Bundeskonferenz der Tierseuchenkassen in NRW




Prävention, Finanzierung und Tiergesundheit im Fokus
Vom 2. bis 4. Juni 2025 fand in Nordrhein-Westfalen die jährliche Bundeskonferenz der Tierseuchenkassen statt. Teilnehmende waren die Vorsitzenden der Verwaltungsräte sowie die Geschäftsführungen aller deutschen Tierseuchenkassen. Im Zentrum der Konferenz standen aktuelle Herausforderungen in der Tierseuchenbekämpfung, Strategien zur Prävention sowie die nachhaltige Finanzierung von Entschädigungs- und Beihilfeleistungen.
Ein zentrales Thema war die wachsende Belastung durch Tierseuchen wie Geflügelpest, Afrikanische Schweinepest (ASP), Maul- und Klauenseuche (MKS) sowie BHV1. Im vergangenen Jahr verzeichneten die Tierseuchenkassen hohe Ausgaben insbesondere für:
- Diagnostik und Untersuchungskosten
- Beratung zur Biosicherheit in landwirtschaftlichen Betrieben
- Entschädigungen bei Tierverlusten
- Kosten für Tötung, Tierkörperbeseitigung sowie Reinigung und Desinfektion
Die Tierseuchenkassen leisten damit einen essenziellen Beitrag zur Stabilität der Tierhaltung in Deutschland. Sie schützen nicht nur die Tiergesundheit, sondern sichern auch die wirtschaftliche Existenz zahlreicher Betriebe.
Ein weiterer Schwerpunkt der Konferenz lag auf der Weiterentwicklung präventiver Maßnahmen. Ziel ist es, durch gezielte Beratung und Förderung von Biosicherheitsmaßnahmen das Risiko von Seuchenausbrüchen langfristig zu minimieren.
Die Konferenz wurde mit einem feierlichen Festakt durch Albert Rohlmann, den Verwaltungsratsvorsitzenden der Tierseuchenkasse NRW, eröffnet.
„Die Vorbeugung und Bekämpfung von Tierseuchen ist von herausragender Bedeutung, um wirtschaftliche Schäden für die Landwirtschaft zu minimieren und Tierleid zu vermeiden. Dabei zeigt sich immer wieder: Die Biosicherheit in unseren Betrieben ist ein entscheidender Hebel, um Tierseuchen frühzeitig und wirksam zu verhindern. Ich bin deshalb sehr dankbar, dass die Tierseuchenkassen mit gezielten Unterstützungs- und Schulungsangeboten einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Tiergesundheit in unseren Betrieben leisten,“ sagte NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen in ihrem Grußwort.
„Die jüngsten Ausbrüche in verschiedenen Bundesländern zeigen, wie wichtig ein koordiniertes, schnelles und gut abgestimmtes Vorgehen ist. Dabei kommt den Tierseuchenkassen eine zentrale Rolle zu – nicht nur in der finanziellen Absicherung, sondern auch als verlässliche Partner in der Krisenbewältigung und selbstverständlich bei der Vorsorge“, ergänzte Dr. Arne Dahlhoff, Direktor der Landwirtschaftskammer NRW.
Programm mit europäischem und regionalem Fokus
Der erste Konferenztag bot ein Fachprogramm mit aktuellen Themen aus Politik, Wissenschaft und Praxis. Im Fokus standen:
- Einblick in die EU-Agrarpolitik – Perspektiven aus Brüssel: Herr Florian Dalstein, Leiter des Brüsseler Büros des Deutschen Bauernverbandes, eröffnete die Konferenz mit einem fundierten Überblick über die aktuellen agrarpolitischen Entwicklungen auf europäischer Ebene. Er erläuterte die Auswirkungen neuer geopolitischer Realitäten auf die politischen Prioritäten der EU, insbesondere im Hinblick auf den Agrar- und Lebensmittelsektor. Im Fokus standen dabei die Umstrukturierung des Mehrjährigen Finanzrahmens sowie die Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik. Dalstein betonte die Notwendigkeit einer aktiven Interessenvertretung in Brüssel, um die Belange der Landwirtschaft wirksam zu vertreten.
- Reform des Tiergesundheitsrechts – nationale Regelungen im Wandel: Dr. Anke Schröder vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Heimat (BMLEH) stellte den aktuellen Stand der Überarbeitung der Viehverkehrsverordnung vor. Ziel ist es, die bestehende Verordnung durch eine neue Regelung zu ersetzen, die offene nationale Anforderungen im Tiergesundheitsrecht adressiert. Die Neufassung befindet sich derzeit in der konzeptionellen Ausarbeitung.
- Aktuelle Gesundheitsregelungen im internationalen Handel: Dr. Barbara Hoffmann vom BMLEH berichtete über die erfolgreiche Anwendung einer sogenannten „Containment Zone“ nach den Vorgaben der Weltorganisation für Tiergesundheit (WOAH) im Fall des MKS-Ausbruchs in Brandenburg. Diese Maßnahme ermöglichte eine schnellere Wiedererlangung des WOAH-Freiheitsstatus für Deutschland und unterstreicht die Bedeutung international abgestimmter Seuchenbekämpfungsstrategien.
