Landessortenversuche Winterraps 2020

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Erntereifer Körnerraps

Winterraps – eine positive Überraschung

Winterraps hatte es in den letzten Jahren schwer. Die letzte gute Ernte in typischen Rapsregionen liegt mit 2014 schon sehr lange zurück. Schlechte Erträge und vielfältige Anbauprobleme haben die Anbauflächen in NRW von 62.000 ha in 2016 auf nur noch 42.000 ha im aktuellen Jahr reduziert. Viele Praktiker hatten den Glauben an bessere Zeiten verloren, haben die Anbauflächen reduziert oder sind bei Anbaualternativen aus dem Anbau ausgestiegen. Dabei ist Winterraps in angepassten Anbauanteilen vor allem in den Höhenlagen von NRW in der Fruchtfolge kaum oder gar nicht ersetzbar. Mais oder Leguminosen können Winterraps hier nicht wirklich ersetzen. Die Ernteergebnisse 2020 sind positiv und sprechen glücklicherweise wieder für Winterraps. Trotz vielfältiger Probleme war die Ernte bei Ertrag und Ölgehalten überraschend gut.

Sorgen um die Entwicklung der Bestände gab es im vergangenen Anbaujahr reichlich. Die ausgeprägte Trockenheit nach der Getreideernte 2019 führte zu Problemen beim Stroh-, Spreu- und Stoppelmanagement und der Saatbettvorbereitung. Unter ungünstigen Bedingungen liefen viele Rapsbestände zunächst lückig und verzettelt auf. Die Temperaturen blieben in den folgenden Monaten überdurchschnittlich mild. Der Februar war extrem niederschlagsreich. Nicht befahrbare Böden verhinderten eine zeitgerechte Andüngung der Bestände. Vor allem organischen Düngern konnten erst Mitte März ausgebracht werden. Dann stellte sich das Wetter komplett um. Von Mitte März bis Ende Mai blieb es extrem sonnig und trocken mit hohen Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht. Ende März, Anfang April und um Mitte Mai gab es in NRW flächendeckend starke Nachtfröste und als sichtbare Folgen tiefe Frostrisse in den Stängeln und hängende Blütenköpfe. Der Schädlings- und Krankheitsdruck in den Beständen blieb aufgrund der Trockenheit bis zur Ernte gering.

Exaktversuche als Basis

Sehr zeitnah steht die Sortenentscheidung für das kommende Anbaujahr an. Eine hoffentlich gute und wohlüberlegte Wahl, die auf Grundlage neutraler Versuchsergebnisse und Praxiserfahrungen getroffen werden sollte. Der Spruch „Ein Versuch ist kein Versuch“ trifft besonders bei Winterraps zu. Die Etablierung gleichmäßiger Versuche ist bei der Feinsämerei besonders schwierig. Eine sichere Sortenbeurteilung kann nur auf Grundlage von möglichst vielen Versuchen getroffen werden. Die Landwirtschaftskammern NRW und Niedersachsen können für 2020 auf sieben Lehm-, drei Höhen- und vier Sandstandorte zurückgreifen. Mehr Aussagesicherheit und zusätzlich Neutralität liefert sonst niemand.

Die Prüfung erfolgt seit dem letzten Jahr mit einer reduzierten Pflanzenschutzintensität. Auf Herbst- und Frühjahrsgaben von Fungiziden/Wachstumsreglern wird grundsätzlich verzichtet. Die Blütenbehandlung gegen Sklerotinia wird auf allen Standorten durchgeführt. Das geänderte Prüfverfahren soll gesunde und robuste Sorten bevorzugen. Der Einsatz von Insektiziden orientiert sich an Schadschwellen und die N-Düngung erfolgt auf der Grundlage der N-Bedarfsermittlung.     

Kriterium Marktleistung entscheidet

Wichtigstes Merkmal für die Sortenwahl ist die Marktleistung, die sich aus den Faktoren Kornertrag und Ölgehalt errechnet. Niedrigere Erträge können durch höhere Ölgehalte kompensiert werden. Ertrag ist daher nicht alles. Neun Sorten aus dem aktuellen Prüfsortiment sind beim Ölertrag mindestens mit der Note 8 eingestuft. Heiner wurde als einzige Sorte von Bundessortenamt bei Kornertrag, Ölgehalt und Ölertrag mit der Bestnote 9 bewertet. Diese Einstufung hatte bis vor zwei Jahren noch Bender, der aktuell bei Kornertrag und Ölertrag nur noch mit Einstufung 7 bewertet wird. Dies belegt den stetigen Züchtungsfortschritt.

