Wie viel Kraftfutter für Aufzuchtkälber?

Kälber

Der Einfluss unterschiedlicher Kraftfuttergaben in der Kälberaufzucht wurde in einem Fütterungsversuch im LZ Haus Riswick geprüft. Über die Ergebnisse wird im Folgenden berichtet.

In der Kälberaufzucht wird eine frühzeitige und hohe Aufnahme an Kraft- und Grobfutter gewünscht, um so die Kosten für Milchaustauschertränke zu reduzieren und eine schnelle Entwicklung des Vormagensystems zu gewährleisten. In der Praxis werden Kraftfuttermengen von einem bis zwei kg je Kalb und Tag gegeben. Hier stellt sich die Frage, welches Niveau im Hinblick auf Wachstum und Entwicklung der Kälber optimal ist. Des Weiteren ist bisher nicht bekannt, ob die unterschiedlichen Kraftfuttermengen das Wachstum und das Leistungsvermögen zentraler Stoffwechselorgane wie Verdauungstrakt und Leber beeinflussen. Es fragt sich, ob bei einer intensiven Aufzucht das Leistungsvermögen der Stoffwechselorgane im gleichen Maße zunimmt wie die Körpermasse der Tiere oder ob es hier zu Unterschieden im Wachstum kommt.

So wurde vorgegangen:

Zur Beantwortung der Fragen wurde im Landwirtschaftszentrum Haus Riswick ein Fütterungsversuch mit zwei Gruppen zu je 18 HF-Kälbern über 150 Tage von September 2007 bis Januar 2008 durchgeführt. Nach etwa fünf Lebenstagen in Einzelhaltung und Biestmilchversorgung erfolgte die Gruppenaufstallung. Die beiden Gruppen wurden wechselweise aufgefüllt, bis die angegebenen Gruppengrößen erreicht waren. Hinsichtlich Geschlecht und Anzahl der Kälber aus Erst- und Mehrkalbskühen wurden die Gruppen möglichst gleich gehalten. Der Milchaustauscher wurde tierindividuell über einen Tränkeautomaten nach folgendem Plan verabreicht:

Tag Tränkemenge in l
1 5
2. – 20. 6
21. – 40. abnehmend von 6 auf 4
41. – 60. abnehmend von 4 auf 2
61. – 70. abnehmend von 2 auf 0

Die Tränkekonzentration betrug 110 g Milchaustauscher je l Wasser. In beiden Gruppen wurde das Kälberkraftfutter tierindividuell über eine Transponderfütterung vorgelegt. In der Gruppe 1 erhielten die Kälber eine maximale Kraftfuttermenge von einem kg je Tier und Tag. In der Gruppe 2 wurden höchstens zwei kg pro Tier pro Tag verabreicht. Das Kraftfutter bestand zu je 35 % aus Gerste und Weizen sowie zu 15 % aus Sojaextraktionsschrot, 10 % aus Leinexpeller, 4 % aus Mineralfutter und 1 % aus Sojaöl. Die Mischung enthielt 185 g Rohprotein und 13,3 MJ umsetzbare Energie (ME) je kg Trockenmasse (TM).

Der Verbrauch an Milchaustauscher und Kraftfutter wurde täglich tierindividuell erfasst. Die Aufnahme an Grobfutter wurde als Gruppenmittel je Tag gemessen. Am 35., 70., 112. und 150. Versuchstag wurden die Kälber gewogen. An diesen Tagen wurden zusätzlich Blut-, Harn- und Kotproben zwecks Untersuchung auf Stoffwechselparameter entnommen.

Welche Ergebnisse wurden erzielt?

Der Versuch verlief störungsfrei. Es wurden keine Erkrankungen der Atemwege oder des Verdauungstraktes beobachtet. Alle Tiere konnten in die Auswertungen einbezogen werden. Die zugeteilten Tränkemengen wurden in beiden Futtergruppen problemlos abgerufen. In Gruppe 1 beträgt der Verbrauch an Milchaustauscher für die gesamte Periode 29,2 kg je Tier und in Gruppe 2 29,1 kg. Über den Verzehr an Kraftfutter im Versuchsverlauf informiert die Abbildung 1. Etwa bis zum 45. Tag werden gleiche Aufnahmen an Kraftfutter festgestellt. Gruppe 1 erreicht die zugeteilte maximale Kraftfuttermenge von einem kg etwa am 55. Versuchstag. Die Tiere in Gruppe 2 haben die maximal zugeteilten Mengen von zwei kg ab dem 90. Versuchstag abgerufen.

In der ersten Aufzuchthälfte (bis 70. Versuchstag), in der die Nährstoffversorgung überwiegend über gleiche Mengen an Milchaustauschertränke erfolgt, ergeben sich keine unterschiedlichen Wachstumsleistungen zwischen den Gruppen (Abbildung 2). Bis zum 35. Versuchstag liegen die täglichen Zunahmen etwas unter 400 g, im Abschnitt 36. bis 70. Tag werden täglich deutlich mehr als 800 g zugenommen. In der zweiten Aufzuchthälfte (71. bis 150. Versuchstag) zeigen die Tiere der Gruppe 2 mit über 1.000 g / Tag deutlich höhere Zuwachsleistungen als die Kälber der Gruppe 1, die etwa 820 g tägliche Zunahmen erzielen. Am 150. Versuchstag unterscheiden sich die Lebendmasse der beiden Futtergruppen um 13 kg (Gruppe 1: 161 kg, Gruppe 2: 174 kg).

