Landessortenversuche Sommerweizen 2022

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Sommerweizen im Sortenversuch

Die Anbaufläche von Sommerweizen in NRW schwankt in den meisten Jahren zwischen etwa 2.500 und 4.000 ha. Deutlich größere Anbauflächen ergeben sich oft dann, wenn ungünstige Witterungs- oder Bodenbedingungen eine späte Aussaat von Winterweizen nach Körnermais oder Zuckerrüben nicht zulassen oder wenn Getreidebestände auswintern. Obwohl keine dieser Situationen eingetroffen war, wurde im Frühling 2022 deutlich mehr Sommerweizen (4.200 ha) gesät als im Vorjahr (2.600 ha). Grund dafür dürfte an erster Stelle der ab Beginn des Ukraine-Konflikts stark gestiegene Weizenpreis und die kurzfristige Reaktion einiger Landwirte auf dieses Marktpotential gewesen sein.

Gute Preise, gute Erträge?

Mit durchschnittlich 60,1 dt/ha lagen die Sommerweizenerträge in NRW zur Ernte 2022 zwar höher als in den Vorjahren (2016-2021: 55,0 dt/ha) und insbesondere als in 2021 (49,3 dt/ha), betrachtet man allerdings einen längeren Zeitraum (2005-2021: 61,7 dt/ha) wird deutlich, dass auch die diesjährige Ernte hinter dem Ertragspotential der Kultur zurückblieb. Die trocken-kalte Witterung im Frühling führte dazu, dass sich trotz guter Aussaatbedingungen oft eher dünne Bestände entwickelten. Inwiefern eine geringere Bestandesdichte durch eine höhere Kornzahl/Ähre und Tausendkornmasse ausgeglichen werden konnten, hing maßgeblich vom weiteren Witterungsverlauf und dem Wassernachlieferungsvermögen des Bodens ab. Insgesamt zeigte sich 2022 erneut, dass der fortschreitende Klimawandel und die stabileren (oft trockenen) Wetterlagen während der Hauptvegetationszeit die Ertragsbildung vieler Sommerkulturen nachteilig beeinflussen. Positiv wirkte sich der ausbleibende Niederschlag hingegen auf den Krankheitsdruck aus: Mehr als eine (oft reduzierte) Fungizid- und Wachstumsreglermaßnahme waren nicht erforderlich, um die Bestände bis zur Ernte gesund und standfest zu halten. Mehltau oder Gelbrost traten nur in anfälligeren Sorten auf. Die Ernte erfolgte vergleichsweise früh und meist ohne Probleme. Die ermittelten Proteingehalte lagen wie beim Winterweizen deutlich unter den mehrjährigen Durchschnittswerten.

Ergebnisse der Landessortenversuche 2022

Auch in den beiden nordrhein-westfälischen Landessortenversuchen 2022 lagen die Erträge über denen des Vorjahres. Am rheinischen Versuchsstandort Kerpen-Buir erfolgte die Aussaat am 10. März mit 300 Körnern/m² und es wurde ein durchschnittliches Ertragsniveau von 86,1 dt/ha (extensiv, ohne Fungizide und mit reduziertem Wachstumsreglereinsatz: 84,9 dt/ha) erzielt. Die Proteingehalte lagen zwischen 13,3 und 14,4%. Am ostwestfälischen Versuchsstandort Blomberg-Holstenhöfen erfolgte die Aussaat am 16. März mit 400 Körnern/m². Der durchschnittliche Kornertrag lag bei 73,1 dt/ha (extensiv: 70,4 dt/ha) und die Proteingehalte zwischen 11,6 und 12,4%. Aufgrund des Witterungsverlaufs entwickelten sich in beiden Versuchen eher dünne Bestände. Die meisten Sorten konnten dies allerdings durch eine höhere Kornzahl/Ähre und Tausendkornmasse kompensieren. Der Krankheitsdruck war in beiden Versuchen sehr gering. Darauf weisen auch die im Vergleich zur intensiv behandelten Stufe geringen Ertragsverluste bei weitgehendem Verzicht auf Fungizide und Wachstumsregler hin. Geprüft wurden insgesamt 10 Sommerweizensorten, darunter 4 Neuzulassungen. Die Ergebnisse aus den nordrhein-westfälischen Landessortenversuchen werden für die Auswertung nach Anbaugebieten um Ergebnisse aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hessen ergänzt. Darüber hinaus werden in der mehrjährigen Auswertung nach Hohenheim-Gülzower Methode auch die vorhergehenden Wertprüfungen berücksichtigt. Aufgrund dieser Methodik lässt sich vor allem das Ertragspotential der neu in die Landessortenversuche aufgenommenen Sorten deutlich zuverlässiger bewerten.

