Kälberweide: Weiden will gelernt sein

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Regelmäßiger Weidegang fördert Tierwohl und Tiergesundheit. Auf der Weide haben die Kälber Bewegung, ausreichend Sonnenlicht als Voraussetzung für die Bildung von Vitamin D zur Knochenbildung und somit zur Förderung gesunden Wachstums. Sie können ihr arteigenes Verhalten unter Gleichaltrigen in der Gruppe in idealer Weise ausleben und lernen bereits sehr früh Weidefutter zu fressen. Die Weide bietet Platz und einen griffigen Boden bei entsprechender Witterung.

Weidegang für Biokälber

Da Weidegang für Kälber nach der dreimonatigen Aufzuchtphase in der EU-Öko-Verordnung als Freigeländezugangsform gegenüber Laufhöfen eindeutig priorisiert wird, muss im Grunde jeder ökologisch wirtschaftende Betrieb die Realisierbarkeit prüfen. Weidegang, frische Luft und Sonnenlicht/UV-Strahlen bieten den Tieren besonders tiergerechte Bedingungen. Der Bewegungs- und Spieldrang der jungen Tiere kann bestens gelebt werden. Wegen des relativ geringen Flächenbedarfs und Tiergewichts ist das Angebot von stallnahen Kälberweiden in der Praxis häufig einfach umzusetzen. Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass gesunde Tiere schon zum Ende der ersten Lebenswoche von einem freien Zugang zu Weideflächen profitieren, unabhängig von der Jahreszeit. Wichtig sind entsprechend trockene Witterungsbedingungen ohne Wind- und Sturmböen sowie abgetrocknete Weideböden. Neben einem eingestreuten und geschützten Liegebereich in Stall, Iglu oder Hütte muss im Winter selbstverständlich Zugang zu beheizbaren Tränken für eine frostfreie Wasserversorgung bestehen. Die Zufütterung von Heu kann ad libitum, ggf. über einen Futterspielball (Foto) witterungsgeschützt im Stall erfolgen. Ebenso können neben der Milchtränke Trockenmischrationen im Stall angeboten werden. Die sehr zeitige Weidefutteraufnahme bei Milchkälbern fördert die Weidegewöhnung ideal und ist Voraussetzung für hohe Weidefutteraufnahmen und Zuwachsleistungen auf der Weide bei heranwachsenden Kälbern und Jungrindern.

Weidegewöhnung anstreben

Ein aktuelles Weideprojekt im Ökobetrieb Haus Riswick mit Weidekälbern ab 4. Lebensmonat gibt Hinweise auf die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Weidegewöhnung. Nach abrupter Umstellung von Kälberaufzuchtphase mit Milchversorgung und bedarfsgerechtem Fütterungsangebot auf Weidegang ohne Zufütterung im Jahr 2019 stagnierten die Zuwachsleistungen und gingen tierindividuell phasenweise sogar zurück. Im Durchschnitt der beiden Weidejahre 2018/19 konnten 770 g Tageszunahmen je Weidetier erzielt werden (Tabelle 1). Das deutet darauf hin, dass das Fressen des Weideaufwuchses qualitativ hochwertiger Kälberweiden im System der Kurzrasenweide zunächst „gelernt sein will/muss“. Versuchsergebnisse aus den Weidejahren 2015-17 bestätigen Tageszunahmeleistungen von mittleren 800 g je Tier während der gesamten Weideperioden nur durch Weidegang ohne Zufütterung, allerdings nach kontinuierlicher Weidegewöhnung der Kälber (Tabelle 1). Dabei hat sich das System der Kurzrasenweide mit seinen qualitativ hochwertigen, energiereichen und hoch verdaulichen Gräsern und Weißklee für die Kälberaufzucht sehr bewährt. Um die Umstellung der Tiere auf das Weidefutter zu erleichtern, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wird den Kälbern bereits während der dreimonatigen Aufzuchtperiode Weidezugang gewährt, so dass sie bereits sehr früh lernen, Weideaufwuchs (Gräser und Klee) zu fressen oder aber der Übergang gestaltet sich kontinuierlich, indem die Absetzkälber zunächst für eine Übergangsphase im Rahmen der Halbtagsweide neben dem Weidegang auf der Kurzrasenweide noch einen Zufutter-Anteil (Mischration der laktierenden Kühe) im Stall erhalten. Bei 150 – 200 kg schweren Kälbern sollten dann etwa 1,5 – 2 kg TM-Aufnahme je Tier über eine Mischration im Stall erfolgen; die andere Hälfte sollte dann aus Weidefutteraufnahme geleistet werden. Ein zu großes Futterangebot im Stall wirkt kontraproduktiv – ist ergo nicht Ziel führend, da dann die Gefahr einer zu geringen Weidefutteraufnahme besteht mit der Folge des fehlenden Lern- und Gewöhnungsprozesses der Kälber an die Weide und außerdem ein gutes Management der Kurzrasenweide mit allen Vorteilen fehlt.

Tab. 1:   Mittlere Tageszunahmen während der Weideperioden 2015-17 sowie 2018-19, g/Tier/Tag, Ökobetrieb Haus Riswick

Mittlere Tageszunahmen während der Weideperioden 2015-17 sowie 2018-19, g/Tier/Tag, Ökobetrieb Haus Riswick

Autor: Anne Verhoeven, LWK Nordrhein-Westfalen, VBZL Haus Riswick, Kleve