Bundesfachtagung der Gehegewildhalter 2018 in Billerbeck

Damwild

Vom 13. - 15. April 2018 trafen sich knapp 90 Gehegewildhalter aus ganz Deutschland in Billerbeck zur jährlichen Bundesfachtagung. Dieses Jahr wurde die Fachtagung durch den Landesverband der nordrhein-westfälischen Gehegewildhalter ausgerichtet und fand im Hotel Weißenburg in Billerbeck statt.

Am Freitag begann die Bundesfachtagung mit der Mitgliederversammlung und einem gemütlichen Abend. Am Samstag fand dann die Fachtagung unter dem Thema „Marketingstrategien in der Direktvermarktung von Hirschfleisch und Fleischprodukten aus der Gehegewildhaltung“ statt. Die örtlichen Jagdhornbläser Hubertus Coesfeld begrüßten die Teilnehmer mit den Signalen zum Rothirsch, Damhirsch und dem Wildschwein. Karl-Heinz Funke, Vorsitzender des Bundesverbandes, eröffnete die Fachtagung und freute sich, dass die Tagung wieder in Nordrhein-Westfalen stattfindet. Zum einen feiert der Landesverband dieses Jahr sein 40jähriges Bestehen und Nordrhein-Westfalen war auch schon immer Vorreiter in der Damtierhaltung. Seit 1973 wird auf Haus Riswick der Landwirtschaftskammer NRW ein Gehege mit Damtieren geführt. An die Landwirtschaftsministerin Christina Schulze Föcking hatte Karl-Heinz Funke zwei Forderungen: Zum einen der Bürokratieabbau, der die Gehegewildhalter immer mehr belaste und zum anderen eine deutliche Unterstützung beim Thema Wolf. Die Ministerin war für ein Grußwort zur Fachtagung erschienen und griff die Forderungen direkt auf und betonte, dass Sie die Punkte auf der nächsten Agrarministerkonferenz vortragen wird. Christina Schulze Föcking bekannte sich zur Weidehaltung in NRW und möchte alle Tierhalter unterstützen, die mit Weidetieren die wertvollen Kulturflächen pflegen und erhalten. Der bestehende Wolfsmanagementplan in NRW soll aktualisiert werden und dabei auch eng mit den Wolfsberatern und der Jägerschaft zusammengearbeitet werden. Die Ministerin wünschte den Teilnehmern eine spannende Fachtagung mit kreativen und innovativen Ideen, die gerade für die Direktvermarktung ein wichtiger Punkt sind. Nach weiteren Grußworten des Präsidenten der Landwirtschaftskammer NRW, Karl Werring, des Präsidenten des WLV, Johannes Röring, des Vizepräsidenten des RLV, Paul-Christian Küskens und der Bürgermeisterin von Billerbeck, Marion Dicks, begann der fachliche Teil des Tagungstages.

