Erdmandelgras ist kein Spaß

Eine ernstzunehmende Bedrohung für die Landwirtschaft in NRW

Das Erdmandelgras (Cyperus esculentus) breitet sich in Nordrhein-Westfalen rasant aus und stellt, wenn es sich einmal etabliert hat, eine neue, massive Herausforderung für den Ackerbau dar. Als invasive C4-Pflanze ist es extrem anpassungsfähig, schwer zu bekämpfen und kann ganze Flächen langfristig unbrauchbar machen. An den Wurzeln bildet es lange unterirdische Ausläufer, sogenannte Rhizome, an denen sich die etwa 1-2 cm großen, braunen Erdmandeln bilden. Einmal etabliert, sind die Mandeln kaum noch vollständig zu entfernen – daher ist Prävention bei diesem Ungras das oberste Gebot. Ein frühzeitiges Erkennen und konsequente Maßnahmen sind entscheidend, um eine flächenhafte Ausbreitung zu verhindern.

Wie erkenne ich Erdmandelgras? – Ein Steckbrief

Pflanzenfamilie:

Sauergräser (Cyperaceae)

Herkunft:

Ostafrika, heute weltweit verbreitet vermutlich durch Pflanzgut/Blumenzwiebeln

Morphologie:

  • Wuchshöhe zwischen 40 und 80 cm bis zu max. 1 m
  • V-förmige Blätter (kantige, schilfartige Optik)
  • Ährenbildung als gelblich/braune Verästelungen an den Blattspitzen
  • Blüten sitzen meist auf einem dreikantigen Stängeln ohne Knoten

Photosynthese-Typ:

C4 Pflanze– besonders wachstumsstark bei Wärme

Vermehrung:

  • Generativ über Samen (ab ca. August)
  • Vegetativ über Rhizome, die zur Entwicklung von Tochterpflanzen führen und an deren Ende sich die unterirdischen Mandeln bilden aus denen neue Pflanzen entstehen

Keimung:

ab 8–10°C Bodentemperatur, erste Pflanzen sind oft schon 4–6 Tage nach Saat sichtbar

Keimverhalten:

nur ein Teil der Mandeln keimt jährlich aus – diese antizyklische Keimung erschwert die Bekämpfung erheblich

Mandelbildung:

  • bis zu 500 Mandeln pro Pflanze und Jahr, in 2–20 cm Tiefe (teilweise bis 40 cm)
  • ca. ¾ aller Mandeln werden in den Sommermonaten im Oberboden (bis 15 cm Tiefe) gebildet

Überlebensfähigkeit:

Mandeln überstehen Temperaturen von bis –15 °C und bleiben über Jahrzehnte keimfähig, während das oberirdische Pflanzenmaterial und die Rhizome meist über den Wintern bei niedrigen Temperaturen absterben


Vorkommen, Standort und Ausbreitung:

Standortansprüche:

wächst auf allen Böden, verträgt sowohl Staunässe als auch Trockenheit

Konkurrenz:

entzieht Kulturpflanzen Wasser, Licht und Nährstoffe

Verbreitungswege:

über Erde, Maschinen, Tiere, Gartenabfälle, Hochwasser, Wind

Befallsflächen:

Ackerland, Feldränder, Böschungen, Brachflächen

In Niedersachsen:

bis zu 200.000 ha potenziell bereits betroffen, zunehmende Ausbreitung auch in NRW


Bekämpfungsmöglichkeiten – langwierig und kostenintensive Maßnahmen sind erforderlich

Mechanisch:

Flaches Fräsen (max. 10 cm), Hacken (2–5 cm), oder v.a. Schwarzbrache über mindestens 2–5 Jahre

Thermisch:

Bodenerhitzung bis 20 cm Tiefe (2–3 €/m²)

Elektrisch:

Strombehandlung (3 × jährlich, ca. 2.100 €/Jahr)

Chemisch:

keine vollständige Wirkung – kein Herbizid erreicht die Mandeln

Zwischenfrüchte:   

unterdrücken Keimung, aber allein keine Lösung

Fruchtfolge:

  • Wintergetreide gute Beschattung, aber nach Ernte schnelles Wiederauflaufen
  • Besonders gefährdete Kulturen: Kartoffeln, Rüben, Zwiebeln, Möhren, Schnittlauch, Mais
  • Ebenfalls betroffene Kulturen: Getreide (v. a. Fahrgassen), Grünland (ab Mitte Mai)

Einschleppung im Ackerbau – viele Wege, ein Problem

Über Boden:

Grabenaushub, Resterden (z. B. aus Kartoffel- und Zuckerrübenproduktion), Gartenabfälle (wird z. B. teilweise als Zierpflanze in Gärten genutzt)

Über Tiere:

z. B. Enten, Gänse

Über Maschinen:  

Bodenbearbeitungsgeräte, Legemaschinen, Roder, Güllestriptillgeräte, Mähdrescher, Strohpressen, Reifen, Häcksler, etc.