Sortenempfehlungen

Besonders bei Kulturen mit geringer Anbaufläche werden bei der Sortenwahl oft langjährig etablierte Sorten bevorzugt. Die aktuellen Saatgutvermehrungsflächen bei Sommerweizen weisen darauf hin, dass ältere Sorten wie Quintus (A), Servus (A) und Licamero (A) auch zur Aussaat 2023 den Markt dominieren werden. Sorten wie KWS Starlight (A) und WPB Troy (B) konnten sich trotz etwas höherer Kornerträge und teils besserer Sorteneigenschaften nicht etablieren. Unter den diesjährig erstmals geprüften Sommerweizensorten befinden sich allerdings mehrere Kandidaten mit großem Potential. Daher werden für die Sortenwahl zur Aussaat im Frühling 2023 keine Hauptempfehlungen für eine bestimmte Sorte gegeben. Drei der neu zugelassenen Sorten hingegen erhalten bereits nach nur 1-jähriger Prüfung in den Landessortenversuchen eine generelle oder bedingte Anbauempfehlung.

Licamero (A) erzielte in den vergangenen Jahren meist überdurchschnittliche Erträge, konnte in den Landessortenversuchen 2022 aber nur noch bedingt überzeugen. Die Sorte ist im Vergleich zu den neu zugelassenen Sorten weniger standfest und blattgesund und auch nicht besonders fallzahlstabil. Positiv hervorzuheben sind die relativ geringe Anfälligkeit gegenüber Ährenfusarium sowie die langjährig geprüfte Wechselweizeneignung.

KWS Starlight (A) konnte in den Versuchen 2022 nicht an die überwiegend hohen Ertragsleistungen der Vorjahre anschließen, bleibt durchschnittlich aber die ertragsstärkste der mehrjährig geprüften Sorten. KWS Starlight ist, wie die neu zugelassenen Sorten KWS Carusum und KWS Jordum, relativ langstrohig und verglichen mit dem restlichen Sortiment später im Ährenschieben und in der Kornreife. Die Standfestigkeit und Blattgesundheit sind durchschnittlich. Aufgrund des eher geringeren Proteingehalts und der nur durchschnittlichen Fallzahlstabilität ist eine Qualitätsweizenvermarktung nicht immer gewährleistet.

WPB Troy (B) ist eine insgesamt durchschnittliche Sorte ohne besondere Stärken oder Schwächen. Kornertrag und Proteingehalt lagen mehrjährig etwa im Sortimentsdurchschnitt. WPB Troy ist relativ standfest und weniger anfällig für Mehltau und Braunrost als die vorgenannten Sorten. Die Fallzahlstabilität ist gut. WPB Troy ist nach Angaben des Züchters auch als Wechselweizen geeignet. Die Saatgutverfügbarkeit ist stark begrenzt.

KWS Carusum (E) verbindet durchschnittliche Kornerträge mit insgesamt sehr guten Anbau- und Qualitätseigenschaften. Besonders hervorzuheben sind die geringe Anfälligkeit gegenüber Mehltau, Gelb- und Braunrost. Die Standfestigkeit ist durchschnittlich. Der hohe Proteingehalt und die überdurchschnittliche Fallzahlstabilität sichern eine zuverlässige Vermarktung. Ausgehend von den diesjährigen Ergebnissen der Landessortenversuche sowie der vorhergehenden Wertprüfungen ist KWS Carusum nicht nur anderen E-Sorten überlegen, sondern auch den meisten älteren A-Sorten.

KWS Jordum (B) erzielte sowohl im ersten Prüfjahr in den Landessortenversuchen als auch in den vorhergehenden Wertprüfungen deutlich überdurchschnittliche Erträge. Gleichzeitig ist die Sorte relativ standfest und überdurchschnittlich resistent gegenüber Gelbrost, Blattseptoria, Braunrost und Ährenfusarium. Die Fallzahlstabilität ist gut, der Proteingehalt lag im ersten Prüfjahr allerdings geringer als aufgrund der hohen Einstufung in der Beschreibenden Sortenliste erwartet. KWS Jordum ist nach Angaben des Züchters auch für die Aussaat als Wechselweizen geeignet und hat das Potential für eine zukünftige Hauptempfehlung.