Zusätzlich wichtige Kriterien

Sorten dürfen nicht nur nach der Marktleistung in einem Einzeljahr beurteilt werden. Die gewählten Sorten sollen bei unterschiedlichen Witterungs- und Standortbedingungen und möglichst geringem Pflanzenschutzaufwand sicher und verlässlich Spitzenleistung bringen.

Gegen das durch Blattläuse im Herbst übertragene Wasserrübenvergilbungsvirus (TuYV) gehören Resistenzen bei Neuzulassungen immer mehr zur „Serienausstattung“. Das bringt zusätzliche Sicherheit in Jahren mit milder Herbstwitterung. Mit Architect, Advocat, Algarve, Ambassador, Armani, Heiner, Ludger, Smaragd und Violin stehen aktuell neun resistente Sorten im Prüfsortiment.

Die neue Dünge-VO wird vor allem auf leichten oder schweren Standorten aufgrund der geänderten Regelungen im Bereich der Herbstdüngung zu höheren Ansprüchen an Frohwüchsigkeit, Schoßfestigkeit vor Winter, Winterhärte und Regenerationsvermögen führen. Ohne Herbstdüngung müssen Sorten von Natur aus robust, vital und ausreichend wüchsig sein, ohne dass sie deutlich überwachsen und an Winterhärte verlieren. Langsamstarter sind hier eher benachteiligt.

In Punkto Standfestigkeit gibt es zwischen den aktuellen Prüfsorten nur geringe Unterschiede. Alle Sorten sind mit kleinen Unterschieden mit Note 3 eingestuft. Beim Thema Pilzkrankheiten spielen Kohlhernie, Phoma, Verticillium und Sklerotinia die größte Rolle. Als klassische Fruchtfolgekrankheit tritt in NRW vereinzelt Kohlhernie auf. Kohlhernie lässt sich dauerhaft und sicher nur durch ackerbauliche Maßnahmen wie Fruchtfolge, Altrapsbekämpfung und pH-Wert Optimierung reduzieren. Da die Resistenz zusätzlich auf nur wackeligen Füßen steht, sollten resistente Sorten nur auf Befalls- und Verdachtsflächen zum Einsatz kommen.

Der Bereich Phoma, Verticillium und Sklerotinia muss differenziert betrachtet werden. Bei Phoma gibt es Sortenunterschiede. Überdurchschnittlich gut eingestuft sind Bender, Fossil und Croozer. Der geringe Phomabefall der letzten Jahre erschwert bei neueren Sorten die sichere Einstufung. Bei Verticillium sind die Unterschiede gering und bieten trotz Werbeversprechungen der Züchter momentan wenig nutzbare Effekte. Bei Sklerotinia gibt es leider noch keine nutzbaren Resistenzquellen.

Die aktuellen Versuchsergebnisse

Die mehrjährigen Ergebnisse der bereinigten Marktleistung für die einzelnen Standortgruppen sind in Tabelle 1 dargestellt. Zusätzlich zu den Ergebnissen der Einzeljahre ist hier die Marktleistung als mehrjährige Verrechnung ausgewiesen. Das ist für die Versuchsauswertung in NRW relativ neu, bringt aber deutlich bessere Informationen zum Sortenranking. Durch die Einbeziehung von Wertprüfungen, Bundessorten- und EU-Versuchen aus den betreffenden Anbaugebieten erhöht sich für alle Sorten die Anzahl der nutzbaren Versuche und hierüber die Genauigkeit der Leistungseinschätzung. Die dargestellten Werte beschreiben das Leistungsniveau der Sorten in einer einzigen Zahl auf Basis des aktuellen Verrechnungssortimentes. Durch den Bezug auf die neuen und ertragsstarken Sorten werden bei älteren Sorten hohe Relativwerte aus Vorjahren zum Teil deutlich abgeschwächt. Die Aussagekraft der mehrjährigen Werte steigt mit zunehmender Anzahl an Versuchen. Daher lohnt für Sand und Höhenlagen mit weniger Versuchen zur Absicherung der Blick auf die sehr gut besetzte Anbauregion Lehm und Löss.

