Landessortenversuche Winterweizen 2022

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Besonders frühe Sorten erzielten 2022 überdurchschnittliche Erträge

Winterweizen wurde in Nordrhein-Westfalen zur Ernte 2022 auf etwa 230.000 ha angebaut. Dieser im Vergleich zu den Vorjahren leichte Anstieg der Anbaufläche war sicherlich auch auf die im Herbst 2021 positive Marktpreisentwicklung zurückzuführen. Wenn zum Zeitpunkt der Aussaat bereits zu erahnen gewesen wäre, dass der Weizenpreis im Verlauf der Saison auf über 400 €/t steigen würde, wäre dieser Anstieg sicherlich noch deutlich stärker ausgefallen und hätte auch den Anteil der Spätsaat- und Stoppelweizenflächen erhöht. Mit der bald anstehenden Aussaat stehen wieder alle Möglichkeiten offen.

Mehr Wasser = mehr Ertrag

Die bisherigen Meldungen aus der Praxis lassen erwarten, dass bei der diesjährigen Winterweizenernte in Nordrhein-Westfalen überwiegend sehr zufriedenstellende Erträge erzielt wurden. Dies gilt besonders für die mittleren und besseren Böden, in denen die im Vorjahr und Winter gefallenen Niederschläge auch über längere Zeiträume gespeichert werden können. Auf sehr leichten Böden und dort, wo die erhofften Niederschläge über Monate ausblieben, wurden zwar überwiegend durchschnittliche Erträge erzielt, die aber nicht deutlich über dem Niveau von 2021 lagen. Anders als im Vorjahr, in dem die Witterung als großer "Gleichmacher" zwischen den Standorten wirkte, differenzierten sich die Erträge in 2022 entsprechend der Wasserversorgung der Bestände.

Meist optimale Aussaatbedingungen und ein milder und sonniger Winter begünstigten den Feldaufgang und die nachfolgende Bestandesentwicklung. Durch die ausgiebigen Niederschläge im Februar und den nachfolgend warmen und niederschlagsarmen März wurden hohe Stickstoffmengen mineralisiert und die ersten organischen Düngemaßnahmen ließen sich gut planen. Auf leichteren Böden litten schwach entwickelte Bestände ab der zweiten Märzhälfte unter kalten Temperaturen und beginnendem Trockenstress. Die wechselhafte Witterung in der ersten Aprilhälfte setzten einigen Beständen in den Mittel- und Höhenlagen zu, brachten oft aber auch die dringend benötigten Niederschläge. Ab der zweiten Aprilhälfte setze bei steigenden Temperaturen und viel Sonnenschein eine beschleunigte Entwicklung ein. Aufgrund der überwiegend trockenen Bedingungen blieb der Krankheitsdruck weiter gering. Fungizidmaßnahmen waren meist nur in gelbrostanfälligen Sorten und nur bei sichtbarem Befall erforderlich. Aufgrund von Rassenverschiebungen innerhalb der Gelbrostpopulationen waren davon allerdings auch einige Sorten betroffen, die im Vorjahr noch als relativ gesund (Complice, KWS Donovan) oder nicht sehr anfällig (Akasha, Asory, Campesino) eingestuft wurden. Wachstumsreglermaßnahmen in diesem Zeitraum erforderten ein gewisses Fingerspitzengefühl. Ab spätestens Mai entwickelten sich die Bestände zunehmend entsprechend der lokalen Wasserversorgung: Auf mittleren und schweren Böden und dort, wo einzelne Schauern den Bodenwasservorrat zumindest teilweise wieder aufgefüllt hatten, konnte sich der Winterweizen weiter gut entwickeln. Auf den leichten Böden im nordöstlichen Münsterland, aber auch am Niederrhein und in den westfälischen Mittel- und Höhenlagen ließen sich hingegen die Auswirkungen von anhaltendem Wassermangel beobachten. Dieser äußerte sich erst in aufgerollten oder abgeworfenen Blättern und bei weiter ausbleibenden Niederschlägen in einer frühzeitigen Abreife, geringen Tausendkornmassen und sortenabhängig nur durchschnittlichen Kornerträgen. Meist galt spätestens ab Beginn der Kornfüllungsphase: Je mehr Wasser, desto mehr Ertrag.

