Landessortenversuche Sommerhafer 2022

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Hafer gilt in Getreidefruchtfolgen als Gesundungsfrucht

Aufgrund einer ausgesprochenen Missernte in Kanada als weltweit größtem Produzenten hatte sich der Weltmarktpreis für Hafer bereits im Herbst 2021 fast verdoppelt. Dennoch hat sich die Anbaufläche in NRW in 2022 gegenüber dem Vorjahr kaum verändert. Sommerhafer wurde in NRW auf etwa 7.000 ha und überwiegend zu Futterzwecken angebaut. Winterhafer stand auf fast 1.000 ha. Mit der letzten Ernte sind die Haferpreise wieder deutlich gefallen. Auch aufgrund der besonderen klimatischen Ansprüche und der begrenzten Möglichkeiten bei der Ackerfuchsschanzbekämpfung ist eine große Zunahme des Anbaus aktuell nicht zu erwarten, obwohl die Kultur ackerbaulich und ökologisch einige Vorteile bietet.

Meist zufriedenstellende Erträge und Qualitäten

Mit einem durchschnittlichen Kornertrag von 57,2 dt/ha fiel die nordrhein-westfälische Haferernte 2022 besser aus erwartet. Ursache dafür dürfte vor allem sein, dass Sommerhafer in NRW bevorzugt in den feucht-kühleren Mittel- und Höhenlagen angebaut wird, die von der diesjährigen Trockenheit insgesamt weniger betroffen waren als die Niederungen. Auf mittleren bis schweren Standorten mit einem höheren Wasserspeichervermögen trugen darüber hinaus die im Winter gefallenen Niederschläge zur Wasserversorgung und Bestandsentwicklung bei. Auch der überwiegend in den rheinischen Niederungslagen angebaute Winterhafer konnte die Winterfeuchte gut nutzen. Spätfröste oder Hitzewellen während der ertragsbildenden Entwicklungsphasen traten, anders als in manchen Vorjahren, blieben weitestgehend aus. Mindererträge ergaben sich überwiegend auf leichteren Standorten mit fehlenden Niederschlägen. Mehltau trat nur in anfälligen Sorten und nur selten in bekämpfungswürdigem Maße auf. Auch beim Wachstumsreglereinsatz galt häufig "weniger ist mehr" um Stress für die Pflanze zu vermeiden. Blattläuse als Vektoren der Haferröte und Getreidehähnchen galt es zu kontrollieren. Die Ernte erfolgte meist ohne Probleme, nur regional führten lagernde Bestände zu mehr Aufwand und Verlusten. Die erzielten Hektolitergewichte waren durchschnittlich höher als in den Vorjahren, entsprachen aber trotzdem oft nicht den strengen Anforderungen des Handels. Landwirte die ihre Ernte bereits zuvor verkauft hatten, konnten von den zu diesem Zeitpunkt noch hohen Weltmarktpreisen profitieren.

