Richtig füttern beim automatischen Melken

Melkroboter

Die Inbetriebnahme eines automatischen Melksystems hat nicht nur Auswirkungen auf die Melkarbeit und den Melkvorgang, sondern sie beeinflusst auch die Fütterung und hier insbesondere die Versorgung mit Milchleistungsfutter. In herkömmlichen Melksystemen sind die Funktionsbereiche Futteraufnahme, Laufen und Liegen sowie Milchabgabe räumlich voneinander getrennt, so dass jeder Bereich für sich entsprechend der jeweiligen Anforderungen optimiert werden kann. Beim automatischen Melken müssen die Funktionsbereiche Kraftfutteraufnahme und Milchabgabe zeitgleich in der Melkbox vollzogen werden, ohne hierbei die Anforderungen an ein Euter schonendes Melken und an ein leistungs- und wiederkäuergerechtes Füttern zu missachten.

Angestrebt wird eine mittlere Melkfrequenz von 2,7 und mehr Melkungen pro Tier und Tag. Die Melkfrequenz ist jedoch abhängig von der Milchmenge, dem mittleren Minutengemelk und nicht zuletzt vom Laktationsstand. Bei hohen Milchmengen sollen die Kühe in der ersten Laktationshälfte zwischen 3 und 5 Mal täglich gemolken werden. Gegen Ende der Laktation sinkt die Melkfrequenz auf zwei und auch weniger Melkungen je Tier und Tag. Die Bereitschaft der Kuh zum Aufsuchen der Melkbox wird hierbei in erster Linie von dem Kraftfutterangebot während des Melkens gesteuert. Die Milchabgabe und damit einhergehend die Verringerung des Euterinnendrucks ist erst eine sekundäre Motivation für den Stationsbesuch. Hieraus folgt, dass die Melkfrequenz vor allem über die Kraftfuttergabe gesteuert werden kann. Dabei ergeben sich zwei Gefahrenpunkte, die in Betrieben mit automatischen Melksystemen immer wieder beobachtet werden:

  • Um hohe Milchmengen und Melkfrequenzen gerade bei frischmelken Kühen zu realisieren, werden hohe Kraftfuttermengen je Besuch bzw. je Tag zugeteilt, die eine subklinische Pansenübersäuerung bewirken können. Jedoch führt eine Pansenacidose immer zu sehr trägen Kühen mit geringer Laufbereitschaft, so dass die hohen Kraftfuttergaben genau das Gegenteil von dem bewirken, was ursprünglich angestrebt wurde.
  • Altmelkende Kühe mit geringen Milchmengen bekommen in der Melkbox fortwährend Kraftfutter als Lockfuttergabe, um die Melkfrequenz nicht zu sehr abfallen zu lassen. Es besteht die Gefahr eines Luxuskonsums mit Nährstoffüberversorgung und übermäßiger Verfettung im letzten Laktationsdrittel, woraus ein erhöhtes Risiko für Acetonämien in der Folgelaktation entsteht. Die Lockfuttergaben führen zudem zu einer unwirtschaftlichen Erhöhung des Kraftfutteraufwandes.

Neben der Melkfrequenz und der Kraftfuttermenge ist die Energiedichte der aufgewerteten Grobfutterration eine weitere Steuerungsgröße für den erfolgreichen Betrieb eines automatischen Melksystems. In Abhängigkeit der Anzahl der Futtergruppen sind differenzierte Empfehlungen zu berücksichtigen.

1.   Eine Mischration für alle laktierenden Kühe bei einer oder mehreren Melkboxen

Hier lautet die Empfehlung, die vorgelegte Mischration so zu gestalten, dass aus ihr die durchschnittliche Herdenleistung abzüglich einer Milchmenge von 4 – 8 kg erzeugt werden kann. Bei einer mittleren Herdenleistung von beispielsweise 29 kg Milch müsste die Mischration auf ein Leistungsniveau zwischen 21 und 25 kg Milch ausgerichtet werden. Die Größe der Spanne zeugt von Unsicherheit bzw. von der Schwierigkeit im richtigen Umgang mit der Rationsgestaltung beim automatischen Melken. Bei einer hohen Milchmenge aus der vorgelegten Mischration besteht für die Kuh wegen der fehlenden Kraftfuttergaben in der Melkbox wenig Anreiz zum Stationsbesuch. Die geringen Kraftfuttergaben im Melkautomat reduzieren die Gefahr von Acidosen, was vor allem für frischmelkende Kühe mit höherer Milchmenge von Vorteil ist. Eine hohe Energiedichte in der Mischration führt hingegen zu einer energetischen Überversorgung der Altmelker mit den oben bereits beschriebenen Folgen. Die Lockfuttergaben im automatischen Melksystem müssen deshalb für diese Tiere möglichst gering sein. Im Riswicker AM-System werden Altmelkern nur 0,5 kg Milchleistungsfutter je Stationsbesuch zugebilligt, womit gute Erfahrungen gemacht wurden. Eine weitere Möglichkeit zur Reduktion des Konzentratgaben in der Mischration kann darin bestehen, ein Teil des Ausgleichsfutters über die Melkbox zu verabreichen. In diesem Fall kann unter Umständen auf eine Lockfuttergabe vollständig verzichtet werden.