Die Ernte erfolgte überwiegend früh, trocken und ohne Probleme. Die ersten Rückmeldungen nennen auf den besseren Standorten sehr gute Erträge von über 100 dt/ha. Auch auf mittleren und guten Böden wurden oft über 90 dt/ha gedroschen. Auf leichten Standorten lagen die Erträge mit 60-70 dt/ha eher auf durchschnittlichem aber meist immer noch zufriedenstellendem Niveau. Abweichungen von diesen bisher nur grob geschätzten Werten standen meist im Zusammenhang zur Wasserversorgung während der kritischen Phasen der Ertragsbildung und somit zu den lokal unterschiedlichen Niederschlägen.

Deutlich unterdurchschnittlich waren allerdings die Proteingehalte: Diese lagen besonders bei ertragsstärkeren B-Sorten (z.B. Campesino, Chevignon) weit unter den Qualitätsanforderungen des Handels und selbst bei vielen A-Sorten wurden die für B-Weizen geforderten Proteingehalte von 12,0% nicht erreicht. Mit entsprechenden Abschlägen ließen sich zwar einige proteinschwächere Partien noch als Backweizen vermarkten, der überwiegende Anteil der Ernte wird aktuell aber als Futterweizen bewertet. Als mögliche Ursachen für die sehr geringen Proteingehalte werden neben der bei hohen Kornerträgen üblichen Proteinverdünnung unter anderem eine infolge von reduziertem Wurzelwachstum (Schwarzbeinigkeit, hohes Wasserangebot im März) und späterer Trockenheit verringerte Stickstoffaufnahme sowie eine insgesamt stärker auf Ertrag statt auf Qualität ausgerichtete Düngung diskutiert.

Ergebnisse der Landessortenversuche 2022

Die überwiegend sehr gute Winterweizenernte findet sich auch in den Ergebnissen der Landessortenversuche 2022 wieder: Mit durchschnittlichen Erträgen von bis zu 112,3 dt/ha in den Versuchen in der Köln-Aachener Bucht (Löss), 95,0 bis 116,8 dt/ha auf den lehmigen Böden am Niederrhein und in Süd- und Ostwestfalen und 89,5 bis 102,4 dt/ha in den Mittel- und Höhenlagen wurden die Ergebnisse aus dem Vorjahr an fast allen Standorten übertroffen. Deutlich geringere Erträge wurden im Landessortenversuch in Greven (Sand) ermittelt: Aufgrund der geringen Feldkapazität und anhaltend ausbleibender Niederschläge wurde hier nur ein Ertragsniveau von 55,8 dt/ha erreicht. Wie stark sich die Dürre auf den Ertrag in den Versuchen ausgewirkt hat lässt sich anhand der ermittelten Tausendkornmassen erahnen: Diese lag in Greven mit durchschnittlich 34,0 g deutlich unter der Spanne von 45,1 bis 50,7 g in den übrigen Versuchen. Der Versuch in Greven war trotz etwas höherer Streuung auswertbar und die Ergebnisse decken sich überwiegend mit denen aus den niedersächsischen Versuchen auf leichten Böden. Der sehr geringe Krankheitsdruck bewirkte, dass in den nordrhein-westfälischen Versuchen selbst der vollständige Verzicht auf Fungizide nur zu durchschnittlichen Ertragsverlusten von 5-10% führte. Deutlich höhere Werte wurden nur in zwei Sorten (Benchmark und Elixer) ermittelt. Die ein- und mehrjährigen Auswertungen für die einzelnen Anbaugebiete beziehen zu den 8 Landessortenversuchen in Nordrhein-Westfalen bis zu 9 Versuche aus Niedersachsen und Hessen ein. Diese tragen auch zu einer vorläufigen Bewertung der von den einzelnen Sorten erreichten Proteingehalte bei.