Patricia (B) erzielte in den Landessortenversuchen NRW 2022 einen geringfügig höheren Kornertrag als KWS Jordum, lag in den meisten anderen Versuchen aber eher auf dem gleichen Ertragsniveau. Der diesjährig ermittelte Proteingehalt war höher als erwartet. Patricia ist begrannt, langstrohig und relativ standfest. Die ansonsten überdurchschnittlich blatt- und ährengesunde Sorte ist anfällig gegen Gelbrost, dafür aber resistent gegen Mehltau. Die potentielle Aussaatfläche wird durch das geringe Saatgutangebot begrenzt.

Als weitere Neuzulassung wurde in den Landessortenversuchen 2022 die Sorte Winx (A) geprüft. Die Sorte erzielte deutlich überdurchschnittliche Erträge und unerwartet hohe Proteingehalte, wird in der Beschreibenden Sortenliste aber als relativ lageranfällig und empfindlich gegenüber Blattkrankheiten beschrieben. Die bevorzugt für eine intensivere Kulturführung geeignete Sorte wird daher zunächst ein weiteres Jahr geprüft.

Wieder mehr Sommerweizen anbauen?

Sommerweizen wird im konventionellen Landbau auch weiter eine Nischenkultur bleiben. Die im Vergleich zum Anbau von Winterweizen geringeren Erträge, klimawandelbedingt zunehmende Probleme durch schlecht befahrbare Böden zur Aussaat und häufigere Frühlings- und Sommertrockenheit sowie die in der GAP 2023 beschlossenen Regeln zur Mindestbodenbedeckung tragen dazu bei. Betriebe mit hohem Weizenanteil werden auch zukünftig eher Stoppelweizen als Sommerweizen anbauen. Als Bestandteil vielfältiger Fruchtfolgen mit Zwischenfrüchten, als gezielte Maßnahme zum Ackerfuchsschwanzmanagement oder als Wechselweizen zur Aussaat nach späträumenden Kulturen kann der Anbau von Sommerweizen aber nach wie vor eine ackerbaulich wertvolle Option darstellen.

Je früher, desto besser

Mit zunehmender Klimaerwärmung verschiebt sich der optimale Aussaattermin von Sommerweizen immer weiter nach vorne. Bei geeigneten Witterungs- und Bodenbedingungen kann die Aussaat bereits ab Februar und spätestens im März erfolgen. Sorten mit Wechselweizeneignung können grundsätzlich auch in den Wintermonaten gesät werden. Bei einer Winter- oder späten Frühlingssaat sollte die Saatdichte von 320-360 Körnern/m² auf bis zu 450 Körner/m² erhöht werden. Eine möglichst frühe Aussaat begünstigt die Bestockung und verringert das Risiko von Ertragsverlusten durch Frühlings- oder Sommertrockenheit und Hitzestress während der ertragsbestimmenden Entwicklungsphasen. Darüber hinaus tragen früh gesäte Bestände dazu bei den erst bei höheren Temperaturen keimenden Ackerfuchsschwanz zu unterdrücken. Dennoch sollte die Aussaat erst erfolgen, wenn der Boden ausreichend befahrbar ist und ein gut abgetrocknetes und rückverfestigtes Saatbett bereitet werden kann. Die optimale Saattiefe liegt bei 2-4 cm und orientiert sich am Bodenzustand. Bei der Stickstoffdüngung hat sich eine Aufteilung auf 2/3 zur Aussaat und 1/3 zum Ährenschieben bewährt. Die Unkrautbekämpfung konzentriert sich meist auf Gänsefuß- und Knötericharten, Klettenlabkraut, Stiefmütterchen und Kamille. Diese lassen sich mit blattaktiven Herbiziden gut erfassen. Der Einsatz von Wachstumsreglern und Fungiziden sollte sich am Witterungsverlauf und Befallsdruck orientieren. Durch den Anbau von standfesten, blatt- und ährengesunden Sommerweizensorten lässt sich der Aufwand an Pflanzenschutzmitteln deutlich reduzieren.

Autor: Johannes Roeb, Heinz Koch