Frau Dr. Landeck vom MKULNV referierte zum Thema „Hygienerechtliche Vorschriften für die Schlachtung und Vermarktung von Farmwild“. Anschaulich fasste die Referentin noch einmal die Möglichkeiten der Schlachtung in einem Gehege zusammen. Zum einen gibt es die Variante der Hausschlachtung, bei der eine Lebendbeschau der Schlachttiere nicht vorgeschrieben ist. Dennoch muss die Schlachtung beim Veterinäramt angezeigt werden und eine Fleischbeschau der Schlachtkörper ist verpflichtend. Fleisch aus einer Hausschlachtung darf nur für den eigenen Verzehr genutzt werden und eine Weitergabe, auch innerhalb der Familie, ist nicht erlaubt. Für die meisten Gehegewildhalter ist der Fleischverkauf die Haupteinnahmequelle und deswegen gelten andere Regelungen. Zur Vereinfachung wurde 2006 mit dem Hygienerecht eine 28-Tage-Regelung eingeführt für Gehege mit einem geringen Produktionsvolumen von max. 50 Schlachttieren im Jahr. Dies bedeutet, dass der Veterinär eine Herdenbegutachtung durchführt und eine Gesundheitsbescheinigung für die Schlachttiere ausstellt. Mit dieser Bescheinigung können innerhalb von 28 Tagen Tiere aus dem Gehege geschlachtet werden, wenn der Gehegewildhalter bzw. der mit dem Schlachten Beauftragte einen Lehrgang zur „kundigen Person“ absolviert hat. Dieser Lehrgang ermöglicht den Gehegewildhaltern die Lebendbeschau direkt vor dem Abschuss selbst durchzuführen und der Amtsveterinär muss nicht bei jedem Abschuss dabei sein. Bei dieser Variante ist jedoch nur eine nationale und keine EU-weite Vermarktung möglich. Ist keine „kundige Person“ im Betrieb vorhanden, muss die Lebendbeschau durch einen zuständigen Veterinär erfolgen. Frau Dr. Landeck wies daraufhin, dass die aktuellen Regelungen überarbeitet werden und Ende 2019 auslaufen werden. Wie danach das Hygienerecht durch die EU geregelt wird, ist bisher noch unklar. In der anschließenden Diskussion zeigte sich, dass die meisten Teilnehmer sehr unzufrieden mit der 28-Tage Regelung sind. Die meisten Gehegewildhalter haben den Tageslehrgang „kundige Person“ absolviert und trotzdem muss jedes Mal eine Begutachtung der Herde durch einen zuständigen Veterinär erfolgen, die dann auch nur 28 Tage gilt. Viele der betroffenen sehen darin nur eine Gebühreneinnahme und fühlen sich gegenüber den Jägern, die Wildfleisch mit deutlich weniger Aufwand vermarkten dürfen, benachteiligt.

Einen weiteren Vortrag zu den gesetzlichen Vorgaben, hielt Janine Rech vom Landservice der Landwirtschaftskammer NRW. Sie führte die gesetzlichen Vorgaben zur Kennzeichnung von Fleisch und Fleischprodukten aus. Laut einer Studie lesen über 60 % der Verbraucher das Etikett auf Lebensmitteln. 25 % von Proben aus verschiedenen Produktbereichen sind auffällig und darauf entfallen etwa die Hälfte auf Mängel in der Produktkennzeichnung. In Ihrem Vortrag ging die Referentin auf die Lebensmittelinformationsverordnung ein, die seit Dezember 2014 die Kennzeichnung regelt. Die Regelungen dienen dem Verbraucher- und Gesundheitsschutz und ermöglichen auch den Produzenten, sich von anderen Waren abzusetzen. Janine Rech wies daraufhin, dass es für Wildfleisch keine gesetzlich vorgegebenen Verkehrsbezeichnungen gibt. Die Wildhalter können ihre Produktbenennung also frei gestalten und kreativ sein. Dennoch muss bei gewissen Bezeichnungen wie z.B. Leberwurst auch mind. 50 % Leber oder bei Hirschsalami 100 % Hirsch enthalten sein. Der Schwerpunkt des Vortrages lag auf der richtigen Gestaltung des Etiketts. Dieses muss im Sichtfeld auf jeden Fall die Verkehrsbezeichnung des Produktes sowie die Mengenkennzeichnung und den Alkoholgehalt enthalten. Ein Mindesthaltbarkeitsdatum oder bei empfindlichen und leicht verderblichen Produkten ein Verbrauchsdatum muss auf dem Produkt angegeben werden. Ebenso muss für den Kunden erkennbar sein, dass das Produkt eingefroren war und wann es aufgetaut wurde. Weiterhin müssen die Zutaten aufgelistet werden und Allergene gesondert gekennzeichnet werden (z. B. fett oder in einer anderen Schriftfarbe). Gerade bei weiterverarbeiteten Produkten gibt es einige Vorgaben, die auf dem Etikett angegeben werden müssen. Janine Rech riet den Direktvermarktern dabei sich beraten zu lassen und die entworfenen Etiketten mit dem Veterinäramt abzustimmen, um im Nachhinein keine bösen Überraschungen zu erleben. Für die Vermarktung der Produkte in Onlineshops gelten gesonderte Bedingungen, so die Referentin. Hier muss der Kunde vor Kauf des Produktes die Nährwertangaben und Zutatenliste mit möglichen Allergenen einsehen und sich informieren können. Allerdings spielen Onlineshops in der Gehegewildhaltung bisher noch eine untergeordnete Rolle.