Sortenempfehlungen für die Aussaat im Herbst 2022

Die nachstehenden Sortenempfehlungen basieren auf den Erkenntnissen aus nach wissenschaftlichen Kriterien durchgeführten Sortenversuchen, ergänzt um weitere Untersuchungen sowie Erfahrungen aus der Beratung und landwirtschaftlichen Praxis. Die empfohlenen Sorten entsprechen verschiedenen Ansprüchen, die letztlich für jeden Betrieb und jeden einzelnen Schlag unterschiedlich sein können. Die "eine Sorte" für alle Bedingungen gibt es nicht und seit die Einteilung in A-, B- und C-Sorten nicht mehr durch den Proteingehalt beeinflusst wird, muss auch die Vermarktbarkeit individuell bewertet werden.

KWS Emerick (E) ist bundesweit einer der wichtigsten Eliteweizen, wird in Nordrhein-Westfalen aber wahrscheinlich auch zukünftig nur eine geringe Anbaubedeutung erlangen. Die ein- und mehrjährigen Kornerträge liegen etwa 5% unter dem Sortimentsdurchschnitt, nur auf Sand erzielte die Sorte deutlich bessere Ergebnisse. Betriebe, die einen Eliteweizen entsprechend vermarkten können, finden in KWS Emerick eine saatzeitflexible, standfeste und früh blattgesunde Sorte mit sehr hohem Proteingehalt.

RGT Reform (A) erfreut sich aufgrund der flexiblen Aussaat, guten Winterhärte und Standfestigkeit und der stabilen Erträge und Qualitäten immer noch großer Anbaubeliebtheit. 2022 erzielte die Sorte in den Versuchen auf Löss und Lehm durchschnittliche Erträge. Mehrjährig liegen die Ertragsleistungen aber nicht auf dem Niveau von neueren A- und insbesondere B-Sorten. Die höhere Anfälligkeit gegenüber Gelbrost und Blattseptoria sind bei der Kulturführung zu beachten.

Asory (A) zeigte sich zur Ernte 2022 ähnlich ertragsstabil wie RGT Reform und erzielte besonders mehrjährig durchschnittlich höhere Kornerträge. Die Sorte ist saatzeitflexibel und kann auch als Stoppelweizen überzeugen. Die relativ hohe Anfälligkeit gegenüber Gelbrost und die etwas geringere Standfestigkeit erfordern einen angepassten Pflanzenschutzeinsatz. Asory ist kaum anfällig für Braunrost.

LG Initial (A) kommt für Betriebe infrage, die eine sehr standfeste und früh blattgesunde A-Sorte suchen und dafür bereit sind etwas geringere Kornerträge hinzunehmen. Auf leichten Böden wird die Sorte nicht empfohlen. Die höhere Anfälligkeit gegenüber Braunrost ist zu beachten.

Lemmy (A) erreichte mehrjährig ähnliche Ertragsleistungen wie RGT Reform, überzeugt aber vor allem durch einen relativ hohen Rohproteingehalt. Lemmy ist für Betriebe interessant, die zuverlässig gute Qualitäten erzielen und sich dabei auf eine mehrjährig geprüfte, relativ frühreife und standfeste Sorte verlassen möchten.

Akzent (A) erzielte in den Versuchen zur Ernte 2022 sehr hohe Erträge auf sandigen Böden und auch ansonsten ein leicht überdurchschnittliches Ertragsniveau. Die relativ langstrohige Sorte ist früh blattgesund, kaum anfällig für Ährenfusarium und nach bisherigen Erfahrungen etwas standfester als in der Beschreibenden Sortenliste angegeben. Schwächen sind die etwas geringere Winterhärte, der leicht unterdurchschnittliche Proteingehalt und die im Vergleich zu anderen Sorten geringere Ertragsstabilität, die sich auch in den niedrigeen Vorjahreserträgen zeigt. Die aktuelle Saatgutverfügbarkeit ist begrenzt.