Tabelle 2 zeigt die agronomischen Eigenschaften der geprüften Sorten. Diese Angaben sind der aktuellen Beschreibenden Sortenliste des Bundessortenamtes entnommen. In dieser Tabelle ergänzend dargestellt sind die Eigenschaften Herbstentwicklung und Reife oder Druschtermin.

Sortenempfehlungen – Mut zum Sortenwechsel

Mehrjährig geprüfte Sorten bilden normalerweise die Basis für den Anbau. An älteren Sorten schätzen Berater und Praktiker gute Erfahrungen aus Vorjahren und Detailkenntnisse zu Stärken und Schwächen. Man kennt und schätzt sich. Neuere Sorten werden üblicherweise zunächst mit kleineren Flächenanteilen ausprobiert. Die Versuchsergebnisse 2020 und die mehrjährige Verrechnung lassen ausnahmsweise Zweifel an dieser Vorgehensweise aufkommen.

Viele mehrjährig geprüfte Sorten zeigen im aktuellen Jahr deutlich unterdurchschnittliche Versuchsergebnisse. Dazu gehören bekannte Sorten wie Attletick, Bender, DK Exception, DK Expansion, Hattrick, Puzzle und Trezzor. Im Gegensatz dazu liefern neue Sorten mit ein und zwei Prüfjahren deutlich überdurchschnittliche Zahlen und bestätigen damit ihre hervorragenden Vorprüfungsergebnisse und die sehr gute Einstufung des Bundessortenamtes. Im Sortenranking der mehrjährigen Verrechnung auf Lehm und Löss mit vielen Einzelstandorten zeigen diese Sorten gegenüber den älteren Sorten eine hohe Vorzüglichkeit. Neue Sorten sind in aller Regel teurer als ältere Sorten. Trotz Mehrkosten von rund 10 €/ha eine gute Investition. Als zusätzlichen Vorteil bringen einige Neue über die Resistenz gegen das Wasserrübenvergilbungsvirus zusätzliche Sicherheit in den Anbau. Aus diesem Grunde stehen in der Sortenempfehlung für die kommende Aussaat in Tabelle 3 neuere Sorten im Focus. Die Internetseite www.sortenberatung.de hilft bei der standortangepassten Sortenwahl. Hier finden interessierte Leser zusätzlich als Link Detailergebnisse zur Leistung auf den Einzelstandorten in NRW.

Sorten mit mindestens zwei Prüfjahren

Für viele mindestens dreijährig geprüfte Sorten gibt es nur noch eine eingeschränktere Empfehlung. Zu dieser Sortengruppe gehören DK Exception, DK Expansion, Architect und Puzzle. Die robusten DK-Sorten zeigen vor allem in den Höhenlagen noch ihre Stärken. Architect war zur Ernte 2020 anbaustärkste Sorte in Deutschland. Die Sorte ist resistent gegen das Wasserrübenvergilbungsvirus.

Bei den zweijährig geprüften Sorten sind die TuYV-resistenen Sorten Ludger und Algarve hervorzuheben. Ludger erreicht sehr hohe Erträge mit leicht überdurchschnittlichen Ölgehalten. Die Sorte ist auch für Spätsaaten geeignet. Algarve erreicht hohe hohe Erträge mit überdurchschnittlichen Ölgehalten. Ludger ist bei Phoma mittel eingestuft.  Algarve gehört zu den anfälligeren Sorten.

Neue Sorten mit Toppleistungen

Bei den Neuen bestätigen Ambassador, Armani, Heiner, Smaragd, Ernesto KWS und Ivo KWS die Vorschusslorbeeren aus Wertprüfung und Bundessortenversuchen. Zur sicheren Sorteneinschätzung ist hier der Blick auf die gut mit Versuchen besetzten Lehm- und Lössstandorte besonders hilfreich. Bis auf die beiden KWS-Sorten sind alle anderen Sorten TuYV-resistent.

