Insektenrückgang

Tagpfauenauge auf einer DistelBild vergrößern
Tagpfauenauge auf einer Kratzdistel. Foto: August Falkner, piclease
Erdhummel an einer DistelblüteBild vergrößern
Erdhummel an einer Distelblüte. Foto: Patrick Leopold, piclease
Weibchen der Gebänderten PrachtlibelleBild vergrößern
Gebänderte Prachtlibelle. Foto: Manfred Nieveler, piclease

In den letzten Jahren ist ein starker Rückgang an Insekten, insbesondere an Fluginsekten, zu verzeichnen. Dieser hat in jüngster Zeit eine hohe öffentliche Aufmerksamkeit erhalten. Es werden verschiedene Ursachen diskutiert. Viele Maßnahmen, die dem Insektenschwund entgegenwirken können, sind im landwirtschaftlichen Bereich angesiedelt.


Ursachen des Insektenrückgangs

Die Ursachen für den Insektenschwund sind nicht eindeutig geklärt, auf jeden Fall aber vielfältig. Auch die moderne Landwirtschaft trägt hierzu ihren Teil bei. Durch Intensivierung und damit verbunden zunehmende Schlaggrößen und zunehmende Strukturarmut sowie den Einsatz von Düngung, Pflanzenschutzmitteln kommt es sowohl zum Verlust und zur Fragmentierung von Insektenlebensräumen als auch zur Beeinträchtigung der Qualität der Lebensräume. Daneben sind aber auch andere Faktoren, wie der allgemeine Flächenverbrauch und die zunehmende Versiegelung und Zerschneidung von Lebensräumen durch Straßen- und Siedlungsbau, die zunehmende „Verschmutzung“ durch Licht sowie Auswirkungen des Klimawandels von wesentlichem Einfluss auf die Bestandsentwicklung von Insekten.


Folgen des Insektenrückgangs

Der Insektenschwund hat negative Folgen: neben einer zunehmenden allgemeinen Artenarmut und einem Rückgang an Biodiversität kommt es im Besonderen zu einem Rückgang der Bestäubungsleistung. Gerade hierin liegt die herausragende Bedeutung von Insekten. In Deutschland sind rund 80% der heimischen Wild- und Kulturpflanzen auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen. Floristische Artenvielfalt aber auch Pflanzenproduktion wären ohne bestäubende Insekten nicht möglich. Verschiedenen Studien zufolge liegt der volkswirtschaftliche Wert der Bestäuberleistungen deutschlandweit in Milliardenhöhe. Zum anderen übernehmen Insekten einen wichtigen Part innerhalb der Nahrungskette. Sie stehen hier relativ weit am Anfang und sind wichtige Nahrungsquelle für eine Vielzahl von Vögeln, Fledermäusen, anderen kleinen Säugern und Amphibien. Insbesondere für die Aufzucht von Jungvögeln spielen sie eine herausragende Rolle. Die Populationsentwicklung vieler Vogelarten hängt also direkt vom Vorkommen geeigneter Nahrungsinsekten ab. Insekten leisten als Gegenspieler von Schädlingen in landwirtschaftlichen und gartenbaulichen Kulturen wichtige Beiträge im System des integrierten Pflanzenschutzes. Einige Insekten können als Nützlinge erfolgreich in der biologischen Schädlingsbekämpfung eingesetzt werden und damit zu einem reduzierten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln beitragen. Daneben spielen Insekten durch den Abbau organischer Massen eine wichtige Rolle im Stoff- und Energiekreislauf und fördern die Humusbildung und den Erhalt der Bodenfruchtbarkeit. Sie übernehmen damit zentrale Ökosystemdienstleistungen und sind für das Funktionieren der Ökosysteme unverzichtbar.


Maßnahmen gegen den Insektenrückgang

Unter anderem aus den vorgenannten Gründen muss es das Ziel sein, den Schwund von Insekten aufzuhalten und dafür zu sorgen, dass sich die Insektenpopulation wieder nachhaltig stabilisiert. Zur Förderung von Insekten sind eine ganze Reihe von Maßnahmen auf landwirtschaftlichen Flächen geeignet. Sie können sowohl auf Acker-, auf Grünlandflächen, aber auch im Bereich der Strukturelemente oder auf der Hofstelle und auf angrenzenden Flächen umgesetzt werden. Grundsätzlich geht es darum, für Insekten geeignete Lebensräume zu schaffen. Hierfür sind vornehmlich zwei Dinge wichtig, zum einem die Schaffung blütenreicher Strukturen als Nahrungsangebot für Insekten, zum anderen die Schaffung von Deckungsräumen als Rückzugsmöglichkeit für überwinternde Entwicklungsstadien. Die Schaffung blütenreicher Strukturen kann auf vielfältige Weise geschehen, beispielsweise durch die Anlage von Blühstreifen oder -flächen, durch die Ansaat blühender Zwischenfrüchte, die Anlage blühender Heckenstrukturen, von Wildblumenwiesen, oder die Verwendung heimischer Gehölze.