Hyvega (A) zählte in den Vorjahren zu den ertragsstärksten Sorten und erreichte auch in den Versuchen zur Ernte 2022 überdurchschnittliche Erträge bei allerdings etwas geringeren Proteingehalten. Mehrjährig kann die relativ blattgesunde Hybridsorte vor allem auf leichten Böden, grundsätzlich aber in allen Anbaugebieten überzeugen. Die etwas höhere Lagerneigung und nur mittlere Fallzahl(-stabilität) erfordern eine rechtzeitige Ernte. Hyvega hat sich auch als Stoppelweizen sehr bewährt.

LG Charakter (A) erzielte mehrjährig durchschnittliche Erträge in allen Anbaugebieten, ist relativ saatzeitflexibel und auch als Stoppelweizen geeignet. Aufgrund er etwas späteren Reife und der bedingten Winterhärte wird die Sorte eher für die Niederungslagen empfohlen. LG Charakter ist relativ ertragsstabil, reagiert allerdings etwas anfälliger auf Gelbrost und erreicht nur durchschnittliche Fallzahlen.

KWS Donovan (A) wird vom Bundessortenamt neu als A-Weizen bewertet und erzielte als solcher auch zur Ernte 2022 gute Erträge, die aber nicht ganz auf dem sehr hohen Niveau der Vorjahre liegen. Die Sorte ist saatzeitflexibel, relativ ertragsstabil und standfest und auch als Stoppelweizen geeignet. KWS Donovan scheint von der aktuellen Rassenverschiebung bei Gelbrost besonders betroffen. Allerdings konnte sich in den Versuchen auch ein frühzeitiger Befall nur selten im Bestand ausbreiten. Ob hier eine effektive "Altersresistenz" vorliegt bleibt zu beobachten. Bei der Standortwahl und Kulturführung sind die etwas geringere Winterhärte und die höhere Anfälligkeit gegenüber Braunrost zu beachten. KWS Donovan überzeugte bereits in den Vorjahren mit relativ hohen Proteingehalten und zählt auch zur Ernte 2022, möglicherweise unterstützt durch die etwas geringeren Erträge, zu den proteinreichsten Sorten.

KWS Imperium (A) erzielte zur Ernte 2022 auf mittleren und leichten Standorten überdurchschnittliche Erträge und überzeugt mehrjährig zusätzlich durch eine gute frühe Blattgesundheit. Auch aufgrund der hohen Lagerneigung wird die Sorte eher für mittlere und späte Saattermine empfohlen.

SU Jonte (A) wurde bereits als potentieller Nachfolger für RGT Reform präsentiert, erzielte zur Ernte 2022 aber nur leicht unterdurchschnittliche Erträge. Mehrjährig lagen die Kornerträge etwa 2% höher als bei der vorgenannten Sorte. Dies gilt auch für Spätsaaten und beim Anbau als Stoppelweizen. SU Jonte ist ähnlich ertragsstabil, winterhart und standfest wie RGT Reform und auch optisch lassen sich beide Sorten kaum unterscheiden. Die bei vergleichbar guten Qualitätseigenschaften deutlich geringere Anfälligkeit von SU Jonte gegenüber Gelbrost ist ein weiteres Argument für einen Sortenwechsel.

Drei neue A-Sorten wurden zur Ernte 2022 erstmals in den nordrhein-westfälischen Landessortenversuchen geprüft:

SU Willem (A) erzielte ausgesprochen gute Kornerträge bei allerdings sehr geringen Proteingehalten. Die Sorte ist frohwüchsig, relativ späreif und aufgrund der hohen Lagerneigung und höheren Anfälligkeit gegenüber Gelb- und Braunrost und Ährenfusarium nur für Betriebe mit intensiver Kulturführung und nicht für Maisfruchtfolgen geeignet. Saatgut für den "neuen Tobak" steht in begrenzter Menge bereit.

Absolut (A) und Polarkap (A) sind frühreifere Sorten mit überdurchschnittlichen Qualitäten und relativ hohen Proteingehalten, konnten beide zur Ernte 2022 aber ertraglich noch nicht überzeugen.

