Landessortenversuche Winterroggen 2019

Roggenblüte

Winterroggen oder Wintertriticale?

In den kommenden Wochen stehen Anbauentscheidungen an. Bei den Wintergetreidearten gibt es gesetzte Kulturen und Wackelkandidaten. Wintertriticale war in Veredlungsregionen lange Zeit eine gesetzte Kultur. Dieser Rang wird ihm durch Winterroggen zumindest auf leichteren Standorten streitig gemacht. Die Anbauflächen für Winterroggen haben 2019 in NRW um rund 7.000 Hektar zugenommen und verdeutlichen das zunehmende Interesse der Praxis. Welche Argumente gibt es für oder gegen die Kulturen und wie sollte man sich entscheiden?

Die Anbauflächen 2019 in NRW sprechen bezüglich der Anbaubedeutung trotz der deutlichen Anbauausdehnung immer noch eine deutliche Sprache. Mit 64.000 Hektar liegt Wintertriticale deutlich vor Winterroggen mit 26.000 Hektar. Bei beiden Kulturen stehen rund 90 Prozent der NRW Anbaufläche in Westfalen. Im Rheinland liegt der Anbauschwerpunkt am Niederrhein. Zunehmend interessant und oft noch unterschätzt wird Roggen als Futtergetreide. Der Anbau als Brotroggen hat eine untergeordnete Bedeutung und bietet aktuell keinen Wachstumsmarkt. Bei der bald anstehenden Entscheidung für oder gegen Kulturen gilt es eine Reihe von Fragen zu beantworten. Gibt es in Zeiten von Klimawandel und Witterungsextremen eine veränderte Rangfolge? Welche Kulturen bringen unter den gegebenen Standortbedingungen sichere Erträge und damit verbunden auch hohe Nährstoffentzüge? Sind die Kulturen am Standort sicher und einfach zu führen?  

Winterroggen gilt seit je her als Spezialist für leichte Böden und Trockenheit. Die Hybridzüchtung hat Ertragshöhe und -sicherheit wie bei keiner anderen Getreidekultur verbessert. Moderne Roggensorten sind gesünder und standfester geworden. Oft reicht in Höhenlagen mit spätem Befallsbeginn bei Braunrost ein Fungizideinsatz für einen sicheren Krankheitsschutz. In Regionen mit frühem Befall ist eine höhere Intensität erforderlich. Auf leichten Böden ist Winterroggen schon seit Jahren der Ertragssieger. Auf besseren Standorten liegen beide Kulturen sehr beim Ertrag sehr nah beieinander. Die Nährstoffeffizient ist auf leichteren Standorten durch die hohen und sicheren Erträge besser als bei anderen Getreidearten. Anbaurisiken bleiben die hohe Auswuchs- und Mutterkornanfälligkeit. Zumindest bei Mutterkorn sind leichte Züchtungsfortschritte feststellbar.

Neben Winterroggen besitzt auch Wintertriticale auf leichteren Standorten eine hohe Ertragssicherheit. Hohe Erträge mussten in den letzten Jahren an vielen Standorten aber mit hohem Fungizidaufwand erkauft werden. Aus der ehemaligen Extensiv- ist mittlerweile eine Intensivkultur geworden. Mehltau, Gelbrost, Braunrost und Fusarium erfordern mindestens zwei, häufig auch drei Fungizideinsätze und intensive Bestandeskontrollen. Auch neue Sorten haben keinen deutlich spürbaren Fortschritt gebracht. Die Auswuchsgefahr bei Triticale ist vergleichbar mit der bei Winterroggen. Auch Mutterkorn kann in Einzeljahren wie 2019 ein Problem werden. Sortenunterschiede gibt es bei Triticale nicht.

Pflanzenbaulich gibt es kleine Einschränkungen bei Winterroggen. Die Ungrasbekämpfung in Winterroggen ist schwieriger, da Roggen vor allem in der Jugendentwicklung empfindlich auf Herbizide reagiert. Mitunter problematisch bei zu flacher Saatgutablage, sandigen Böden mit wenig Humus, starken Niederschlägen nach der Anwendung der Bodenherbizide, Staunässe und späten Saatterminen mit später Herbizidbehandlung, da dann nur noch wenig Zeit zum Wirkstoffabbau in der Kulturpflanze bleibt.

Winterroggen

Trotz extremer Trockenheit bei der Saat liefen die Bestände in aller Regel gut und gleichmäßig auf. Mehltau und Rhynchosporium hatten witterungsbedingt keine Chance. Erst verhältnismäßig spät trat erster Braunrost auf. Normale Bestände standen zu diesem Zeitpunkt schon unter Fungizidschutz. Die Blüte war kurz und trocken, so dass Mutterkorn in der Praxis nur eine geringe Rolle spielte. Die Ernte begann auch bei Winterroggen früh und trocken. Fallzahlprobleme und Auswuchs traten nicht auf.

