Vorweide fördert Weidenarbe und Milchleistung
Unter der „Vorweide“ versteht man die stundenweise Beweidung einer noch nicht weidereifen Weide im zeitigen Frühjahr. Die Kühe erhalten während der Vorweidezeit die Winterration im Stall und gewöhnen sich kontinuierlich an das energiereiche, hoch verdauliche Weidefutter.
Bei frühlingshaften Temperaturen im März erwärmt sich der Boden und die ersten Weidefutterpflanzen beginnen zu wachsen und zarte Triebe zu bilden. Dann ist es Zeit mit der Vorweide zu beginnen. Die Zuwächse sind noch spärlich, doch die Weidetiere fressen im Rahmen der stundenweisen Vorweide die ersten grünen Triebe und Spitzen und regen dabei die Bestockung der Gräser ideal an. Narbendichte und Trittfestigkeit werden gefördert und die Weideflächen werden optimal auf die anstehende Weidesaison vorbereitet. Eine sehr zeitige Vorweide begünstigt die schmackhaften Weidegräser mit hohem Futterwert, bekämpft unerwünschte Arten und unterstützt die physiologische Gewöhnung der Weidetiere an die neue Futterkomponente „Frischgras“. Außerdem zeigen Versuche aus Irland, dass Verdaulichkeiten des Weideaufwuchses, Trockenmasseaufnahmen und daraus resultierende Milchleistungen auf vorgeweideten Weideflächen vergleichsweise höher ausfallen. Was auf Vollweidebetrieben seit langem praktiziert wird und funktioniert, eignet sich auch für Halbtags- und Siesta-Weidebetriebe.
Empfehlungen für eine erfolgreiche Vorweide
- Zeitiger Start der Vorweide direkt nach Vegetationsbeginn, nach dem Ergrünen, wenn die Weideflächen tragfähig sind. Der frühe Tritt und Biss der Weidetiere regt die Weidegräser zu starker Seitentriebbildung an. Dadurch wird die Grasnarbe deutlich dichter, die Erträge in den Ernteaufwüchsen werden stabiler und die Futterqualität der jungen Weide wird positiv beeinflusst. Der sich sehr zeitig entwickelnde Wiesenfuchsschwanz und frühe Kräuter wie Löwenzahn werden im Wuchs gebremst. Die Rosettenblättchen des Ampfers zeigen sich bereits ganz früh nach Vegetationsbeginn und werden im Rahmen der Vorweide gern gefressen und somit geschwächt, so dass die Maßnahme der frühen Vorweide die unerwünschten Ampferpflanzen sehr gut bekämpft.
- Erfahrungsgemäß richten die Kühe bei früher Weide auf nassen Flächen weniger Schaden an als die Pflegetechnik. Auch deshalb ist es günstig, zeitig mit der Vorweide zu beginnen und erst danach die Frühjahrsweidepflege (schleppen, walzen) durchzuführen; dann sind auch die Kotfladen auf den geplanten Schnittflächen gleich wieder verteilt.
- Die Phase der Vorweide ist auf Weideflächen mit Maulwurfshaufen und lückigen Narben optimal für eine gezielte Nach- oder Übersaat mit der Qualitätsstandardmischung GV mit oder ohne Weißklee, da der bestehende konkurrierende Weideaufwuchs von den Kühen kurz gehalten wird, die Nachsaat dann zügig keimen, wachsen und sich etablieren kann und sich so unbefriedigende Bestände erstaunlich schnell in dichtere und ertragreichere Weidebestände verwandeln werden. Natürlich ist es ratsam, möglichst alle Weiden von der Vorweide profitieren zu lassen.
- Die Vorweide pflegt nicht nur den Pflanzenbestand, auch die Kühe profitieren davon: Mit einem relativ geringen Tierbesatz werden die Weiden großflächig stundenweise überweidet. Dabei bringt die Vorweide zwar noch keine großen Futtermengen, aber die Fütterungsumstellung verläuft kontinuierlich, da die Kühe im Stall noch mit der Winterfutterration versorgt werden und die jungen Gras- und Krauttriebe auf der Weide zusätzlich fressen. Nicht nur in dieser Phase der gleitenden Futterumstellung steigt die Milchleistung erfahrungsgemäß an; Versuche des Wissenschaftszentrums Moorepark in Irland bescheinigen der Grasnarbe während und nach der Vorweide eine höhere Dichte und Qualität (höherer Blattanteil), so dass die Trockenmasseaufnahme und daraus resultierende Milchleistungen aus Weideaufwuchs signifikant gesteigert werden konnten. Zudem wies der nach Vorweidenutzung nachgewachsene Weideaufwuchs einen höheren Rohproteingehalt und eine bessere Verdaulichkeit der organischen Substanz auf.
Autor: Anne Verhoeven, LWK Nordrhein-Westfalen, VBZL Haus Riswick, Kleve