Informer (B) hat sich in den Vorjahren als nur bedingt ertragsstabil gezeigt. Besonders auf leichten Böden, aber auch bei Trocken- und/oder Hitzestress zur Kornfüllung kann der spätreife Einzelährentyp sein Ertragspotential nicht ausschöpfen. Empfohlen wird die Sorte vor allem aufgrund der Kombination aus guter Winterhärte, relativ hoher Standfestigkeit und sehr guter früher Blattgesundheit. Besonders gegenüber Gelbrost ist Informer bisher nicht anfällig. Abgesehen vom Anbau auf leichten Böden erzielte die Sorte in den Versuchen zur Ernte 2022 leicht überdurchschnittliche Erträge. Bei stark reduziertem Pflanzenschutzeinsatz zählte Informer zu den ertragsstärksten Sorten. Abhängig von der Witterung ist eine verzögerte Abreife des Strohs nicht auszuschließen.

Campesino (B) erzielte in den Versuchen zur Ernte 2022 überragende Erträge auf Löss und mehrjährig deutlich überdurchschnittliche Erträge in allen Anbaugebieten. Auch als Spätsaat- und Stoppelweizen kann die Sorte überzeugen. Campesino ist relativ frühreif, relativ standfest und im Vergleich zu einigen direkten Konkurrenzsorten relativ winterhart und kaum anfällig für Braunrost. Schwächen sind die relativ hohe Anfälligkeit gegenüber Gelbrost und der ausgesprochen geringe Proteingehalt (Beschreibende Sortenliste: 1). Dieser lag sowohl in der Praxis als auch in den bisher ausgewerteten Versuchen zur Ernte 2022 nicht selten unter 10%. Auch wenn aktuell die Unterschiede in den Marktpreisen zwischen Brot- und Futterweizen nicht besonders hoch liegen, sollte bei der Sortenwahl stets auch die geplante Vermarktung bedacht werden. Campesino ist nicht CTU-tolerant.

Gentleman (B) hat sich bereits in den Vorjahren als Sorte bewiesen, die zwar nur durchschnittliche Erträge erzielt, aber mit sehr guten Eigenschaften überzeugt: Gentleman ist relativ ertragsstabil, winterhart und standfest, halmbruchresistent und überdurchschnittlich blattgesund. Aufgrund der zögerlichen Jugendentwicklung ist die Sorte auch für Frühsaaten geeignet. Auf leichten Standorten ist der relativ spätreife Kompensationstyp einer Sorte wie Informer überlegen. Die Saatgutverfügbarkeit ist begrenzt.

SU Fiete (B) stand zur Ernte 2022 erstmals in den nordrhein-westfälischen Landessortenversuchen und könnte sich als Nachfolger von Gentleman etablieren. Die Sorte erzielte zwar nur geringfügig höhere Erträge, erwies sich mehrjährig aber als noch weniger anfällig gegenüber frühen Blattkrankheiten. Der Proteingehalt in den bisher ausgewerteten Versuchen lag höher als erwartet.

Akasha (B) ist aufgrund der geringen Anfälligkeit gegenüber Ährenfusarium vor allem für den Anbau in Maisfruchtfolgen interessant. Akasha ist relativ winterhart und entwickelt sich zunächst eher langsam, sodass auch frühere Saattermine möglich sind. Die insgesamt gute Blattgesundheit wird durch eine höhere Anfälligkeit gegenüber Gelbrost eingeschränkt. Akasha hat sich mehrjährig als etwas weniger ertragsstabil erwiesen als andere Sorten. Der Proteingehalt ist unterdurchschnittlich.

Chevignon (B) erzielte in den Landessortenversuchen zur Ernte 2022 auf Löss, Lehm und Sand gute bis sehr gute Kornerträge. Die einjährigen Erträge in den Mittel- und Höhenlagen sowie in den Spätsaat- und Stoppelweizenversuchen waren allerdings nur durchschnittlich. Mehrjährig kann Chevignon weiter in allen Anbaugebieten und auch als Spätsaat- und eingeschränkt als Stoppelweizen überzeugen.