Ergebnisse der Landessortenversuche 2022

Als Grundlage für die nachfolgenden Sortenempfehlungen wurden in den Landessortenversuchen 2022 insgesamt 8 Sommerhafersorten geprüft. Die nordrhein-westfälischen Versuche im Anbaugebiet "(Marsch), Löss, Lehm, Mittel- und Höhenlagen" wurden an 3 Standorten durchgeführt: Die Aussaat am rheinischen Versuchsstandort Kerpen-Buir erfolgte am 10. März mit 290 Körnern/m². An den höher gelegenen Standorten Möhnesee-Berlingsen in Südwestfalen und Blomberg-Siebenhöfen in Ostwestfalen wurden die Versuche am 23. März mit 300 Körnern/m² beziehungsweise am 16. März mit 370 Körnern/m² gesät. Damit lag der Aussaattermin in zwei der drei Landessortenversuche um 2 Wochen früher als im Vorjahr 2021. Besonders in Kerpen-Buir dürfte die frühe Aussaat dazu beigetragen haben, dass trotz nachfolgend trockener Witterung mit durchschnittlich 87,7 dt/ha ein im Vergleich zu den Vorjahren (2019: 73,3 dt/ha, 2020: 46,8 dt/ha, 2021: 59,3 dt/ha) hohes Ertragsniveau erreicht wurde. Mit 84,0 dt/ha beziehungsweise 77,4 dt/ha lagen auch die durchschnittlichen Kornerträge in Möhnesee-Berlingsen und Blomberg-Siebenhöfen auf einem zufriedenstellenden Niveau. Die nicht zu hohen Bestandesdichten wurden durch eine überdurchschnittliche Kornzahl/Ähre und hohe Tausendkornmasse ausgeglichen. Dafür entscheidend war neben dem Wassernachlieferungsvermögen des Bodens die Menge der im Zeitraum von April bis Juni gefallenen Niederschläge. Die durchschnittlichen Erträge in den zusätzlich zur Auswertung genutzten Versuchen in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hessen lagen zwischen 60,4 dt/ha und 113,6 dt/ha. Besonders in den Marschgebieten profitierte der Hafer von der gleichmäßigeren Wasserversorgung und geringeren Temperaturschwankungen. Aufgrund der sehr geringen Anbaubedeutung auf leichten Böden werden in NRW aktuell keine Landessortenversuche mit Sommerhafer im Anbaugebiet "Sand" durchgeführt. Die dargestellten Ergebnisse stammen daher ausschließlich aus Versuchen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Aufgrund ähnlicher bodenklimatischer Bedingungen können die Ergebnisse trotzdem als repräsentativ für das relative Ertragspotential der verschiedenen Sorten auf leichten Standorten betrachtet werden. Abgesehen von einigen unspezifischen Blattflecken traten in den meisten Versuchen kaum Krankheiten auf. Daher führte der weitgehende Verzicht auf Pflanzenschutzmittel in der extensiven Behandlungsstufe nur selten zu Ertragsverlusten von über 5%. Lager trat in den nordrhein-westfälischen Versuchen nur in Kerpen-Buir auf. Das in den Versuchen 2022 ermittelte durchschnittliche Hektolitergewicht der Sorten lag weit über dem mehrjährigen Durchschnitt, war aber meist trotzdem zu gering, um den hohen Anforderungen der Schälmühlen zu entsprechen. Dabei zeigten sich wie in den Vorjahren deutliche Sortenunterschiede.

Sortenempfehlungen

Abhängig davon, ob der angebaute Hafer im eigenen oder einem kooperierenden Betrieb genutzt oder als Futter- beziehungsweise Schälhafer vermarktet werden soll, wird die Sortenwahl nicht nur vom Ertragspotential und den Anbaueigenschaften, sondern auch vom zu erzielenden Hektolitergewicht bestimmt. Darüber hinaus sind bei einem geplanten Anbau von Schälhafer auch weitere Qualitätskriterien (z.B. Sortierung, Spelzenanteil) relevant, sodass die Sortenwahl und die entsprechenden Grenzwerte und Abschläge bereits vor der Aussaat mit den beteiligten Marktpartnern abgestimmt werden sollten. Bei einer geplanten Selbstverwertung oder geeigneten Direktvermarktung hingegen sollten beim Anbau vor allem auch die Korn- und Strohreife sowie die Standfestigkeit einer Sorte betrachtet werden. Dabei gilt allerdings grundsätzlich, dass Sorten mit einer eher frühzeitigen Abreife des Strohs eine höhere Lagerneigung und ein größeres Risiko für Halmknicken aufweisen.

Max ist besonders im Hinblick auf die Vermarktung nach wie vor der Goldstandard unter den Sorten. Aufgrund des im Vergleich zu den meisten anderen Hafersorten zuverlässig höheren Hektolitergewichts wird Max daher weiterhin für alle Betriebe empfohlen, die ihre Ernte unter entsprechenden Qualitätskontrollen vermarkten. Als älteste der aktuell geprüften Sorten liegt Max ertraglich etwa 4-8% unterhalb der besten neuen Sorten. Die relativ frühe und gleichmäßige Abreife von Korn und Stroh ist besonders auf trocken- und hitzestressgefährdeten Standorten eher positiv zu bewerten, korreliert aber mit einer geringen Standfestigkeit, die einen entsprechenden Wachstumsreglereinsatz empfiehlt.

Delfin wird aufgrund der eher mäßigen Schäleigenschaften vorwiegend als Futterhafer und besonders für den Anbau auf mittleren bis schwereren Standorten empfohlen. Als besondere Vorteile sind die hohe Standfestigkeit und die Mehltauresistenz hervorzuheben, die es erlauben die Sorte auch mit deutlich reduziertem Pflanzenschutzmitteleinsatz bis zur Ernte zu führen. Die deutliche Reifeverzögerung des Strohs und das nur durchschnittliche Hektolitergewicht sind zu beachten.