- Erkenntnisse zu Tierseuchenausbrüchen der Afrikanischen Schweinepest (ASP) in Deutschland: Dr. Katja Schulz vom Friedrich-Loeffler-Institut präsentierte aktuelle Forschungsergebnisse zur ASP-Situation in Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Trotz hoher Prävalenz bei Wildschweinen blieb die Übertragung auf Hausschweine punktuell. Umweltfaktoren wie hohe Feuchtigkeit und ein verstärktes Insektenaufkommen könnten die Verbreitung begünstigt haben. Die Ergebnisse verdeutlichen die Notwendigkeit eines integrierten Seuchenmonitorings.
- Einblicke in die Tierseuchenbekämpfung zum Thema Maul- und Klauenseuche in Brandenburg: Dr. Stephan Nickisch, Landestierarzt Brandenburg, schilderte die erfolgreiche Eindämmung des MKS-Ausbruchs. Dank der in Brandenburg bereits etablierten Strukturen zur ASP-Bekämpfung konnten die zuständigen Behörden schnell und effektiv reagieren. Die gute Vorbereitung und enge Zusammenarbeit zwischen den Akteuren vor Ort verhinderten eine weitere Ausbreitung der Seuche. Die Leistung Brandenburgs wurde von allen Bundesländern ausdrücklich gewürdigt.
Am Nachmittag erhielten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Einblicke in die Abläufe eines großen Kälberhandelsbetriebs – ein praxisnaher Beitrag zur Bedeutung von Tierverkehr und Tiergesundheit im Alltag.
Der zweite Konferenztag widmete sich verstärkt regionalen Themen aus Nordrhein-Westfalen. Dazu gehörten:
- Einblicke in die BHV1-Bekämpfung im Kreis Borken: Dr. Michael Kerkhoff, Leiter Tiergesundheit Kreis Borken, stellte die Maßnahmen zur Bekämpfung des BHV1-Virus vor. Ein wesentlicher Faktor ist das Biosicherheitsmanagement in rinderhaltenden Betrieben. Alle Untersuchungen weisen darauf hin, dass die Weiterverbreitung von BHV1 durch Mängel in der Biosicherheit und Auffälligkeiten in der Probennahme begünstig wurde. Es ist davon auszugehen, dass durch das massive BTV3-Geschehen in 2024 und die daraus folgende Schwächung und Belastung der Rinderbestände zu den Ausbrüchen geführt hat.
- Überlegungen zur Ertragsschadensversicherung: Bernhard Post von der Westfälischen Versicherungs- und Unternehmensberatung GmbH, einer Tochtergesellschaft des WLV, betonte die Bedeutung einer Ertragsschadensversicherung für Tierhaltungsbetriebe. Diese ist für nutztierhaltende Betriebe unerlässlich. Tierhalterinnen und -halter sollten sich gut beraten lassen. Dafür stehen die Verbände zur Verfügung. Es wird immer ein gewisses Unternehmerrisiko bestehen bleiben, da die Entschädigungsleistungen der Tierseuchenkasse nur finanzielle Verluste minimieren, aber keinen absoluten Schadenersatz leisten kann und darf. Diskutiert wurde, inwieweit sich andere Wirtschaftsbeteiligte, wie Verarbeitungsbetriebe oder der Lebensmitteileinzelhandel, an einer zusätzlichen finanziellen Unterstützung der betroffenen Betriebe beteiligen könnte. Ähnliche Modelle existieren in Frankreich.
- Dr. Wiebke Schulze Esking vom Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Münsterland-Emscher-Lippe stellte die Bedeutung der Früherkennung von Tierseuchen im Labor und in der Pathologie heraus. Für die schnelle Feststellung einer Seuche und die Verhinderung der Ausbreitung sind Proben zur Früherkennung ein wichtiger Baustein. Der Vortrag zeigt, dass die Nutzung solcher Früherkennungsmaßnahmen ausbaufähig ist, da die Anzahl der Untersuchungen noch zu gering ist. Die Tierseuchenkasse finanziert solche Früherkennungssysteme als Beihilfen.
- Zuletzt wurde ein Überblick über die bisherigen Entwicklungen in der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen bei der Tierseuchenkasse NRW vorgestellt. Die Einführung digitaler Verfahren reduziert nicht nur den administrativen Aufwand, Zeit und Kosten, sondern wirkt sich auch positiv auf die Beitragserhebung für Tierhalter aus.
Die Bundeskonferenz bot eine wertvolle Plattform für den länderübergreifenden Austausch zwischen Ehren- und Hauptamt in Landwirtschaft und Veterinärverwaltung. Die vorgestellten Erkenntnisse und Strategien sollen in die zukünftige Ausrichtung der Tierseuchenbekämpfung auf Bund- und Landesebene einfließen. Ziel ist es, die Tiergesundheit in Deutschland nachhaltig zu sichern und die Landwirtschaft krisenfest aufzustellen.
Autor: Dr. Annette vom Schloß, Geschäftsführerin der Tierseuchenkasse NRW