Complice (B) entwickelt sich im Frühling etwas früher als Campesino oder Chevignon. Die guten bis sehr guten Ertragsleistungen zur Ernte 2022 lassen sich zumindest teilweise auf die früher beginnende Kornfüllungsphase und den daraus resultierend geringeren Einfluss von Trockenstress zurückführen. Mehrjährig konnte die Sorte vor allem in den Gebieten der Köln-Aachener Bucht sowie auf leichten Böden überzeugen. Bei zu erwartendem Trockenstress oder falls gezielt eine frühreife und/oder begrannte Sorte angebaut werden soll, wird Complice für alle Niederungslagen und auch für späte Saattermine empfohlen. Das leicht erhöhte Auswinterungsrisiko und die etwas höhere Anfälligkeit gegenüber Gelbrost und Blattseptoria sind zu beachten.

Debian (B) erzielte als neue Sorte bereits im ersten Prüfjahr in den nordrhein-westfälischen Landessortenversuchen sehr hohe Erträge in allen Anbaugebieten und kann damit an die guten Ergebnisse der vorhergehenden Wertprüfungen anschließen. Die besondere Kombination aus frühem Ährenschieben und normaler Abreife begünstigt eine lange Kornfüllungsphase. Debian wird vom Züchter als winterhart beschrieben und ist relativ standfest. Schwächen sind die etwas höhere Anfälligkeit gegenüber Mehltau, Gelbrost und besonders Ährenfusarium. Die hohen Kornerträge korrelieren mit einem relativ geringen Proteingehalt.

KWS Keitum (C) erzielte wie bereits in den Vorjahren auch zur Ernte 2022 sehr hohe Erträge in allen Anbaugebieten. Als eindeutig definierter Futterweizen hat sich die Sorte auch in den Spätsaat- und Stoppelweizenversuchen bewährt. Die etwas höhere Lagerneigung sollte durch den gezielten Einsatz von Wachstumsreglern abgesichert werden. Das etwas höhere Auswinterungsrisiko ist zu beachten.

Als neuer Futterweizen wurde zur Ernte 2022 zusätzlich Revolver (C) geprüft. Die Sorte ist relativ winterhart, standfester und blattgesünder als KWS Keitum, konnte ertraglich aber noch nicht überzeugen.

Regional geprüft wurden unter anderem die Sorten Benchmark, Mortimer und Obiwan.

Benchmark (B) erzielte als Stoppelweizen zwar gute Erträge, liegt mehrjährig aber nur noch auf dem Ertragsniveau anderer B-Weizen und erfordert in der Kulturführung einen hohen Pflanzenschutzeinsatz.

Mortimer (B) wird besonders in der Köln-Aachener Bucht als Stoppelweizen beworben. Die relativ standfeste und früh blattgesunde Sorte ist in Niederungslagen eine mögliche Alternative zu Chevignon.

Obiwan (B) schiebt etwa 1-2 Wochen früher die Ähren als das durchschnittliche Sortiment und ist in der Abreife noch etwas früher als Complice. Auf leichten Böden und in wärmeren Anbaugebieten erzielte die Sorte mehrjährig oder zur Ernte 2022 gute Erträge. Obiwan ist relativ spätsaatverträglich aber nicht besonders winterhart. Die geringe Anfälligkeit gegenüber Ährenfusarium ist vorteilhaft zu bewerten.

Spätsaatversuche mit guten Erträgen

Deutlich spätere als die regional üblichen Saattermine resultieren meist aus einer späten Ernte der Vorfrucht (z.B. Mais, Zuckerrüben) oder aus einer verzögerten Bearbeitbarkeit der Böden infolge von Witterungsereignissen. Darüber hinaus kann eine spätere Aussaat, gegebenenfalls in Kombination mit einem falschen Saatbett, auf Schlägen mit (herbizidresistentem) Ackerfuchsschwanz erheblich dazu beitragen, die Ungrasproblematik zu reduzieren. Da nicht alle Weizensorten gleichermaßen für späte Saattermine geeignet sind, wird ein definiertes Sortiment in zusätzlichen Spätsaatversuchen geprüft. Die Aussaat dieser Versuche erfolgt üblicherweise etwa 2-4 Wochen nach den Landessortenversuchen.

