Kommt der digitale Pferdestall?

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Die Digitalisierung macht auch vor der Stallgasse nicht halt. Doch wo bestehen in der Pferdehaltung überhaupt Möglichkeiten zur Digitalisierung und in welchen Bereichen ist der Sprung vom „Smart Home“ zum „Smart Stable“ denkbar?

Für die Verwaltungsaufgaben und das Management rund um den Pferdebetrieb werden inzwischen einige App-Anwendungen angeboten. Diese sind in der Regel cloudbasiert und bieten Zugänge mit individuellen Zugriffsrechten für verschiedene Nutzer wie Mitarbeiter, Kunden oder weitere Personengruppen. Die angebotenen Grundfunktionen zur Verwaltung des Betriebs reichen von der Terminverwaltung, dem Anlegen einer Pferdeakte mit Grund- und Kontaktdaten, sowie weiteren (Gesundheits-)Informationen, der Führung von Bestandsbüchern, der Erstellung von Belegungsplänen, zum Beispiel für Boxen oder die Reithalle, bis hin zum Management der Futterpläne. Darüber hinaus bieten einige Anwendungen auch die Abwicklung des Rechnungs- und Mahnwesens mit oder ohne Datev-Export, Bestellfunktionen direkt über die App sowie die Mitarbeiter-Verwaltung mit Arbeits- und Urlaubsplänen sowie der Zeiterfassung an. Das „papierlose Büro“ rückt damit in greifbare Nähe.

Der Funktionsumfang und die Kosten dieser meist auf Abonnement- oder Lizenz-Basis vertriebenen Produkte variiert teilweise deutlich. Häufig können die Anwendungen jedoch im Funktionsumfang auch speziell auf den eigenen Betrieb zugeschnitten werden. Ebenso sind je nach Anbieter die Ergänzung durch zusätzliche Hardware wie zum Beispiel elektronische Boxenschilder, dem Datei-Upload oder eine individuelle Gestaltung der App möglich.

Insbesondere die Möglichkeit, Verknüpfungen zu erstellen oder Pferde zu Gruppen zusammenzufassen, erleichtert die Koordination und spart oftmals wertvolle Zeit. So können zum Beispiel Mitarbeiter und auch Kunden auf einen Blick sehen, welche Pferde zusammen auf die Weide gehen, wer für den Termin des Hufschmieds eingetragen wurde oder wann die Longierhalle voraussichtlich frei ist. Das Erstellen neuer Termine sowie die Einträge in Belegpläne und weitere Anfragen können bequem vom Büro oder dem heimischen Sofa aus erledigt werden. Dies kann dem Betriebsleiter so manches Klingeln an der Haustür ersparen und auch für die Terminkoordination von Reitschulen eine praxisorientierte Lösung bieten.

Kunden mitnehmen

Trotz einer potenziell höheren Zufriedenheit vieler technikaffiner Kunden sollte jedoch bedacht werden, dass nicht unbedingt alle Personen diese Umstellung ohne Weiteres mitmachen können oder möchten. Dann kann es leicht passieren, dass Informationen nicht jeden erreichen oder ein doppelter Verwaltungsaufwand entsteht und die mit der Digitalisierung eingesparte Zeit teils wieder hinfällig ist. Auch nach dem Erstaufwand der Umstellung müssen die Daten innerhalb der digitalen Anwendung gepflegt und auf aktuellem Stand gehalten werden. Der Überblick über die Nutzer darf ebenso wenig verloren gehen wie der persönliche Kontakt zum Kunden auf der Stallgasse.

Neben dem Datenschutz und der Datensicherheit ist auch das Risiko einer potenziellen Fehleranfälligkeit der Anwendungen zu bedenken, über das es aktuell jedoch keine Einschätzung gibt. Betriebsleiter sind daher gut beraten, sich ein individuelles Angebot für ihren Betrieb einzuholen und neben der tatsächlichen Zeitersparnis, die in Relation zu den Anschaffungs- und laufenden Kosten zu sehen ist, bei ihren Kunden in Erfahrung zu bringen, ob die Anwendung in dieser Form auch überwiegend genutzt werden wird.