Die Tabelle 1 zeigt die Trockenmasseaufnahme von Milchaustauscher sowie Kraft- und Grobfutter für die beiden Futtergruppen während der gesamten Aufzucht. Die Tiere der Gruppe 2 haben einen um 75 kg höheren Kraftfutterverzehr als die Kälber der Gruppe 1. Die Grobfutteraufnahme ist dagegen 45 kg geringer, so dass zwischen Gruppe 1 und 2 ein Unterschied in der Gesamtfutteraufnahme von 30 kg TM zugunsten der Gruppe 2 besteht.

Die mittleren Nährstoffaufnahmen je Tier und Tag werden ebenfalls in der Tabelle 1 dargestellt. Die Tiere der Gruppe 2 haben eine höhere Futteraufnahme. Aufgrund der bestehenden Unterschiede in den Protein- und Energiegehalten je kg TM ergeben sich deutliche Differenzen in den täglichen Aufnahmen an Rohprotein und Energie zugunsten der Gruppe 2. Ein Vergleich mit den Versorgungsempfehlungen der Gesellschaft für Ernährungsphysiologie (GfE 1997) zeigt, dass die Tiere der Gruppe 1 in etwa für Tageszunahmen von 800 g und die Kälber der Gruppe 2 für tägliche Zunahmen von über 1.000 g versorgt waren. Je kg Zuwachs werden in beiden Gruppen vergleichbare Mengen an Rohprotein und Energie aufgenommen.

Die untersuchten Stoffwechselparameter aus den Blut-, Harn- und Kotproben ergaben keine Unterschiede zwischen den Gruppen, so dass von einer vergleichbaren Belastung der zentralen Stoffwechselorgane ausgegangen werden kann.

Wie viel Kraftfutter bei TMR-Mischungen?

Aus Gründen der Arbeits- und Kostenreduktion erhalten die Aufzuchtkälber in vielen Betrieben eine Totale Mischration (TMR), die ursprünglich für die laktierenden Kühe konzipiert wird. Es fragt sich, ob in solchen TMR-Mischungen ähnliche Grobfutter-Kraftfutterrelationen wie in der Futtergruppe 2 des vorliegenden Versuchs erreicht werden. In der Futtergruppe 2 besteht auf Basis der Trockenmasse die Aufnahme an festen Futterstoffen zu 45 % aus Kraftfutter und zu 55 % aus Grobfutter. In einer aufgewerteten Mischration für Milchkühe, ausreichend zur Deckung des Nährstoffbedarfs für Erhaltung zuzüglich beispielsweise 25 kg Milch, beträgt das Kraftfutter-Grobfutterverhältnis bei guten Grobfutterqualitäten etwa 25 : 75 auf Basis der TM. Für eine intensive Kälberaufzucht mit hohen Tageszunahmen sind solche Kuhrationen aufgrund des geringen Kraftfutteranteils nicht geeignet. Hier sollte gerade bei den jungen Kälbern zusätzlich zu der TMR täglich 1 kg Kraftfutter verabreicht werden.

Ein anderes Bild ergibt sich, wenn eine TMR-Mischung für hochleistende Milchkühe an die Aufzuchtkälber verabreicht wird. In solchen Rationen liegt das Kraftfutter:Grobfutterverhältnis in aller Regel in vergleichbaren Größenordnungen wie in der Futtergruppe 2, so dass hierüber das Wachstumspotential der Kälber gut ausgeschöpft werden kann.

Fazit:

Im Vergleich zum Einsatz von 1 kg Kraftfutter pro Tier und Tag führt eine tägliche Kraftfuttergabe von 2 kg in der Kälberaufzucht zu

  • einer um 75 kg TM erhöhten Kraftfutteraufnahme bis zum 150. Aufzuchttag. Die Aufnahme an Grobfutter ist um 45 kg TM verringert,
  • um Ø 13 kg höheren Lebendmassen,
  • einem Anstieg der täglichen Zunahme von etwa 800 g auf gut 1.000 g im Altersabschnitt 75. – 150. Tag.

Ursächlich für die bessere Wachstumsleistung ist die verbesserte Rohprotein- und Energieaufnahme. Die Stoffwechselparameter lassen keine systematische Beeinflussung der Stoffwechselleistung zentraler Organe durch die unterschiedlichen Kraftfuttergaben erkennen. Um das Wachstumspotential der Aufzuchtkälber optimal zu nutzen, sollten in der Praxis 2 kg Kraftfutter pro Tier und Tag verabreicht werden. Totale Mischrationen, die für laktierende Kühe konzipiert sind, erfüllen nur dann die Anforderung hinsichtlich des Kraftfutter-Grobfutterverhältnisses, wenn sie die Nährstoffversorgung hoch leistender Milchkühe mit etwa 35 kg Tagesmilchmenge sicherstellen. Werden aufgewertete Kuh-Mischrationen für etwa 25 kg Milchleistung an Kälber verfüttert, sollte zusätzlich noch etwa 1 kg Kraftfutter je Tier und Tag verabreicht werden.

Autoren:

Dr. Martin Pries, Hendrik van de Sand, Annette Menke Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen
Dr. Jayant Lohakare, Katrin Gerlach, Prof. Dr. Karl-Heinz Südekum – Institut für Tierwissenschaften der Uni Bonn