Prävention – der wichtigste Hebel

Maschinenhygiene:

Reinigung nach jedem Flächenwechsel (auch einfache Geräte!)

Flächenmanagement:

Befallsflächen zuletzt bearbeiten, unterschiedliche Maschinen für befallene und unbelastete Flächen

Monitoring:

Anfangsbefall erkennen, Pflanzen mit Mandeln und Rhizomen großflächig ausgraben und über den Hausmüll entsorgen

Dokumentation:

Befallsnester in der Schlagkartei markieren und gezielt bewirtschaften


Fazit:

„Einmal Erdmandelgras – immer Erdmandelgras.“ Erdmandelgras ist mehr als ein Unkraut – es ist ein langfristiges Risiko für die landwirtschaftliche Produktion. Wer frühzeitig handelt, kann Schlimmeres verhindern. Eine vollständige Sanierung stark befallener Flächen ist bislang nicht gelungen. Die Landwirtschaftskammer NRW unterstützt Sie mit Beratung, Schulungen und Informationsmaterialien.

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Abb. 1: Anfangsbefall in Kartoffeln. Die ersten Pflanzen jetzt bereits aufzuspüren, auszugraben und zu beseitigen, ist das Gebot der Stunde. Foto Günter Klingenhagen
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Abb. 2: Fortgeschrittener Befall mit Erdmandelgras auf einer Fläche mit Mais. Betroffen sind hier meist eher humuse Standorte auf denen nur schwer Getreide anzubauen ist. Auf diesen Flächen ist Mais häufig die Hauptkultur. Foto Günter Klingenhagen
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Abb. 3: Erdmandelgras in Wintergetreide. Durch den frühen Start haben die Pflanzen bereits Samen gebildett. Diese werden dann leicht über Erntemaschinen verbreitet. Foto Günter Klingenhagen
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Abb. 4: Erdmandelgras in Zuckerrüben. Teilweise werden Rüben von befallenen Flächen von den Zuckerrübenfabriken nicht mehr angenommen. Foto Burkard Linneweber
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Abb. 5: Erdmandelgras in Kartoffeln. Bei einem derartigen Befall werden die Kartoffeln zügig vom Erdmandelgras überwuchert. Foto Barbara Kanders
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Abb. 6: Erdmandelgras in Kartoffeln. Der hintere Teil des Feldes konnte nicht mehr geerntet werden. Foto Alfred Luhmann
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Abb. 7: Maschinen mit Erdanhang, die häufig auch überbetrieblich eingesetzt werden, helfen dem Erdmandelgras bei der Überwindung von Schlaggrenzen. Foto Alexander Czech
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Abb. 8: Komplexe Maschinen sind in der Saison häufig nur schwer zu reinigen. Rode- und Verlademaschinen sind ein wichtiger Faktor bei der Verbreitung von Erdmandelgras. Foto Alexander Czech
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Abb. 9: Eine Verbreitung der Mandeln und Rhizome erfolgt oft auch über Bodenbearbeitungswerkzeuge. Foto Alexander Czech
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Abb. 10: Werden die Pflanzen rechtzeitig reif, kommt es auch durch Drescher und Strohpressen zu einer Verbreitung. Foto Dr. Jonas Hett
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Abb. 11: Technische Lösungen wie z. B. der LuPower Onland-Hochdruckreiniger stehen für die mobile Reinigung von Maschinen und Anbaugeräten auf dem Feld bereits zur Verfügung. Foto Günter Klingenhagen
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Abb. 12: Wenn keine anderen Maßnahmen mehr möglich sind, hilft nur noch Auskoffern und Entsorgen. Wichtig ist, dass ausreichend tief und breit gebaggert wird. Foto Martin Kanders
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Abb. 13: Es gibt mittlerweile Flächen, die aufgrund von Erdmandelgrasbefall nicht mehr ackerbaulich genutzt werden können. Foto Alfred Luhmann
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Abb. 14: Hier sollten eigentlich Kartoffeln wachsen. Es handelt sich um einen wirtschaftlichen Totalschaden. Foto Alfred Luhmann

Weiterführende Informationen:

Autor: Günter Klingenhagen und Dr. Jonas Hett