etwa 2/3 zur Aussaat und 1/3 bis Schossbeginn ermöglicht es die zweite Gabe an die tatsächliche Bestandsentwicklung und den Witterungsverlauf anzupassen. Dennoch haben die vergangenen Jahre gezeigt, dass selbst bei optimaler Kulturführung letztlich auch das Wetter darüber entscheidet, ob die tatsächlich erzielten Proteingehalte eher zu gering oder zu hoch liegen. Bei der Ernte gilt: besser zu früh als zu spät ernten, um das Risiko von Lager, Auswuchs und Qualitätsverlusten zu reduzieren.

Autor: Johannes Roeb, Heinz Koch