Einstieg in die Ziegenhaltung - was ist zu beachten?

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Ziegen fressen vorzugsweise frisches Laub und Gehölze und werden gerne zur Freihaltung von Offenlandschaften zusammen mit Schafen eingesetzt wie unter anderem in der Lüneburger Heide.


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Mit gut belüfteten und lichtdurchfluteten Ställen mit Holzeinrichtung und Rückzugsmöglichkeiten auf erhöhte Liegeflächen oder unter Tische wird Stress in vermieden. Laufstallkonstruktion für Milchziegen im Sauerland.


Ziegen in Hobbyhaltung und zunehmend auch im Neben- und Haupterwerb erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Durch Wunsch vieler Verbraucherinnen und Verbraucher nach tiergerechter Landwirtschaft und ausgewogener Ernährung steigt der Bedarf an Ziegenmilch auf dem deutschen Markt kontinuierlich. Bisher waren Bayern und Baden-Württemberg der Hotspot für die Ziegenmilchproduktion in Deutschland. In der vergangenen Dekade ist Nordrhein-Westfalen mit Haupterwerbsbetrieben, die zwischen 200 und 500 Ziegen melken, nachgezogen.

Die Landwirtschaftskammer bietet jährlich Sachkundelehrgänge für Ziegenhalter im landwirtschaftlichen Versuchs- und Bildungszentrum Haus Riswick in Kleve an. Tipps für den Einstieg in die Ziegenhaltung geben Michel Blechmann, Referent für Weiterbildung und Kleine Wiederkäuer und Wiebke Mohrmann, Beraterin für Schaf- und Ziegenhaltung.

Welche Rasse wie halten?

Es beginnt mit der Planung. Welche Rasse soll es sein? Wer Milchziegen möchte, dazu gehören die Weiße und Bunte Deutsche Edelziege, die Thüringer Waldziege oder auch die Toggenburger Ziege, bekommt eine hohe Milchleistung bei guten Muttereigenschaften. Allerdings sind diese Eigenschaften auch verbunden mit besonderer Neugierde und Springfreude. Bei diesen Rassen ist auf einen gut elektrifizierten Zaun von mindestens 1,20 m Höhe zu achten. In letztgenannten sollten besonders Zwergziegenfreunde investieren, denn so klein die Ziegenrasse aus dem westafrikanischen Raum auch ist mit bis zu 50 cm Stockmaß, so hoch können sie klettern und springen. Verwenden Sie Drahtlitzen und kein Knotengeflecht. Häufig stecken Ziegen mit ihren Hörnern, durch die sie keine Stromschläge bekommen, im Zaun fest. Sobald sie sich Zaun verwickelt haben, bekommen sie Stromimpulse und sind ihnen unter Umständen lange ausgesetzt. In der Regel können sie sich aus Litzenzäunen, bei denen horizontal 6 stromführende Litzen parallel verlaufen, selbst befreien. Bedenken Sie auch, dass Böcke, die getrennt, aber in Sicht- und Riechweite der weiblichen Tiere stehen, sich nicht von einfachen Zäunen aufhalten lassen. Wenn Sie eine kontrollierte Deckzeit einrichten möchten, empfiehlt sich eine gesonderte Bockweide mit weiteren Geschlechtsgenossen weit ab vom Muttertierbestand einzurichten.

Das Bockverhalten ist rasseübergreifend gleich; nicht aber der Geruch. In der Regel sind Burenziegenböcke weniger geruchsintensiv als Böcke anderer Rassen. In der Angewohnheit sich in den Bart zu pinkeln und mit dem Reiben des Hörnerzwischenraums an der Stalleinrichtung den Geruch weiträumig zu verteilen, gleichen sich die Böcke wieder.

Burenziegen mit Zunahmen von über 250 g täglich zählen zu den Fleischziegenrassen, haben aber ausreichend Milch, um Zwillinge und Drillinge alleine großzuziehen. Außerdem bekommen sie in den Wintermonaten eine dichtes, fasst wollig anmutendes Winterfell. Das macht sie wetterfester als andere Ziegenrassen. Sie akzeptieren relativ gut Zäune und werden häufig in der Landschaftspflege zusammen mit Schafen eingesetzt.