Wird eine deutlich niedrigere Milchmenge aus der Mischration erfüttert, lassen sich Altmelker gezielter versorgen bei gleichzeitig hohem Anreiz zum Stationsbesuch. Für die hochleistenden Tiere bedeutet dies jedoch eine hohe Aufnahme an Kraftfutter in der Melkbox mit der Folge von Acidosegefahr, deren Auswirkungen insgesamt zu reduzierter Futteraufnahme auch aus der Mischration führen. Je Stationsbesuch sollten deshalb maximal 2,0 – 2,5 kg Kraftfutter verabreicht werden, so dass bei Frischmelkern maximal etwa 7 bis 10 kg Milchleistungsfutter pro Tag gegeben werden. Über die Auswahl der Kraftfutterkomponenten im Hinblick auf Abbaurate und Abbaugeschwindigkeit im Pansen kann ebenfalls das Acidosegeschehen beeinflusst werden. Gerade bei hohen Kraftfuttergaben sind Komponenten mit reduziertem und verlangsamtem Pansenabbau zu empfehlen. Deutlich wird, dass eine Gradwanderung beschritten wird, bei der betriebsindividuelle Lösungen gefunden werden müssen. Hierbei sind die Kontrollpunkte Anzahl Melkungen, Aufnahme der Mischration sowie Kraftfutteraufwand und Kraftfutterzusammensetzung im Zusammenspiel zu optimieren.

2.   Systeme mit mehreren Melkboxen bei Bildung von Futtergruppen bei den laktierenden Kühen

Werden in einem Betrieb mehrere Melkboxen installiert, sollte gleichzeitig die Bildung von verschiedenen Futtergruppen eingeplant werden. Hierbei bietet sich die Bildung einer Hoch- und einer Niederleistungsgruppe an. Zu beachten ist, dass je nach Milchmenge unterschiedliche Kuhzahlen je Melkbox gemolken werden können. Bei einem guten Management lassen sich je Automat täglich 150 bis 180 Melkungen mit einer Tagesmilchmenge von 1.500 bis 1.800 kg erzielen. Werden die unterschiedlichen Melkfrequenzen der Frisch- und Altmelker berücksichtigt   können  etwa 55 frischmelkende Tiere je Automat versorgt werden. Wenn die Futtergruppe nur aus Altmelkern besteht, sind 75 Kühe je Melkbox zulässig. Stallbaukonzepte müssen diese unterschiedlichen Tierzahlen an den Melkboxen berücksichtigen.

Die Mischration für die Frischmelker wird auf ein Leistungsniveau von 28 bis 30 kg Milch ausgerichtet. Bei maximal 7,5 kg Kraftfutter je Tier und Tag lassen sich rechnerisch etwa 42 bis 45 kg Milch aus der Gesamtfutteraufnahme erzeugen. Bei mehr als 30 kg Milchbildungsvermögen aus der Mischration leidet die Attraktivität des Automaten, wodurch die Melkfrequenz sinkt.

Die Mischration für die niedrigleistende Futtergruppe ist auf eine Milchmenge von 18 – 20 kg auszurichten, da ansonsten der Unterschied zur Hochleistungsgruppe zu groß ausfällt. Bei maximal etwa 6 kg MLF je Tier und Tag lässt sich eine Milchmenge von 30 kg erzeugen. Bei dieser Milchmenge könnten die Tiere von der Frischmelker- in die Altmelkergruppe gegeben werden. Das Einstellen der Mischration auf nur etwa 18 bis 20 kg bewirkt keine Überversorgung und keine Verfettungsgefahr bei den Altmelkern. Durch den gezielten Kraftfuttereinsatz kann zudem das Kraftfutterkonto entlastet werden.
  

Unabhängig von der Anzahl der Futtergruppen sollte die Möglichkeit bestehen, jede Melkbox mit zwei verschiedenen Futtersorten zu beschicken, wodurch sich verschiedene Futterkombinationen ergeben. Beim Kraftfutter ist pelletiertes Futter wegen der geringeren Verschmutzung der Melkbox und der höheren Fressgeschwindigkeit gegenüber der Mehlform zu bevorzugen. Auch die Schmackhaftigkeit des Futters kann Einfluss auf die Melkfrequenz nehmen. Getreidereiche Mischungen werden immer gut aufgenommen, können aber wegen des höheren Stärkegehaltes vermehrt acidotisch wirken. Auch deshalb sind die Vorgaben bezüglich der Kraftfuttermengen unbedingt einzuhalten. Nicht abgerufene Kraftfuttermengen sollten wegen des steigenden Acidoserisikos nicht auf den Folgetag übertragen werden. Zwischen den verschiedenen Kraftfutterlieferungen sollen keine krassen Umstellungen in den Komponenten erfolgen, da dies die vorübergehende Akzeptanz des Futters beeinflusst und darüber Einfluss auf die Melkfrequenz genommen wird.

Gerade bei diesem Futter- und Melksystem sind die allgemeinen Grundsätze der Rationsgestaltung zu beachten. Dies bedeutet insbesondere

  • Grobfutterqualität optimieren
  • hohe Futteraufnahme realisieren
  • Struktur der Ration in Ordnung halten
  • Kohlenhydratversorgung beachten
  • Futterkontrolling intensivieren

Autor: Dr. Martin Pries, Claudia Verhülsdonk, Ursula Adams, Hendrik van de Sand