Lion erzielte mehrjährig geringfügig bessere Kornerträge als Max und ist diesem auch im Hinblick auf das zu erzielende Hektolitergewicht annähernd ebenbürtig. Aufgrund der meist besseren Sortierung und Schälbarkeit wird Lion besonders von Schälmühlen nachgefragt. Die Sorte reift deutlich später ab, ist dafür aber standfester als Max.

Fritz wird aufgrund der früheren Abreife vor allem für den Anbau auf leichten Standorten empfohlen. Auf diesen erzielte die Sorte 2-jährig deutlich bessere Kornerträge als Max. Das Hektolitergewicht und die Sortierung sind gut, die sonstigen Schäleigenschaften aber nur durchschnittlich, sodass der Anbau als Schälhafer nur nach vorheriger Absprache mit den entsprechenden Marktpartnern erfolgen sollte. Als besonderer Nachteil der Sorte ist die vergleichsweise sehr geringe Standfestigkeit hervorzuheben.

Magellan erzielte in beiden bisherigen Prüfjahren und in fast allen Versuchen teils deutlich überdurchschnittliche Kornerträge und wird besonders als Futterhafer für die Selbstnutzung empfohlen. Die Sorte zählt innerhalb des Sortiments zu den eher spätreifen Sorten. Die Standfestigkeit ist durchschnittlich.

Scotty präsentiert sich im ersten Prüfjahr als würdiger Nachfolger für den bis 2022 empfohlenen Weißhafer Symphony. Abgesehen von der überdurchschnittlichen Ertragsleistung sind vor allem die relativ gute Standfestigkeit und die Mehltauresistenz positiv zu bewerten. Scotty zählt wie Magellan zu den späteren Sorten. Das vergleichsweise geringe Hektolitergewicht kann die Vermarktung erschweren.

Platin erzielte im ersten Prüfjahr überdurchschnittliche Kornerträge und präsentiert sich ansonsten ohne besondere Schwächen. Anders als die meisten geprüften Sorten ist Platin trotz früher Abreife von Korn und Stroh relativ standfest. Das Hektolitergewicht ist nach bisherigen Ergebnissen durchschnittlich, die sonstigen Schäleigenschaften sind allerdings relativ gut. Die Sorte wird für den Probeanbau empfohlen.

Aufgrund der geringen Anbaubedeutung führt die Landwirtschaftskammer NRW aktuell keine Sortenversuche mit Winterhafer durch. Eingeschränkt empfohlen werden kann daher nur die bereits langjährig etablierte Sorte Fleuron. Diese ist frühreif, standfest und erzielt nach Angaben des Züchters ein relativ hohes Hektolitergewicht. Als mögliche Alternative mit ähnlichem Ertragspotential und Sorteneigenschaften kommt die Sorte Eagle auf den Markt. Erkenntnisse zu Unterschieden in der Winterhärte liegen bisher nicht vor. Das Auswinterungsrisiko ist nicht zu unterschätzen.

Wie den Anbau optimieren?