In NRW gab es 2019 drei Landessortenversuche auf Sand im Westmünsterland, auf Lehm in Ostwestfalen und am Niederrhein. Die Sortenprüfung erfolgte in zwei Intensitätsstufen. Die unbehandelte Stufe dient der Beurteilung von Standfestigkeit und Gesundheit. In der behandelten Stufe werden praxisüblich Wachstumsregler und Fungizide eingesetzt. Die Mehrerträge 2019 in der behandelten Stufe liegen aufgrund des geringen Lager- und des späten Krankheitsdruckes im Mittel der Sorten je nach Standort zwischen 8 und 22 dt/ha. Die N-Düngung erfolgt nach den fachlichen Vorgaben der Dünge-VO in zwei oder drei Teilgaben.

Die Ergebnisse der drei NRW-Standorte für das aktuelle Jahr sind in Tabelle 1 dargestellt. Im Versuch standen sieben Sorten mit mindestens zwei Prüfjahren und mit KWS Trebiano und Piano zwei Neuzulassungen. Populationssorten werden nicht mehr geprüft, liegen aber aufgrund langjähriger Erfahrungen in der Ertragsleistung rund 20 Prozent hinter den aktuellen Hybridsorten. Winterroggen zeigt auf 2019 auf Lehm, vor allen aber auf Sand überzeugende Ertragsleistungen. Die Sortenversuche werden auch hier gemeinsam mit Niedersachsen und Hessen ausgewertet. In der Summe stehen so vier Lehm- und drei Sandstandorte für eine sichere Sortenbeurteilung zur Verfügung.

Was zeichnet gute Sorten aus?

Wirklich gute Sorten müssen mehrjährig sicher gute Erträge bringen. Daher lohnt der Blick auf Tabelle 2, die für die Standortgruppen in der behandelten Stufe die Ertragsleistung in den Einzeljahren und zusätzlich in der mehrjährigen Verrechnung zeigt. Bis auf wenige Ausnahmen liegen die Sorten in der mehrjährigen Verrechnung beim Ertrag relativ nah beieinander.

Daher gilt es über gute agronomische Eigenschaften mögliche Anbaurisiken zu reduzieren. Im Falle von Winterroggen sind dies Lager-, Braunrost- und Mutterkornanfälligkeit. Die Beschreibenden Sortenliste in Tabelle 3 zeigt deutliche Unterschiede bei Standfestigkeit, Halmknicken und Braunrost. Die Einstufung bei Mutterkorn muss differenziert betrachtet werden. Die Hybriden der Saaten Union sind mit Ausnahme von Piano im Vergleich zu KWS-Sorten durchgängig mindestens eine Note schlechter bewertet. Beschrieben wird hier die Einstufung der Sorte als reine Hybride. Für eine bessere Bestäubung haben SU Cossani, SU Forsetti und SU Performer im Saatgut eine zehn prozentige Beimischung eines Populationsroggens. Hierdurch soll die Pollenschüttung verbessert und die Mutterkornanfälligkeit reduziert werden. Strittig ist, ob der Effekt in der Praxis tatsächlich eine Note ausmacht. Mit KWS Serafino und KWS Trebiano erreichen einige Sorten mittlerweile auch Note drei und eine weitere Risikominimierung.

Sortenempfehlung

In der Kombination Ertragsleistung und agronomische Eigenschaften hat bei den mindestens zweijährig geprüften Sorten KWS Binntto weiterhin die Nase vorne. Gute und sichere Erträge bei guter Standfestigkeit und Note vier bei Braunrost und Mutterkorn machen die Sorte erneut zur Hauptempfehlung für die kommende Aussaat.

KWS Eterno ist beim Ertrag gleichauf, hat aber die schlechtere Standfestigkeit. KWS Serafino ist ertragsstärker als KWS Binntto mit Braunrost und Mutterkorn drei, zeigt aber Schwächen bei Standfestigkeit und Halmknicken.

SU Cossani, SU Forsetti und SU Performer sind in der Kombination der Merkmale Lager, Halmknicken, Braunrost und Mutterkorn schwächer eingestuft und erhalten keine generelle Empfehlung.

Bei den einjährig geprüften Sorten KWS Trebiano und Piano kann in der Kombination aus Ertrag und agronomischen Eigenschaften im Versuchsjahr 2019 kein Fortschritt gegenüber bewährten Sorten festgestellt werden. Hier sollte ein weiteres Jahr abgewartet werden.