Generell aber gilt für Ziegen: sie meiden Regen. Für ganzjährige Weidehaltung ohne Unterstand ist keine Ziegenrasse geeignet.

Wenige Ziegen werden hornlos geboren. Die hornlosen Ziegen zeigen ein friedlicheres Verhalten als behornte Tiere, bekommen aber auch häufig unfruchtbare, zwittrige Lämmer. Das ist bei behornten Ziegen weniger der Fall. Dafür sind Hornträger oft in Rangordnungskämpfe verwickelt und fügen Artgenossinnen schwere (Euter)verletzungen zu. In Ställen sollten daher Fluchtmöglichkeiten in Form von erhöhten Liegeflächen eingerichtet werden. Empfehlenswert ist die Anbringung von Geländern an den erhöhten Liegeflächen und den Gangways, die zu den Flächen oder auch in den Melkstand führen, damit die Tiere sich nicht gegenseitig runterschubsen. Für erstlammende Jungtiere sollten tiefe Tische zur Verfügung stehen, unter die sie sich verkriechen und größere Tiere nicht folgen können.

Grundsätzlich gilt es Streß in Herden zu vermeiden. Es sollten ausreichend Freßplätze zur Verfügung stehen, an denen die Tiere zeitgleich fressen können. Empfehlenswert ist, ein paar mehr Freßplätze als Ziegen zu haben, damit im Bedarfsfall auch mal der doppelte Abstand gewahrt werden kann. In Kleinstbeständen können Ziegen während der Fütterung mit Halsband angebunden werden. In großen Beständen entschärft man den Kampf um das beste Futter am besten mit Freßgittern. Arretierbare Freßgitter ermöglichen nicht nur eine ungestörte Futteraufnahme, die stehenden Tiere können so auch gut behandelt werden. Neben Impfungen und Wurmkuren können auch die Ohrmarken an der festgesetzten Ziege eingezogen werden.

Kennzeichnungspflichten beachten

Seit 2010 sind Ziegen und Schafe individuell mit einer amtlichen Einzeltiernummer zu kennzeichnen. Die Vorgaben zur Registrierung und Kennzeichnung von Schaf- und Ziegenbeständen sind in der EU-Viehverkehrsordnung (VVVO) festgelegt und gelten für landwirtschaftliche Betriebe als auch für Hobbyhaltungen. Ziegenhalterinnen und -halter sind verpflichtet, ihre Tierhaltung bei der Tierseuchenkasse registrieren zu lassen und dort jährlich eine Stichtagsmeldung über den vorhandenen Bestand am 01.01. abzugeben. Sie erhalten 15stellige Registriernummer, die immer mit 276 als Kennzahl für Deutschland beginnt; die nachfolgenden Ziffern 01 stehen für die Tierarten Schaf und Ziege, die darauffolgenden beiden Ziffern sind die Kennzahl für ihr Bundesland. Mit ihrer Registriernummer können Sie Einzeltierkennzeichen für ihren Betrieb bestellen. Ziegen und Schafe sind mit spätestens mit 9 Monaten zu kennzeichnen. Das passt gut in das Herdenmanagement. Werden die Lämmer im Frühjahr geboren, weiß man 9 Monate später, welche Tiere zur Zucht im Betrieb verbleiben sollen. Schlachtlämmer haben i.d. R. schon vorher den Betrieb verlassen. Auch sie müssen vor Verbringung gekennzeichnet werden. Hier reicht aber eine weiße sogenannte Betriebsohrmarke aus. Zuchtziegen aber, die Älter als 9 Monate werden, sind nach § 34 VVVO doppelt zu kennzeichnen. Vorgeschrieben ist die sichtbare und die elektronische Kennzeichnung. Das erfolgt meistens mit der gelben Doppelohrmarke. In einer Ohrmarke ist ein Transponder integriert, der mit einem Lesegerät auslesbar ist. Angezeigt wird die 12stellige Einzeltiernummer, die auch auf der Ohrmarke ablesbar ist. Häufig beißen sich Ziegen im Stall gegenseitig die Ohrmarken ab oder reißen sie sich raus, wenn sie sich in der Landschaftspflege durch Hecken schlagen.