Das war der Stichpunkt für Prof. Claudius Schmitz von der westfälischen Hochschule Gelsenkirchen, der den Gehegewildhaltern mit seinem Vortrag Appetit auf neue Marketingstrategien machen wollte. Zu Beginn stellte Prof. Schmitz die aktuellen Trends im Marketing vor. Zum einen wird die Werbung immer personalisierter und auf die Kunden abgestimmt. Die Unternehmen haben ein großes Interesse daran Kunden- und Nutzungsdaten zu sammeln. Zudem nehmen die „Smart Services“ immer mehr zu. WLAN ist heute selbstverständlich und mit Siri und Alexa wird heute selbstverständlich kommuniziert. In der Gesellschaft kristallisieren sich „Lohas“ (Lifestyle of Health and Sustainability) heraus. Mit diesem Begriff werden laut Schmitz, Menschen beschrieben, die einen gesunden und nachnachhaltigen Lebensstil pflegen und Work-Life-Balance und Lebensfreude sind sehr wichtig. Diese Personengruppe ist meist mittleren Alters, hat ein hohes Einkommen und ernährt sich bewusst und möchte hochwertige Lebensmittel einkaufen. Gerade diese Zielgruppe ist für Einkaufe auf dem Bauernhof und die Direktvermarktung interessant. Jedoch gab Prof. Schmitz zu bedenken, dass die Gehegewildhalter sich dann auch mit Ihrer Werbung und Präsenz auf diese „Lohas“ einstellen müssen. Für diese Zielgruppe sind freudige und spaßige Botschaften mit Werbung die Lebensfreude vermitteln der richtige Weg, denn an das Portemonnaie käme man nur über das Herz. Er riet den Gehegewildhaltern „Wild“ als Marke zu verkaufen. Dazu müsse mehr Aufmerksamkeit erreicht werden durch ausgefallene Werbung, Kochevents und Präsenz auf Wochenendveranstaltungen. Mit dieser Marke sollten die Kernkompetenzen des Wildfleisches aufgezeigt werden und die saisonale, begrenzte Verfügbarkeit sieht Prof. Schmitz sogar als Vorteil, ähnlich wie z.B. Mon Cherié. Weiterhin sind mittlerweile eine ansprechende Homepage und Social Media wie Facebook Standard. Da ist sein Rat dort ansprechende Bilder und abwechslungsreiche Rezepte anzubieten, Foodblogs zu kreieren und der Gehegewildhaltung ein Gesicht zu geben, in dem man die verschiedenen Betriebe vorstellt, Einblicke in die Abläufe gibt und Geschichten der Höfe darlegt. Darüber wird dann Vertrauen zu den Konsumenten aufgebaut. Um die Kunden überhaupt erst einmal auf den Geschmack von Wildfleisch zu bekommen, ist es wichtig Präsenz auf verschiedenen Veranstaltungen zu zeigen und immer wieder kleine Kostproben anzubieten. Prof. Schmitz zeigte in seinem anschaulichen und lebhaften Vortrag, wo noch Potentiale für die Gehegewildhalter stecken. Dies bedeutet viel Arbeit, die nicht allein von den einzelnen Gehegewildhaltern geleistet werden kann. Hier ist auch der Bundesverband der Wildhalter gefordert, der die übergeordnete Arbeit für das Kreieren einer Marke und Werbemaßnahmen durchführen könnte.