Digitale Fütterungstechnik?

In vielen Betrieben mit Gruppenhaltung haben die computergesteuerten Fütterungsautomaten bereits Einzug gehalten, doch auch für die Einzelboxenhaltung sind geeignete Lösungen für die Fütterung von Rau- und Kraftfutter erhältlich. Die Verwendung dieser Technik ermöglicht die individuelle Zuteilung von Futtermengen und Fresszeiten. Die bedarfsgerechte Fütterung vieler kleiner Kraftfutter-Portionen ist verdauungsphysiologisch von Vorteil, jedoch ohne automatisierte Lösungen mit einem hohen Zeit- und Arbeitsaufwand verbunden. In der Gruppenhaltung sorgt die Abholung der einzelnen Futterportionen für einen zusätzlichen Bewegungsanreiz. In Betrieben mit Einzelboxen kehrt zu den Futterzeiten mehr Ruhe ein, da über die Automaten alle Pferde gleichzeitig ihre Ration erhalten und kaum Anlass für Unruhe und Futterneid entsteht. Über Futterprotokolle kann das Fressverhalten der Pferde kontrolliert und eine Abweichung schnell erkannt werden, zum Beispiel wenn sich ein Pferd unwohl fühlt und daher nicht alle Portionen abgerufen hat. Die Tierkontrolle kann dies jedoch nicht ersetzen. Die Vernetzung der Software mit einer Management-App scheint grundsätzlich möglich zu sein. Die Zeitersparnis ist in Relation zu den Kosten für die Anschaffung und den Betrieb der Fütterungseinrichtungen sowie den Aufwand für die Wartung und Reinigung zu sehen. Zudem ist nicht jede Futtersorte für die Gabe im Kraftfutterautomaten geeignet. Ebenso muss das Konzept der verwendeten Einrichtungen zum jeweiligen Betrieb passen.

Der letzte macht das Licht aus

Im Bereich des „Smart Home“ sind bereits einige Möglichkeiten, Energie auch von unterwegs aus digital zu managen, vorhanden. Im Nutztierbereich laufen Forschungsprojekte wie zum Beispiel die Nachbildung des Tageslichts mittels LED-Beleuchtungssystemen, um das Wohlbefinden der Tiere im Stall steigern zu können. Diese Systeme könnten zukünftig eventuell auch für Pferdezuchtbetriebe zur Steigerung der Fruchtbarkeit zu Beginn der Decksaison interessant sein. Speziell für Pferdebetriebe sind bislang nur wenige digitale Angebote auf dem Markt. So können Beleuchtungssysteme für die Reithalle per App gesteuert werden, um damit das Licht ein- oder auszuschalten oder stufenlos zu dimmen.

Unter Strom – Digitalisierte Weidehaltung?

Unerlässlich ist in allen Fällen die regelmäßige Kontrolle des Elektrozaungeräts und die Überprüfung des Zauns auf den mechanischen Zustand und Bewuchs. Eine praxistaugliche und zeitsparende Alternative zur handschriftlichen Aufzeichnung bieten elektrische Zaunsensoren, mit denen die Spannungswerte des Elektrozauns rund um die Uhr via App überwacht werden können. Ermöglicht wird dies über eine integrierte Sim-Karte. Preislich ist in der Regel neben den Anschaffungskosten für das Gerät selbst auch ein Abonnement für den notwendigen Datentransfer zu kalkulieren. Sollte ein solcher Sensor zum Einsatz kommen, muss die zu beweidende Fläche jedoch in einem Gebiet mit GSM-Netzabdeckung liegen. Ist das nicht der Fall, kann der Empfang auf hofnahen Flächen gegebenenfalls über zusätzliche WLAN-Module hergestellt werden. Über die App können minimale und maximale Richtwerte für die Spannung des Elektrozauns angegeben werden. Weichen die gemessenen Werte davon ab oder ist der Ladestand des Akkus niedrig, schlägt die App Alarm. Auch der schleichende Spannungsabfall, zum Beispiel durch zunehmenden Bewuchs im Zaunbereich, lässt sich frühzeitig erkennen. Liegen die aufgezeichneten Werte konstant im Normalbereich, kann von der vollen Funktionstüchtigkeit des Elektrozauns ausgegangen. Die regelmäßige Tierkontrolle lässt sich dadurch natürlich nicht ersetzen.