Daher bietet es sich an, Ziegen mit einem Pansenbolus zu kennzeichnen. Der keramikummantelte, 20 g schwere, tamponförmige Transponder wird mit einer Schlundsonde eingegeben und verbleibt dauerhaft im Pansen. Diese Kennenzeichungsform ist besonders praktisch in melkenden Betrieben. Die Nummer der Ziege kann von hinten abgelesen werden, in dem man das Lesegerät unter den Bauch Richtung Brustbein hält. Das vereinfacht die Tieridentifikation im Melkstand oder –karussell. Beachten Sie, dass Ziegen bei der Boluseingabe ein Mindestgewicht von 25 kg haben sollten. Die sichtbare Nummer kann man entweder mit der dem Pansenbolus beigefügten gelben Ohrmarke anbringen oder man tätowiert sie vollständig ins Ohr.

Parallel zur Einzeltierkennzeichnung ist der ziegenhaltende Betrieb zur Führung eines Bestandsregisters verpflichtet. Zeichnet man die Zukäufe und die Abgänge nicht auf, kann das als Ordnungswidrigkeit vom Veterinäramt geahndet werden. Vordrucke für das Bestandsregister erhalten sie unter anderem bei den Landeskontrollverbänden.

Zukäufe müssen Sie zusätzlich noch in der HIT-Datenbank online melden. Hier können Sie sich mit ihrer Registriernummer und dem Passwort, das Sie mit der Meldung ihrer Tierhaltung bei der Tierseuchenkasse erhalten haben, anmelden. Grundsätzlich gilt: kaufen Sie nur Tiere aus registrierten Betrieben mit Kennzeichnung und lassen sich vom Verkäufer ein Begleitpapier mitgeben, auf dem dessen Registriernummer eingetragen ist. Sonst können Sie den Zukauf nicht bei HIT melden. Die Aufzeichnung der Bewegungen zwischen den Betrieben ermöglicht den Veterinärämtern im Seuchenfall, potenziell infizierte Betriebe zu informieren und Sperrgebiete effektiv auszuweisen. Nur registrierte Betriebe haben Anspruch auf Schadensausgleich im Seuchenfall und eventuell auch auf Impfung.

Impfungen, medikamentöse Behandlungen durch den Tierarzt oder mit rezeptpflichtigen Medikamenten wie Wurmkur, die man selbst eingibt, sind in ein Bestandsbuch einzutragen. Anzugeben sind Behandlungstage, Medikament und Dosierung sowie die Kennzeichen der behandelten Tiere. Ergänzend zur Eintragung ist der Abgabebeleg für Medikamente vom Tierarzt im Bestandsbuch abzuheften.

Gesundheit und Pflege

Mit regelmäßiger Klauenpflege können Krankheiten vermieden werden. Bei Schafen ist es üblich, die Tiere vorsichtig auf die Hinterhand zu setzen und mit einer Klauenschere übermäßig überstehende Tragränder zu entfernen, mit einem scharfen, kurzen Klauenmesser die Tragränder an die Sohle anzugleichen und die Klauenspitze abzurunden. Die Teilnahme an einem Klauenpflegekurs, der unter anderem auch in Haus Riswick, Kleve (Versuchs- und Bildungszentrum der Landwirtschaftskammer NRW) angeboten wird, ist für Einsteiger zu empfehlen.