Im Anschluss berichtete Dr. Hanno Vianden von der PARTA Euskirchen über die ordnungsgemäße Buchhaltung. Diese ist so zu führen, dass ein sachverständiger Dritte sich in einer angemessenen Zeit einen Überblick über die Finanzen des Betriebes machen kann, führte der Steuerberater aus. Alle Vorfälle in der Buchhaltung müssen zeitnah, d.h. innerhalb von 10 Tagen, erfasst werden. Es reicht also nicht aus, Kontoauszüge nur alle halbe Jahre mal abzurufen. An dieser Stelle wies Dr. Vianden auf ein sehr wichtiges Detail hin. Die Betriebe müssen Eingangs- und Ausgangsrechnungen so ablegen, wie sie die erhalten haben. Das heißt im Klartext, erhält man eine digitale Rechnung, so muss diese auch digital abgespeichert werden. Es reicht nicht, diese auszudrucken und nicht abzuspeichern. Dann liegt keine ordnungsgemäße Buchhaltung mehr vor. Dies betrifft auch Rechnungen, die in Word geschrieben werden. Die Originaldatei muss abgespeichert und auffindbar sein. Der Experte riet den Gehegewildhaltern auf dieses wichtige Detail zu achten. Im Weiteren ging der Referent auf die verschiedenen Kassenmodelle ein. Für kleine Betriebe mit wenig Barvorfällen eignen sich „offene Ladenkassen“. Die Vorfälle werden nicht einzeln aufgeführt und es werden keine Bons oder Quittungen erstellt. Über den Kassenbericht werden die Tageseinnahmen rechnerisch ermittelt, wobei immer vom Tagesendbestand ausgehend zurück gerechnet wird. Früher wurden oft Monatsberichte angefertigt, diese sind jedoch nicht mehr zulässig. Heute müssen Tagesberichte der Kasse angefertigt werden. Eine neue Regelung ergibt sich bei Registrierkassen. Ältere Kassen, bei denen der Speicher täglich gelöscht wird, durften nur noch bis Ende 2016 eingesetzt werden. Seit diesem Datum müssen die Kassen einen Speicher haben, der alle Daten speichert so lange wie die Aufbewahrungspflicht ist. Dr. Vianden empfahl den Gehegewildhaltern zu Hause zu prüfen, welche Kasse eingesetzt wird. Eine gesetzliche Pflicht zur Nutzung einer Registrierkasse gebe es nicht. Da sich eine Neuanschaffung für die wenigsten Betriebe rechnet, könne man auch wieder zur offenen Ladenkasse zurückkehren.

Den Abschluss der Fachvorträge bildete ein Referat von Herrn Laban, Vorsitzender des Bundesverbandes der österreichischen Gehegewildhalter. In Österreich gibt es derzeit 1.700 Wildhaltungen und davon sind 1.000 Gehegewildhalter auch Mitglied im Verband. Herr Laban stellte ein Förderungsvorhaben des Landes Österreichs vor, mit dem das Marketing und Öffentlichkeitsarbeit für Gehegewildhaltung finanziert werden soll. Das Land Österreich fördert den Verband über ein regionales Förderprogramm mit 100.000 € in den nächsten drei Jahren. Damit wird der Aufbau einer modernen Homepage des Verbandes finanziert, die einmal für die Gehegewildhalter ein Anlaufpunkt mit Fachinformationen zur Gehegewildhaltung, Fütterung und Produktion sein soll. Weiterhin sollen sich dort auch Verbraucher über die Produktionsabläufe, verschiedenen Produkte und Möglichkeiten von Verkaufsstellen informieren können. In Österreich werden im Schnitt 0,7 kg Wild pro Kopf und Jahr verzehrt. Davon werden ca. 50 % aus Importen, überwiegend aus Neuseeland, gedeckt. Die anderen 50 % stammen aus der heimischen Jagd und Gehegewildhaltung. Der Verband hat sich zum Ziel gesetzt, die Bürger zu animieren, zusätzlich noch einmal mehr Wild pro Jahr zu essen. Dazu sollen verschiedene Werbemaßnahmen ins Leben gerufen werden, Kochshows und Schulungen für Verbraucher veranstaltet werden. Genauso sollen die Gehegewildhalter in der Produktkunde, Zerlegung und Weiterverarbeitung geschult werden, um ein hochwertiges Produkt anbieten zu können. Mit einheitlichen Logos und Verpackungen soll eine Marke kreiert werden. Die Teilnehmer der Fachtagung waren begeistert von den Ideen und Umsetzungen des österreichischen Bundesverbands und wünschten sich diese Möglichkeiten hier in Deutschland ebenfalls.

Der Tagungstag endete mit einem festlichen Abendessen und einer kurzen Darbietung der regionalen Kiepenkerle. Am Sonntag konnten noch zwei Gehege besichtigt werden, eh alle Teilnehmer die Heimreise antraten.