Auf die Weide. Fertig. Los!

Vorweide 2022

 Vorteilhafte Vorweide

Die angestrebte Temperatursumme im Frühjahr von 200 Grad Celsius ist am Niederrhein aktuell erreicht. Wenn die Weideflächen dann ausreichend abgetrocknet sind, kann mit der so genannten Vorweide begonnen werden.

  • Vorweide vor maschineller Pflege: Das frühe Überweiden setzt zwar eine ausreichende Abtrocknung der Flächen voraus, gleichwohl ist die Weidenutzung eher möglich als das Befahren mit schwerem Gerät. Die maschinelle Frühjahrsweidepflege (schleppen, striegeln, walzen, Nachsaat) erfolgt nach der Vorweide; in dem Zuge werden die Kotfladen auf den geplanten Schnittflächen für den gewünschten Rotteprozess gleichmäßig verteilt.
  • Gezielte Nachsaat: Auf Weideflächen mit Maulwurfshaufen und lückigen Narben passt eine gezielte Nach- oder Übersaat perfekt zur Vorweide, denn die weidenden Kühe und Rinder halten den bestehenden konkurrierenden Weideaufwuchs kurz. Die Nachsaat, idealerweise eine Qualitätsstandardmischung G V mit oder ohne Weißklee, kann zügig keimen und sich etablieren. So verwandeln sich unbefriedigende Bestände erstaunlich schnell in dichte und ertragreiche Weiden. Natürlich ist es ratsam, möglichst alle Weiden von der Vorweide profitieren zu lassen.
  • Kontinuierliche Futtergewöhnung - gut für Tiergesundheit und Leistung: Ein relativ geringer Tierbesatz verteilt sich stundenweise großflächig auf den Weiden. Dabei bringt die Vorweide zwar noch keine großen Futtermengen, aber die Fütterungsumstellung verläuft kontinuierlich, da die Kühe im Stall noch mit der Winterfutterration versorgt werden. Die Tiere fressen die ersten jungen Gras- und Krauttriebe auf der Weide zusätzlich. Nicht nur in dieser Phase der gleitenden Futterumstellung geben die Kühe erfahrungsgemäß mehr Milch. Wissenschaftliche Versuche aus Irland bescheinigen der Grasnarbe während und nach der Vorweide eine höhere Dichte und Qualität. So fressen die Tiere während dieser Zeit insgesamt mehr Trockenmasse, was die Milchleistungen aus Weideaufwuchs signifikant steigert. Zudem enthielt der Aufwuchs nach der Vorweide mehr Rohprotein und war besser verdaulich. Die Umstellung von der Winterfütterung auf die Frühjahrsweide bedeutet außerdem eine deutliche Veränderung der Futterzusammensetzung. Aktuelle Forschungsergebnisse zur Weideübergangsfütterung zeigen, dass die Vormägen der Wiederkäuer mit ihren Pansenmikroben Zeit benötigen, um sich optimal an den Rationswechsel zu gewöhnen. Der zeitige Weideaustrieb bietet den Wiederkäuern eine sanfte Futterumstellung, da Graswachstum, Weidezeiten und Weidefutteraufnahme im Laufe des Frühjahrs kontinuierlich ansteigen. Der Pansen und die darin lebenden Mikroorganismen können sich zunehmend auf den Futterwechsel einstellen. So wird mit der zeitigen Überweidung automatisch eine kontinuierliche Anpassung des Wiederkäuers bzw. der Pansenmikroben an das hoch verdauliche energiereiche Weidefutter im Frühjahr erzielt. Zunächst sollten die Kühe noch im Stall gesättigt auf die Stundenweide gehen (1–3 Stunden/Tag; 2–3 Kühe/ha). Später, bei ansteigenden Zuwächsen auf der Frühjahrsweide, wird das Futterangebot im Stall reduziert und die Weidezeit ausgedehnt. Auf diese Weise erfolgt eine schonende Fütterungsumstellung von der Winterstallfütterung hin zur Weidefutteraufnahme. Wenn das Weidegrasangebot dann nach wenigen Wochen voll einsetzt, haben sich sowohl Wiederkäuer als auch Pansen auf die Weide umgestellt und damit kann das Weidefutter optimal verwertet und in Milchleistung umgesetzt werden. Aus ernährungsphysiologischer Sicht ermöglichen die begrenzte Weidedauer und der noch spärlich vorhandene Aufwuchs während der Vorweidezeit einen fließenden Übergang von der meist stärkereichen (Maissilage, Kraftfutter) Winterration zur Weidefutterration mit Gräsern, Leguminosen (Weißklee) und Kräutern (Löwenzahn). Aufgrund der höheren Zuckergehalte im Frischgras gegenüber Silagen ist zu empfehlen, den Kraftfutteranteil, besonders den Anteil an leichtlöslichen Kohlehydraten (Getreide) zu reduzieren. Dadurch kann einer möglichen Pansenübersäuerung bzw. einer Pansenblähung entgegengewirkt werden. Steigt der Harnstoffgehalt in der Tankmilch, ist auch die Anpassung des Milchleistungsfutters sinnvoll.

Im Rahmen der Vorweide mit einer geringen Tierbesatzstärke pro Hektar nehmen die Kühe natürlich noch keine großen Weidefuttermengen auf; sie fressen nur die ersten Spitzen und regen so die Bestockung der Gräser bestens an. Die Vorweide dient also weniger der Sättigung der Kühe, als vielmehr der Bestockung der Gräser sowie der Zurücksetzung frühblühender Kräuter (Vogelmiere, Scharbockskraut) und Gräser (Wiesenfuchsschwanz, Wolliges Honiggras). Die Kühe fressen in der Regel diesen ersten Aufwuchs zusätzlich zur Stallration. Um Pansenblähungen und dünne Kotkonsistenz zu vermeiden, sollten die Kühe zu dieser Zeit nur sattgefüttert aufgetrieben werden.

Autor: Anne Verhoeven, LWK Nordrhein-Westfalen, VBZL Haus Riswick, Kleve