Zur Zukunft der landwirtschaftlichen Selbstverwaltung

Die Kreislandwirte der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen haben sich am Dienstag, 1. März, in Köln-Auweiler getroffen und über die Zukunft der landwirtschaftlichen Selbstverwaltung diskutiert. Themen waren unter anderem das Ende Januar 2005 von Ministerin Bärbel Höhn vorgelegte Memorandum sowie die Ergebnisse eines Gesprächs mit Bärbel Höhn zum selben Thema. Dazu haben die Kreislandwirte, die in ihren Kreisen jeweils an der Spitze der gewählten Vertreter der landwirtschaftlichen Selbstverwaltung stehen, nachfolgende Erklärung verabschiedet.
Wir Kreislandwirte haben am 4. Februar 2005 in Düsseldorf mit Ministerin Bärbel Höhn über die Zukunft der Landwirtschaftskammer diskutiert. Dabei haben wir unsere Vorstellungen über die Unverzichtbarkeit der Selbstverwaltung und die Fortentwicklung der Landwirtschaftskammer vorgetragen. In den folgenden zehn Punkten haben wir unsere wichtigsten Aussagen zu diesem Thema zusammengefasst:
- Die landwirtschaftliche Selbstverwaltung
hat sich in unserem Land seit mehr als 100 Jahren bewährt. In den vergangenen
Jahrzehnten hat sie maßgeblich dazu beigetragen, die Wettbewerbsfähigkeit
der Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen zu stärken. Wir fordern den
Erhalt dieses bewährten Prinzips, nicht nur auf dem Papier, sondern
auch in der täglichen Praxis.
- Das Kammergesetz gibt den
gewählten
Vertretern unseres Berufsstandes den Auftrag, Entscheidungen in eigener Verantwortung
zu treffen und umzusetzen. Wir erwarten, dass wir die Arbeit der Kammer nach
gesetzlichen Vorgaben und demokratischen Spielregeln entscheidend mitgestalten
können. Eine Selbstverwaltung, bei der Entscheidungen von oben vorgegeben
werden und unerwünschte Beschlüsse umgehend mit dem Entzug von
Finanzmitteln bestraft werden, wird diesem Anspruch nicht gerecht.
- Die
Rechtsaufsicht des Ministeriums darf nicht dazu missbraucht werden, unseren
gesetzlichen Anspruch auf Selbstverwaltung zu untergraben.
- Die Landwirtschaftskammer
nimmt, entsprechend ihrem gesetzlichen Auftrag, zahlreiche Aufgaben wahr,
die nicht nur im Interesse unseres Berufsstandes, sondern, zum Beispiel bei
der Ausbildung und der Förderung des ländlichen Raums, im Interesse
der ganzen Gesellschaft liegen. Wir erwarten, dass sich das Land wieder angemessen
an der Finanzierung dieser Aufgaben beteiligt.
- Wir brauchen,
um die Zukunft unserer Betriebe zu sichern, eine unabhängige Beratung
durch die Landwirtschaftskammer, die praktisch und ökonomisch prüft,
was wirklich funktioniert und sich rechnet. Die Ergebnisse dieser Arbeit
müssen
in vollem Umfang öffentlich gemacht werden, damit jeder Betrieb davon
profitieren kann.
- Beratung
ist Vertrauenssache. Der Erfolg hängt wesentlich vom persönlichen
Kontakt zwischen Unternehmer und Berater ab. Wir brauchen deshalb eine ausreichende
Präsenz der Kammer in der Fläche. Die Organisation dieser Präsenz
muss sich an der Agrarstruktur und am finanziell Machbaren orientieren. Entscheidungen über
die Organisation der Kammer sind Sache der verantwortlichen Gremien. In den
vom Hauptausschuss getroffenen Entscheidungen zur Bildung von 13 Verwaltungseinheiten
plus Außenstellen sowie 6 Beratungsregionen sehen wir, trotz zusätzlicher
Erschwernisse für viele Betriebe, einen vernünftigen und von unternehmerischem
Denken geprägten Weg, die Zukunft unserer Arbeit für die kommenden
Jahre zu sichern.
- Die Wahrnehmung von Aufgaben im Auftrage des
Landes durch die Landwirtschaftskammer bringt Vorteile für beide Seiten.
Das Land spart dadurch eine eigene, zusätzliche Agrarverwaltung und
gewinnt für seine Aufgaben Mitarbeiter, die das Vertrauen des Berufsstandes
haben. Für den Berufsstand bringt diese Lösung, vor allem bei der
Förderung,
eine praxisnahe, rasche und zuverlässige Abwicklung, die in Nordrhein-Westfalen
weit über dem Niveau der meisten übrigen Bundesländer liegt.
Dieses Prinzip kann aber nur funktionieren, wenn das Land für in Auftrag
gegebene Arbeiten auch die vollen Kosten übernimmt. Wir sind nicht bereit,
die Agrarverwaltung, die in anderen Bundesländern voll vom Staat finanziert
wird, auf dem Umweg über Umlage und Gebühren zu subventionieren.
- Wir sind uns bewusst, dass
auch die Landwirtschaftskammer, wie alle öffentlichen Haushalte, unter
dem massiven Zwang zu Einsparungen steht. Die Landwirtschaftskammer hat in
der Vergangenheit durch massiven Personalabbau und die kontinuierliche Weiterentwicklung
einer effektiven Organisation in erheblichem Maße Haushaltsmittel eingespart.
Die erzielten Einsparungen gingen dabei voll zu Gunsten des Landesanteils
an der Kammerfinanzierung. Die absolute Höhe der vom Berufsstand aufgebrachten
Mittel zur Finanzierung der Kammer ist dagegen durch Gebührenerhöhung
sogar noch gestiegen. Wir erwarten für die Zukunft vom Land verlässliche
Aussagen über die Finanzierung der Kammer, die eine mittelfristige Personal-
und Investitionsplanung zulassen. Es kann nicht angehen, dass das Land sich
immer weiter aus der Finanzierung der Kammerarbeit zurückzieht, gleichzeitig
der Kammer aber immer neue Aufgaben zugewiesen werden.
- Wir verwehren uns
energisch gegen eine öffentlich geführte Standortdiskussion mit
ultimativen Standpunkten, die in direkter Konsequenz zur Vernichtung von
Immobilienwerten führt. Die noch vorhandenen Immobilien der Kammer wurden über
Generationen mit einem erheblichen finanziellen Beitrag des landwirtschaftlichen
Berufsstandes aufgebaut. Nach unserem Verständnis von Eigentum muss
sich der Umgang mit diesen Werten ausschließlich an wirtschaftlichen
Aspekten ausrichten. Ein in der Öffentlichkeit ausgeübter Druck
zum Verkauf wird diesem Anspruch nicht gerecht.
- Wir erwarten bei allen Diskussionen um die schwierige Situation der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen und ihre weitere Zukunft einen respektvollen Umgang mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dazu gehört für uns selbstverständlich die Anerkennung der persönlichen Leistung jedes Einzelnen, insbesondere nachdem in jüngster Zeit der Betrieb der Landwirtschaftskammer nur durch erhebliche freiwillige Mehrleistungen zahlreicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufrecht erhalten werden konnte. Ebenso selbstverständlich sind für uns die angemessene Beachtung der Sozialverträglichkeit bei allen Standortentscheidungen und die Gleichbehandlung unseres Personals mit allen anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes in Nordrhein-Westfalen.
Pressemeldung der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen vom 03.03.2005