In den Kursen werden meistens Schafen die Klauen geschnitten. Ziegen kann man aber nicht so umsetzen wie wollige Schafe. Besser ist, sie nach dem Umsetzen auf die Seite zu legen und sich zur Fixierung über sie zu stellen, hinzuknien und vorsichtig ohne Gewicht sich auf ihren Hals-Schulter-Bereich zu setzen. Dann sollte mit dem Schnitt an den hinteren Klauen begonnen werden. Die geschnittenen Klauen sind scharfkantig, können einen aber nicht mehr treffen, wenn man die vorderen Klauen ausschneidet. Verletzungsgefahr geht auch von den Hörnern der Ziegen aus. Enthornt werden dürfen Ziegen aber nicht. Die Hornzapfen der Ziegen breiten sich in der Stirnhöhle aus. Beim Enthornungsvorgang mit Ätzpasten kann es zur Öffnung der Schädeldecke und zur dauerhaften Gehirn- und Augenschädigungen kommen. Eine Hornamputation, die erforderlich ist, weil das Horn durch ungünstigen Wachstumsverlauf den Wangenknochen oder Unterkiefer einengt, sollte nur unter Narkose von Tierärztinnen und Tierärzten durchgeführt werden.

Als chronische Erkrankungen der Ziegen ist die Caprine Arthritis-Encephalitis (CAE), eine Virusinfektion, die Gehirn- und Gelenksentzündungen auslöst und die Pseudo-Tuberkulose als bakterielle, unheilbare Infektion zu nennen. Letztgenannte ruft stark eitrige Lympfknotenschwellungen hervor. Sekrete aus den „Eiterbeulen“ sind Infektionsherde für Artgenossen. CAE und PseudoTb verschlechtern die Leistungsfähigkeit der Ziegen erheblich, steigern den Futterbedarf und aktuell sind für diese Erkrankungen keine Impfstoffe auf dem Markt. Erkundigen Sie sich bei Zuchtverbänden oder den Züchtern selbst, ob die Ziegen nachweislich CAE- und PseudoTB-unverdächtig sind.

Fütterung und Verhalten

Grundsätzlich trägt eine tierartgerechte Fütterung zur Herdengesundheit bei. Ziegen benötigen mindestens 18 % Rohfaser in ihrer Ration. Rohfaser ist Zellulose, die in Gehölzen und Heu verfügbar ist. Die unverdauliche Rohfaser regt zum Wiederkäuen der aufgenommenen Pflanzenteile an und es ist wichtig, dass Ziegen „Mittagsschlaf“ machen können bzw. ausreichend trockene Liegeplätze vorhanden sind, damit sie wiederkäuen können. Erst das Wiederkäuen, also das nochmalige Zerkleinern, macht die Nahrung verdaulich.

Nach der Mittagspause gehen sie wieder motiviert auf Nahrungssuche. Ziegen unterscheiden sich von Schafen, indem sie ihre Lämmer, ähnlich wie Rehwild, ablegen. So erreichen sie neben Gräsern auch Sträucher und Bäume, ohne sich um ihre Lämmer kümmern zu müssen. Ziegen sind selektive Fresser und möchten Vegetation nicht bis auf den Wurzelstock abfressen. Ein gleichförmiger Verbiss auf einer eingezäunten Fläche ist von Ziegen nicht zu erwarten.

Ein Hektar Grünland, der als Weidefläche und als Mähwiese für die Winterfutterbergung genutzt wird, reicht für 10 Ziegen älter als 10 Monate aus. Dieser grobe Richtwert ist natürlich stark abhängig vom Aufwuchs der Fläche. Eine Ziege entspricht 0,15 Großvieheinheiten. Dieser Wert ist von Bedeutung für ökologisch wirtschaftende Betriebe. Denn nur mit max. 1,4 Großvieheinheiten, also durchschnittlich 9 Ziegen je Hektar bewirtschafteter Fläche, spricht man von extensiver Beweidung und entspricht den Vorgaben des ökologischen Landbaus.

Ziegen sind Herdentiere, die sich gerne an Menschen binden. Das hält sie aber nicht davon ab, Weidezäune zu überwinden und in Nachbars Garten zu fressen. Möchten Sie Ziegen als Haustier in ihrem Garten halten, erkundigen Sie sich beim zuständigen Bauamt, ob die Tierhaltung, der Stallbau und ein ziegensicherer, elektrifizierter Weidezaun in 1,20 m Mindesthöhe an ihrem Standort zulässig ist. Mehr zum tierartgerechten Stall- und Zaunbau, Fütterung und den Dokumentationspflichten, erfahren sie bei der Schaf- und Ziegenberatung der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen.

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