Rückzugsräume und Überwinterungsmöglichkeiten ergeben sich durch das überjährige Stehenlassen von Strukturen etwa im Falle von Acker- oder Grünlandbrachen, in extensivierten Streifen und Teilflächen, ebenso bei Gehölzpflanzungen und Hecken, aber auch durch Identifizierung und Optimierung sogenannter „Eh-da-Flächen“ (Flächen, die ohnehin vorhanden sind ohne eigentlich genutzt zu werden) oder die gezielte Schaffung von Nistmöglichkeiten etwa in Form eines Insektenhotels auf der Hofstelle. Die Maßnahmen beinhalten dabei sowohl geförderte Maßnahmen der Agrarumweltförderung und des Vertragsnaturschutzes als auch Greeningmaßnahmen zur Einrichtung ökologischer Vorrangflächen, aber auch freiwillige, nicht förderfähige Low-level-Maßnahmen.


Konzept der Eh da-Flächen

Intensiv gepflegtes StraßenbegleitgrünBild vergrößern
Negativbeispiel: häufig gemähte Straßenböschung, gräserdominiert
Extensiv gepflegtes StraßenbegleitgrünBild vergrößern
Positivbeispiel: extensiv gepflegtes, artenreiches Straßenbegleitgrün

Viele in der Agrarlandschaft und den Ortslagen vorhandene, aber keiner wirtschaftlichen Nutzung unterliegenden Flächen lassen sich ökologisch aufwerten und können damit einen wichtigen Beitrag zum Erhalt und zur Förderung der Biodiversität leisten. Hierzu ist es zunächst notwendig, derartige Flächen zu identifizieren.

Unter Eh da-Flächen sind Flächen zu verstehen, die „eh da“, also ohnehin vorhanden sind - ohne einer bestimmten landwirtschaftlichen Nutzung zu unterliegen oder bereits einer Naturschutzfunktion zu dienen. Sie finden sich in der freien Landschaft, aber auch im Siedlungsbereich. Sehr häufig sind es infrastrukturbegleitende Flächen wie beispielsweise Straßenränder, Verkehrsinseln, Bahndämme oder Ruderalflächen. Sie beinhalten ein hohes Potenzial zur ökologischen Aufwertung und tragen, sofern sie eine lineare Struktur aufweisen, zur Vernetzung von Lebensräumen bei.

Ziel des vor einigen Jahren entwickelten und durch wissenschaftliche Studien begleiteten Eh da-Flächen-Konzeptes ist es, durch Identifizierung geeigneter, mehr oder weniger „funktionsloser“ Freiflächen und deren zielgerichteter ökologischer Optimierung einen Beitrag zur Förderung der Biodiversität zu leisten. Das Konzept erhält gerade dadurch seinen besonderen Reiz, dass es nicht mit einer Einschränkung bestehender, beispielsweise landwirtschaftlicher Bewirtschaftung verbunden ist, weil Flächen verwendet werden, die „eh da“ sind und eben nicht zur landwirtschaftlichen Erzeugung genutzt werden oder anderen Funktionen dienen. Das Eh da-Flächen-Konzept beruht also letztlich darauf, die für den Schutz biologischer Vielfalt vorhandenen Flächenressourcen besser zu nutzen. Das Ausmaß dieser Flächen ist beträchtlich und liegt einer Potenzialstudie aus den Jahren 2012-2014 zufolge je nach Region und Landschaftstyp in einer Größenordnung von 2 bis 5%. Viele Kommunen und andere Akteure nutzen bereits heute Möglichkeiten, auf Eh da-Flächen biodiversitätsfördernde Maßnahmen umzusetzen.

Geeignete Flächen müssen zunächst identifiziert werden. Hier sind – da es sich häufig um Verkehrswege begleitende Flächen handelt – in erster Linie die Kommunen gefragt. In Kooperation mit der Gemeinde und der zuständigen Naturschutzbehörde sind dann unter Berücksichtigung der örtlichen Standortbedingungen Bewirtschaftungs- und Pflegemaßnahmen zu entwickeln, die die Fläche ökologisch aufwerten. Die speziellen naturschutzfachlichen Ziele richten sich dabei nach den standörtlichen Gegebenheiten und sollten auf jeden Fall die Möglichkeit einer Biotopvernetzung mitberücksichtigen. Aber auch der einzelne Landwirt kann in seinem betrieblichen Umfeld Flächen unter dem „eh da“-Aspekt betrachten und wird hier in aller Regel eine ganze Reihe möglicher Flächen finden. Auf diesen Flächen können in Eigenregie Maßnahmen umgesetzt werden. Im Interesse einer hohen ökologischen Wirksamkeit empfiehlt es sich, auch in diesem Fall fachkundigen Rat einzuholen.

Weiterführende Informationen zu Eh-da-Flächen

Zur weiteren Information sei in erster Linie auf die umfangreiche Homepage des Konzeptes, aufrufbar unter www.eh-da-flaechen.de, hingewiesen. Hier sind neben zwei Potenzialstudien auch ein Leitfaden zur Umsetzung des Konzepts sowie Hinweise auf Fördermöglichkeiten und weitere detaillierte Hintergrundinformationen einsehbar. Außerdem enthält sie zahlreiche Beispiele für Eh da-Flächen mit ihren jeweiligen ökologischen Aufwertungsmöglichkeiten.