Gesundheit & Training digital unterstützen?

Die Gesundheit des Pferdes im Auge zu behalten und Krankheiten frühzeitig zu erkennen, ist eine wichtige Aufgabe jedes Pferdehalters. Um die Betriebe dabei zu unterstützen sind verschiedene Warnsysteme erhältlich, die auf Sensortechnik basieren. Die am Pferd angebrachten Sensoren registrieren die (gelernten) individuellen Bewegungsmuster des jeweiligen Pferdes und schlagen bei abweichendem Verhalten über die zugehörige App oder bei schlechter Netzabdeckung auch per SMS-Alarm. So können diese Produkte zum Beispiel in Zuchtbetrieben als Geburtsmelder Verwendung finden und den Pensionspferdebetrieb bei der Überwachung von Kolik anfälligen Pferden unterstützen. Über die digitale Anwendung können mittels Anschaffung zusätzlicher Sensoren mehrere Pferde gleichzeitig erfasst werden.

Auch im Trainings- und Reitschulbetrieb kann die Sensortechnik sinnvoll eingesetzt werden. Die Aufzeichnung diverser Bewegungs- und Leistungsparameter ermöglicht die Dokumentation und Analyse der Trainingseinheit via App. So kann das Training strukturiert geplant und verbessert sowie der Trainingsfortschritt festgehalten werden. Der einzelne Reiter wird in seiner Eigenkontrolle unterstützt. Durch die Möglichkeit, Profile miteinander zu verknüpfen, kann zum Beispiel auch der Trainer Einblick auf die Reiteinheiten in seiner Abwesenheit bekommen.

BestTUPferd – Digitale Schwachstellenanalyse

Das Tierwohl steht nicht nur in der Nutztier-, sondern auch in der Pferdehaltung im Fokus der Öffentlichkeit. Der Wille, Pferde artgemäß zu halten, ist auf allen Seiten da, wie Umfragen unter Pferdebesitzern und Pferdebetriebsleitern ergaben. Wie jedoch die Haltungsbedingungen einheitlich verbessern, wenn eine Bewertungsmöglichkeit fehlt? An der Technischen Universität München-Weihenstephan wird im Verbund mit der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, dem Fraunhofer-Institut für angewandte Informationstechnik sowie der Ferber Software GmbH derzeit ein Bewertungssystem zur Beurteilung der Tiergerechtheit und der Umweltwirkungen von Sport- und Freizeitpferdehaltungen entwickelt. Ein Expertenbeirat, der aus Vertretern wichtiger Institutionen der Pferdebranche und der Wissenschaft besteht, unterstützt dabei kontinuierlich das Forschungsprojekt. Ziel ist es, ein digitales Beratungsinstrument zu etablieren, das in der Pferdehaltung für eine standardisierte Schwachstellenanalyse einschließlich betriebsindividueller und praktikabler Optimierungsempfehlungen vor Ort eingesetzt werden kann. Auf diese Weise könnten die Haltungsbedingungen der Pferde sowie der Umweltschutz deutschlandweit verbessert werden.

Fazit

Für die Pferdehaltung konzipierte Apps können in vielen Bereichen verschiedene individuelle Ansprüche bedienen und somit potenziell Zeit einsparen und den Arbeitsaufwand reduzieren. Die Kommunikation innerhalb des Betriebs kann vereinfacht und die Kundenzufriedenheit verbessert werden. Das verwendete Konzept muss jedoch zum Betrieb passen und der persönliche Kontakt zu den Kunden sollte dadurch nicht verloren gehen. Anschaffungs- und Betriebskosten sind abhängig von der Betriebsgröße, jedoch für kleinere Betriebe nicht immer rentabel.

Autor: Dr. Sandra Kuhnke