Hafer gilt allgemein als Gesundungsfrucht und kann besonders in engen Getreidefruchtfolgen dazu beitragen, den Befallsdruck mit Wurzel- und Halmbasiskrankheiten zu reduzieren. Aufgrund des leistungsfähigen Wurzelsystems und der geringen Anfälligkeit gegenüber Blattkrankheiten ist der Anbau auch auf schwächeren Standorten und mit reduziertem Dünger- und Pflanzenschutzmitteleinsatz möglich. Sommerhafer wird aufgrund der besonderen klimatischen Ansprüche in NRW überwiegend in den Mittel- und Höhenlagen angebaut. Standorte mit einem zuverlässig kühlen, feuchten und gleichmäßigen Witterungsverlauf und einem hohen Wasserspeichervermögen des Bodens sind bevorzugt geeignet. Auf leichteren Standorten kann bei ausbleibenden Niederschlägen die Wasserversorgung gefährdet sein. Auch auf Hitzestress reagiert Hafer verglichen mit anderem Getreide empfindlich. Damit sich das hohe Ertragspotential der Kultur optimal nutzen lässt, sollte die Aussaat möglichst früh erfolgen, sobald die Boden- und Witterungsbedingungen es zulassen. Durch eine frühe Aussaat lässt sich sowohl die Ausnutzung der Winterfeuchte verbessern als auch das Risiko von Ertragsverlusten durch Hitzewellen reduzieren. Auf bodenklimatisch geeigneten Standorten kompensiert Hafer eine verspätete Aussaat aber besser als andere Getreide, da geringe Bestandesdichten gut durch eine höhere Kornzahl/Rispe ausgeglichen werden können. Die empfohlene Saatdichte bei einer frühen Aussaat ab Anfang März liegt bei etwa 260-300 Körnern/m². Bei späteren Saatterminen bis Ende März oder bei ungünstigen Aussaatbedingungen sollte die Saatdichte um bis zu 20% erhöht werden. Aufgrund des relativ hohen Keimwasserbedarfs hat sich eine Saattiefe von 3-4 cm bewährt. Winterhafer wird etwas tiefer und meist etwa zeitgleich mit der Wintergerste mit Saatdichten von 260-360 Körnern/m² gesät. Besonders auf schwächeren Standorten reagiert Hafer positiv auf eine Grunddüngung mit 100 kg/ha K2O vor der Aussaat. Mangan und Bor sind wichtige Spurenelemente. Die Stickstoffdüngung wird meist auf 2/3 zur Saat und 1/3 während der Schossphase aufgeteilt. Hafer besitzt ein gutes Nährstoffaneignungsvermögen. Sehr hohe Stickstoffgaben oder eine nicht einberechnete N-Nachlieferung des Bodens können die Strohreife verzögern und die Kornfüllung beeinträchtigen. Auch wenn der Anbau von Sommerungen grundsätzlich dazu beitragen kann, Ungrasprobleme in der Fruchtfolge zu reduzieren ist zu beachten, dass aktuell keine wirksamen Herbizide gegen Ackerfuchsschwanz in Hafer zugelassen sind. Obwohl ein gut entwickelter Haferbestand später aufkeimendes Unkraut sehr gut zu unterdrücken kann, sollte der Anbau auf Standorten mit Ackerfuchsschwanzproblemen unterbleiben. Mehltau und Haferkronenrost als einzige bedeutende Blattkrankheiten hingegen lassen sich mit geringem Aufwand kontrollieren. Beim Wachstumsreglereinsatz gilt es nach dem Grundsatz "so viel wie nötig, so wenig wie möglich" die bestands- und witterungsabhängig optimale Strategie zu finden. Überzogene Maßnahmen in der Schossphase können zu empfindlichen Ertrags- und Qualitätsverlusten führen. Andererseits lässt sich durch einen angepassten Wachstumsreglereinsatz das Lagerrisiko eines Bestandes stark reduzieren. Da sich die einzelnen Sorten in der Lagerneigung teils deutlich unterscheiden, lässt sich dieser mögliche Konflikt durch eine entsprechende Sortenwahl zumindest teilweise vermeiden. Als die im Haferanbau wichtigsten Schädlinge sind Blattläuse als Vektoren der Haferröte und Getreidehähnchen zu nennen. Winterhafer sollte bereits im Herbst regelmäßig auf Blattläuse kontrolliert und eine Virusübertragung durch gezielten Insektizideinsatz verhindert werden.

Hafer bleibt hinter seinem Potential

Der in Sortenversuchen ermittelte Ertragsfortschritt bei Sommerhafer liegt in etwa auf dem Niveau der anderen Getreidekulturen. So lassen sich mit modernen Sorten und unter optimalen Anbaubedingungen bereits heute Kornerträge von über 100 dt/ha realisieren. Leider lässt sich diese positive Entwicklung nicht immer auf die Praxis übertragen. Dies liegt zum einen an der teils historischen Verdrängung des Haferanbaus auf weniger leistungsfähige Standorte und der oft extensiven Kulturführung, zum anderen aber auch an den fortschreitenden klimatischen Veränderungen, die sich in besonders in Nordrhein-Westfalen negativ auf den Ertrag und die erreichten Qualitäten auswirken. Auf geeigneten Standorten lassen sich durch eine gezielte Sortenwahl und Kulturführung trotzdem hohe bis sehr hohe Erträge erzielen. Berücksichtigt man die deutlich gestiegenen Kosten für Produktionsmittel sowie die gute Vorfruchtwirkung kann der Haferanbau bei entsprechender Vermarktung wirtschaftlich attraktiv sein.

Autor: Johannes Roeb, Heinz Koch