Die Sortenempfehlung für die kommende Aussaat enthält Tabelle 4. Unter www.sortenberatung.de kann jeder Anbauer nach seinen Anforderungskatalog Sorten selektieren und bewerten.

GPS-Nutzung - Winterroggen oder Wintertriticale?

Beim Thema Ganzpflanzensilage sind Triticale und Roggen mögliche Alternativen. Die Nutzung von Wintergetreide als Ganzpflanzensilage hat in Biogasbetrieben einen festen Platz und erweitert bei unsicheren Maiserträgen das Substratangebot. Ziel des Anbaues ist ein möglichst hoher Trockenmasseertrag je Hektar.

Die Züchtung hat sich auf die Nachfrage in diesem Segment eingestellt und bietet entsprechende Spezialsorten für die GPS-Nutzung an. Diese Sorten sind speziell auf Trockenmasseertrag gezüchtet und werden vom Bundessortenamt in Sonderversuchen geprüft und zugelassen. Alternativ bieten sich auch normale Korntypen mit höherer Trockenmassebildung als Doppelnutzungssorten an. Hier kann die endgültige Nutzung bis kurz vor dem Häckseltermin offenbleiben. Im Hauptfruchtanbau haben sich Winterroggen und Wintertriticale als geeignetste Kulturen herausgestellt. In normalen Jahren bestehen zwischen den beiden Kulturen keine wesentlichen Unterschiede im Trockenmasseertrag. In trockenen Jahren oder auf leichten, trockenen Standorten bringt Winterroggen die besseren und stabileren Erträge.

Die Versuchsergebnisse

Wie in den Vorjahren wurden in NRW und Niedersachsen Versuche mit fünf Winterroggen- und fünf Triticalesorten angelegt. Beim Roggen waren neben der GPS-Sorte KWS Progas die Körnersorten KWS Binntto, KWS Eterno, SU Performer und SU Nasri vertreten. Bei Triticale sind Tender PZO, Borowik und Trimasso GPS-Sorten und Lombardo und Ramdam Körnersorten.

In der Summe liegen zwei Versuche für Lehm- und drei für Sandstandorte vor. Die mehrjährige Zusammenfassung der Versuche zeigt Tabelle 1. Im aktuellen Jahr wird mit 204 dt/ha TM auf Lehm und 184 dt/ha TM auf Sand trotz der Trockenheit ein hervorragendes Ergebnis erzielt.

Beim Winterroggen hat KWS Progas auf Lehm 2019 keine Ertragsvorteile gegenüber den besten Körnersorten. Auch im mehrjährigen Vergleich sind nur relativ geringe Unterschiede in der TM-Leistung feststellbar. Die kurze Sorte KWS Binntto fällt verständlicherweise in der Leistung gegenüber längeren Sorten ab. Auf Sand zeigt im mehrjährigen Vergleich KWS Progas höhere Erträge als die geprüften Körnersorten.

Bei Triticale sind die Unterschiede zwischen den Spezialisten und den Sorten zur Körnernutzung größer. Tender PZO und Trimasso liegen hier bei TM-Ertrag vor Borowik und deutlich vor Lombardo. Die Neuzulassung Ramdam überrascht wie bei der Körnernutzung und zeigt gute TM-Erträge.

Sortenentscheidung – worauf es zusätzlich ankommt!

Auch im Bereich GPS-Nutzung sollten pflanzenbauliche Aspekte bei der Sortenwahl eine Rolle spielen. In den Beiträgen zur Körnernutzung von Triticale und Roggen sind in der Tabelle Sorteneigenschaften alle geprüften Sorten mit ihren Einstufungen aufgeführt. Wer GPS anbaut, der will und muss organische Dünger einsetzen. Bei schwieriger zu kalkulierender N-Nachlieferung ist Standfestigkeit ein wichtiges und nicht zu unterschätzendes Kriterium. Beim Winterrogen ist nur KWS Binntto überdurchschnittlich standfest. Mehr Standfestigkeit bei gleichzeitig weniger Pflanzenlänge bedeutet hier aber weniger TM-Ertrag. Bei Triticale sind Tender PZO, Borowik und Trimasso sehr standfest.

Zusätzlich sollte bei extensiverem Anbau auf Blattgesundheit geachtet werden. Bei Winterroggen sollte speziell auf Mehltau und Rhynchosporium geachtet werden. KWS Binntto und KWS Eterno sind anfällig bei Mehltau. Bei Rhynchosporium sind die Unterschiede gering. Bei Wintertriticale sollte auf Mehltau und Gelbrost geachtet werden. Trimasso zeigt hier das beste Gesamtpaket. Bei Doppelnutzern ist Ramdam gesünder als Lombardo. Die Sortenempfehlung für die kommende Aussaat zeigt Tabelle 2.

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