Ambassador kombiniert sehr hohe Erträge mit mittleren Ölgehalten zu einer sehr guten Marktleistung. Die Sorte ist frohwüchsig im Herbst. Der Züchter bewirbt Phomatoleranz und Schotenplatzfestigkeit. Heiner ist nach Einstufung des Bundessortenamtes mit Höchstnoten bei Ertrag, Ölgehalt und Ölertrag eingestuft und belegt diese Einstufung im ersten LSV-Jahr. Auch Heiner ist im Herbst frohwüchsig. Smaragd zeigt im ersten Jahr LSV deutlich überdurchschnittliche Ergebnisse. Die Sorte kombiniert sehr hohe Erträge mit überdurchschnittlichen Ölgehalten. Der Züchter bewirbt eine gute Verticilliumtoleranz. Auffällig ist die etwas dunklere Blattfarbe. Armani kombiniert hohe Erträge mit sehr hohen Ölgehalten. Auf Lehm und Löss liegt Armani in der Marktleistung hinter Ambassador, Heiner und Smaragd. Die Sorte ist wüchsig im Herbst und liegt bei Phoma im Sortenmittel.

Gute Leistungen als nicht TuYV-resistene Sorten zeigten Ernesto KWS und Ivo KWS. Ernesto KWS hat durchschnittliche Erträge mit hohen Ölgehalten und verfügt nach Züchterangabe über Spätsaateignung und Phomatoleranz. Ivo KWS ist ertragsstärker mit durchschnittlichen Ölgehalten.

Sorten mit Kohlhernieresistenz

Im Prüfsortiment sind mit SY Alix und Croozer zwei Kohlhernie resistente Sorten vertreten. Im aktuellen Versuchsjahr zeigten beide Sorten vergleichbare Marktleistungen. Unter Einbeziehung aller bislang im Anbaugebiet vorliegenden Versuchsergebnissen hat Croozer bessere Marktleistungen gezeigt. Auf Flächen ohne Befall liegen resistente Sorten bei der Marktleistung deutlich hinter nicht resistenten Spitzensorten. Der Anbau macht daher nur auf Verdachts- und Befallsflächen Sinn. Die EU-Sorten Crome und Crocodile haben in Versuchen auf Befallsflächen in Schleswig-Holstein interessante Ertragsleistungen und den Zuchtfortschritt in diesem Bereich aufgezeigt.

Neues zu Beizen

Änderungen gibt es für die kommende Aussaat bei der Beizausstattung. Wie bei Mais wird es auch im Raps bei Wirkstoffen, Spurenelementen und Biostimulantien anders und vielfältiger. Zulassung und Aufbrauchfrist der bisherigen fungiziden Standartbeize TMTD sind ausgelaufen. Als Ersatzprodukte stehen Scenic Gold und begrenzt Vibrance OSR zur Verfügung. Hinsichtlich Preis und Wirkung gegen pilzliche Auflaufkrankheiten und Falschen Mehltau gibt es keine großen Unterschiede. Eine Beizung mit einem dieser Wirkstoffe sollte Standard sein.

Anders sieht es bei der insektiziden Ausstattung aus. In Polen ist Lumiposa 625 FS für die Saatgutbehandlung von Winterraps zugelassen. Dort gebeiztes Saatgut darf nach Deutschland importiert und hier ausgesät werden. Die Zusatzkosten von Lumiposa liegen mit 15-20 €/ha relativ hoch, zumal Befall durch Erdfloh-Arten nicht sicher verhindert werden kann. Auch gegen die Rübsenblattwespe werden nur sehr begrenzte Wirkungsgrade erzielt. Lumiposa schützt hauptsächlich vor Larven der Kleinen Kohlfliege, die in NRW erfahrungsgemäß keine größere Rolle spielt. Die Zusatzbeize lohnt daher in NRW in der Regel nicht. Unter verschiedenen Handelsnamen bieten die Züchter zusätzlich Nährstoffbeizen oder Biostimulantien an, die die Jugendentwicklung der Bestände fördern sollen. Diese Beizen gehören zumeist ohne Zusatzkosten zur Standardbeizung.

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