In den Spätsaatversuchen zur Ernte 2022 in Kerpen-Buir, auf Haus Düsse (Ostinghausen) und in Blomberg-Holstenhöfen wurde insgesamt ein hohes Ertragsniveau erreicht, dass weitestgehend dem der Normalsaat entsprach. Der überwiegend warme und sonnige Winter dürfte dazu beigetragen haben, dass der Entwicklungsrückstand der Spätsaaten im Frühling nicht ausgesprochen groß war. Darüber hinaus wurden überwiegend Sorten geprüft, die aufgrund ihrer Eigenschaften als besonders geeignet angenommen werden können. Als mehrjährig spätsaatverträglich lassen sich die Sorten Asory, LG Character, KWS Donovan, Campesino und Chevignon bewerten. SU Jonte erzielte zur Ernte 2022 ähnliche Erträge wie RGT Reform. Die beiden frühreifen Sorten Complice und Obiwan konnten ebenso überzeugen wie der Futterweizen KWS Keitum. Als Wechselweizen erzielte die neue Sorte Broca deutlich höhere Erträge als Licamero. Diese korrelierten allerdings negativ mit dem Proteingehalt. Broca ist deutlich später aber insgesamt gesünder als Licamero.

Bleibt der Stoppelweizen?

Die politische Diskussion um den Anbau von Stoppelweizen im Rahmen der anstehenden GAP-Reform hat in den vergangenen Monaten zu erheblicher Verunsicherung sowohl bei den Landwirten als auch bei den beteiligten Unternehmen und den beratenden Organisationen geführt. Die letzten Meldungen deuten nun darauf hin, dass der Stoppelweizenanbau nicht nur für 2023, sondern in begrenztem Umfang auch darüber hinaus mit den GAP-Konditionalitäten vereinbar bleiben wird. Ob diese Entscheidung auf die fachlichen Stellungnahmen der Länderdienststellen zurückzuführen ist oder ob es tatsächlich erst einen militärischen Konflikt in Europa erforderte, damit die verantwortlichen Personen erkennen, dass es sich insbesondere beim Weizen nicht um eine beliebige ackerbauliche Kultur, sondern um ein wichtiges Grundnahrungsmittel handelt sei dahingestellt.

Stoppelweizen konkurriert im Anbau sowohl mit Winterraps, vor allem aber mit Wintergerste, -triticale und -roggen. Die aktuelle Marktsituation lässt eine Ausweitung der Anbauflächen zur Aussaat im Herbst 2022 erwarten. Da die Anforderungen an einen Stoppelweizen sich von denen nach einer Vorkultur wie Mais, Winterraps oder Zuckerrüben unterscheiden, wird eine gezielte Auswahl an Sorten zusätzlich im Anbau nach Winterweizen geprüft.

Die durchschnittlichen Kornerträge in den Stoppelweizenversuchen zur Ernte 2022 lagen insgesamt nur geringfügig unter denen in den Landessortenversuchen. Aufgrund des geringen Krankheitsdrucks und der intensiven Pflanzenschutzmaßnahmen konnten sich Fruchtfolgekrankheiten wie Halmbruch, Blattseptoria, DTR oder Ährenfusarium nicht entwickeln. Die schlechtere Wurzelentwicklung und den daraus resultierenden Trockenstress sah man einigen Versuchen aber deutlich an. Der Einsatz der Spezialbeize Latitude XL in den Sorten Campesino und Chevignon führte durchschnittlich zu etwa 5% höheren Erträgen. Bei einem Versuch in Möhnesee-Berlingsen mit erhöhtem Schwarzbeinigkeitsdruck lag der Ertragsvorteil mit Spezialbeize sogar bei etwa 15%. Besonders bei Sorten mit eingeschränkter oder fehlender Stoppelweizeneignung kann sich eine zusätzliche Beizung lohnen. Ausgehend von den Ergebnissen lassen sich Asory, Hyvega (Hy), KWS Donovan, Benchmark, Campesino, Gentleman und KWS Keitum als für den Stoppelweizenanbau besonders geeignet bewerten.

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Autor: Johannes Roeb, Heinz Koch