Mut zur Unordnung – Wilde Stellen zur Überwinterung

Überständige VegeationBild vergrößern
Überständige Vegetation als wertvoller Rückzugsraum für verschiedene Tierarten. Foto: Dr. Armin Hentschel
SeidenschwanzBild vergrößern
Winterfrüchte als Vogelnahrung. Foto: pixabay.de
Igel im HerbstlaubBild vergrößern
Herbstlaub dient Igeln als Überwinterungshilfe. Foto: monicore, pixabay.de

Viele Arten wie beispielsweise Schmetterlinge, Wildbienen, Schwebfliegen und andere Insekten überwintern häufig an „unordentlichen“ Stellen und Flächen, die gerade im Winter als Rückzugsräume dienen. Indem etwas mehr „Wildnis“ oder etwas weniger Ordnung insbesondere auf unbewirtschafteten Flächen zugelassen und der Natur überlassen wird, werden Lebensräume und Überwinterungsbiotope geschaffen und so zum Schutz der ökologischen Vielfalt beigetragen – und das mit geringstem Aufwand.

Ziel dieser weniger aufgeräumten, der Natur überlassenen Bereiche ist es, Strukturen zu schaffen, die für unterschiedliche Tier- (und Pflanzenarten) Lebensräume darstellen und damit einen unmittelbaren Beitrag zur Förderung der Biodiversität zu leisten. In erster Linie werden Deckungs- und Rückzugsräume geschaffen, die vielen Arten als Überwinterungsmöglichkeit dienen. Einige Arten – speziell deren Überwinterungsstadien – sind in ihrem Entwicklungszyklus zwingend auf geeignete Überwinterungsmöglichkeiten angewiesen. Hierzu zählen viele Insekten, darunter die im Puppenstadium überwinternden Schmetterlinge. Auch für viele Kleinsäuger und das Niederwild sind im Winter Deckungs- und Rückzugsräume für das Überleben wichtig. Gleichzeitig erhöht sich das Nahrungsangebot für Vögel und andere Tierarten, welches gerade während der kalten Jahreszeit in einer aufgeräumten Umgebung ohne verblühte Blütenstände so nicht gegeben ist. Selbstverständlich bieten der Natur überlassene Bereiche aber auch zu anderen Jahreszeiten wertvolle Strukturen, die als Futterquelle, Nistmöglichkeit oder Rückzugsraum vielfältige Lebensräume darstellen.

Einen Schwerpunkt stellen überjährige Vegetationsstrukturen dar, die in unterschiedlicher Weise auf landwirtschaftlichen Nutzflächen aber auch im Bereich der Hofstelle belassen werden können. So können auf Ackerflächen das Stehenlassen von Kulturen in Randbereichen oder Zwickeln dazu beitragen, dass sich ideale Habitatstrukturen für eine Vielzahl von Insekten, Vögeln und Kleinsäugern entwickeln. Das Gleiche gilt auf Grünland für überjährige Streifen und Teilflächen. Auch das Nicht-Mähen von Säumen und Randbereichen wie z. B. Böschungen oder Rainen leistet hier einen wichtigen Beitrag. Über den Winter verbleibende Fruchtstände von Gehölzen oder Stauden sind für zahlreiche der bei uns überwinternden Vogelarten als Nahrungsquelle von besonderer Bedeutung.

Eine weitere Möglichkeit bildet die Verwendung von angefallenem Material aus Gehölzschnitten oder beispielsweise von Lesesteinen und anderen Materialien. Zu Ast-, Totholz- oder Steinhaufen geschichtet oder einfach nur „liegengelassen“ – wirken sie als Mikro-Strukturelemente und schaffen ebenfalls wertvolle Lebensräume für unterschiedliche Arten – erwähnt seien hier nur Eidechsen und Amphibien.

In Randbereichen von Äckern, Wiesen oder Weiden oder auch auf der Hofstelle, im Hausgarten aufgewachsene und nicht störende Bestände von Un- bzw. Wildkräutern sollten nach Möglichkeit nicht beseitigt werden. Gerade die oft bekämpften Brennnesseln sind hier als obligatorische Futterpflanzen für die Entwicklung einiger Tagfalterarten essentiell.

Ähnlich verhält es sich mit dem im Herbst fallenden Laub, das auf geeigneten Flächen belassen werden sollte, da es für viele Tiere – unter anderen Igel, Amphibien, Insekten - einen besonderen Schutz als Überwinterungshilfe bietet. Außerdem fördert es die Regenwurmpopulation und trägt zur Humusbildung und Bodenverbesserung bei.

Neben den genannten gibt es viele weitere Möglichkeiten, durch Unterlassen oder „Weniger-Aufräumen“ einen biodiversitätsfördernden Mehrwert zu schaffen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, sich die Bedeutung dieser weniger aufgeräumten Bereiche für den Naturhaushalt immer wieder erneut vor Augen zu führen, da hier mit einfachsten Mitteln ein effektiver Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt geleistet werden kann.

Die Arbeiten wurden teilweise finanziert durch das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen.