Tomato Brown Rugose Fruit Virus (ToBRFV) - „Jordan-Virus“

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Befall mit ToBRFV bei der Sorte ‚Romanella‘

Praktische Informationen und Erfahrungen

Die folgende Zusammenstellung soll einen praxisorientierten Überblick für Berater und Tomaten- und Paprikaproduzenten vermitteln.

Maßnahmen:

Bei Fragen rund um das Jordan-Virus können Sie sich gerne an den Pflanzenschutzdienst und die Gemüsebauberatung wenden.

Ansprechpartnerinnen:


Wo tritt dieses Virus auf?

Herkunft und Verbreitung

Das Tomato Brown Rugose Fruit Virus (ToBRFV), einfacher „Jordan-Virus“ genannt, ist im Herbst 2018 am Niederrhein und damit erstmals in Deutschland und in Europa aufgetreten. Betroffen waren sieben Tomatenbetriebe mit insgesamt ca. 25 ha Anbaufläche.

Weltweit trat dieses Virus zum ersten Mal in den Jahren 2014 in Israel und 2015 in Jordanien auf. Im Herbst 2018 wurde Befall aus Mexiko, Anfang 2019 aus Italien sowie im Weiteren aus Kalifornien (USA), China, den Niederlanden, der Türkei, England und Griechenland gemeldet. Seit Oktober 2018 ist ToBRFV in Deutschland als geregelter Schadorganismus, das heißt als Quarantäneerreger eingestuft. Befallene Pflanzen müssen folglich vernichtet werden. Nach erfolgreichen Maßnahmen in den Betrieben konnte Deutschland im Juli 2019 Befallsfreiheit melden.


Welche Pflanzen werden befallen?

Wirtspflanzen

Befallen werden Pflanzen aus den Familien der Solanaceae und Amaranthaceae, allen voran Tomaten. Nach israelischen und mexikanischen Erfahrungen sind auch Paprika und Zierpflanzen (z. B. Petunie, Ziertabak), sowie verschiedene heimische Unkräuter (z. B. schwarzer Nachtschatten, Gänsefuß-Arten, Amarant) Wirtspflanzen. Kartoffel und Aubergine sind dagegen nach jetzigem Kenntnisstand in Europa keine Wirtspflanzen.


Warum ist das Jordan-Virus so gefährlich?

Übertragung, Persistenz

Das Jordan-Virus gehört zur Gruppe der Tobamo-Viren, die sich extrem leicht mechanisch übertragen lassen und sich durch eine hohe Persistenz und großes Schadpotenzial auszeichnen. Hier sind auch das TMV (Tabakmosaikvirus) und das ToMV (Tomatenmosaikvirus) einzuordnen. Die gegen diese beiden Virenarten erfolgreichen Sortenresistenzen sind jedoch gegenüber dem Jordan-Virus bei Tomaten unwirksam. Bei Paprika beobachtet man eine Teilwirkung (nach derzeitigem Stand werden Sorten bzw. Unterlagen mit den Resistenzgenen TM0, TM2 und TM3 nicht von ToBRFV befallen).

Tobamo-Viren zählen zu den gefährlichsten Pflanzenviren, denn sie sind:

  • außerordentlich langlebig: nach 50 Jahren noch infektiös in getrocknetem Pflanzensaft
  • höchst aggressiv und ansteckend: auch stark verdünnt noch infektiös
  • sehr persistent auf glatten Oberflächen: noch 3 Monate lang infektiös
  • sehr hitzestabil: nach 10 min bei > 90 °C teils noch infektiös

Aufgrund der häufigen Kulturarbeiten und der langen Kulturdauer sind daher Intensivkulturen von Tomaten und Paprika besonders gefährdet. Das Virus kann sich zunächst auch latent ausbreiten, also ohne dass sich sichtbare Symptome zeigen.

Hauptüberträger sind:

  • Hände, Kleidung, Haare
  • Messer, Scheren
  • Kisten, Transport- und Hubwägen, etc.

Weiterhin wird ToBRFV über Samen, Jungpflanzen, Unkräuter (vor allem Schwarzer Nachtschatten, auch latent!) und in geringerem Umfang durch Drainagewasser übertragen. Auch Hummeln verbreiten die Viruspartikel im Bestand (näheres unter: Verhalten bei Befallsverdacht).

Bei einem Befall mit ToBRFV ist mit erheblichen wirtschaftlichen Einbußen zu rechnen.


Wie kann man das Jordan-Virus erkennen?

Symptome

Die Symptomausprägung ist sehr stark sortenabhängig. Sie ähnelt dem Pepino-Mosaikvirus (PMV)-Befall, jedoch unterscheiden sich Erscheinungsbild und Fortschreiten im Bestand.

Folgende Symptome traten bei befallenen Tomatenpflanzen auf:

  • zunächst Aufwölben der oberen Blätter und verringerter Zuwachs, teils schmale oder kleinere Blätter
  • leichte bis starke mosaikartige Verfärbungen der Blätter
  • Welken, anschließende Vergilbung der gesamten Pflanze und schließlich Absterben (nach unseren Erfahrungen vor allem bei der Sorte ‘Juanita‘)
  • Nekrosen der Kelchblätter
  • Fruchtsymptome: gelbe Flecken (meist rundlicher als bei PMV) oder fehlende Ausfärbung (Früchte bleiben einheitlich orange). => befallene Früchte werden unverkäuflich.
    Anmerkung: Braun-schrumpelige Früchte, wie im Nahen Osten und Mexiko, waren in Deutschland bisher nicht zu beobachten (=> siehe Namensgebung des Virus; rugose = schrumpelig, runzelig).
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Mosaikartige Verfärbungen durch beginnenden Befall mit ToBRFV . Foto: Nina Scherrers
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Aufwölben der Blätter. Foto: Heike Scholz-Döbelin
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Aufwölben der Blätter. Foto: Heike Scholz-Döbelin
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Befall mit ToBRFV bei der Sorte ‚Romanella‘. Foto: Heike Scholz-Döbelin
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Befall mit ToBRFV bei ‚Romanella‘. Foto: Heike Scholz-Döbelin
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Befall mit ToBRFV bei ‚Lyterno‘. Foto: LWK NRW
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Nekrosen an den Kelchblättern bei ‚Lyterno‘. Foto: LWK NRW
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Mangelnde Ausfärbung durch Befall mit ToBRFV bei der Sorte ‚Juanita‘. Foto: Heike Scholz-Döbelin
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Früchte bleiben orange aufgrund Befall mit ToBRFV bei ‚Juanita‘. Foto: Heike Scholz-Döbelin
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Schwacher Zuwachs bewirkt „dünne Köpfe“ durch Infektion mit ToBRFV (links), rechte Reihe ohne Symptome. Foto: Heike Scholz-Döbelin
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Welken, Vergilben und Absterben durch ToBRFV an ‚Juanita‘. Foto: Heike Scholz-Döbelin
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Zunehmendes Absterben des Bestandes durch ToBRFV an ‚Juanita‘. Foto: Heike Scholz-Döbelin

Wodurch kann eine Kultur infiziert werden?

Infektionswege

  • Saatgut und Jungpflanzen
  • Mechanische Übertragung, z. B. durch Kisten, Arbeiter und andere Personen
  • Infektionsmaterial aus Vorkultur, z. B. alte vertrocknete infizierte Blätter/Blattreste
  • Auskeimende Tomatensamen aus infizierter Vorkultur oder Unkraut (Schwarzer Nachtschatten)
  • Infizierter Boden bei Bodenkultur
  • Desinfektionslücken
    • an schwer zu erreichenden Bereichen (z. B. Bewässerungsstecker, Stützen der Heizschienen, Endstücke der Bewässerung, Drainage-Rücklauf-System, etc.)
    • „übersehene“ Übertragungswege, z. B. in den Sozialräumen der Mitarbeiter, Computer-Tastaturen
  • Befallene Tomaten und Paprika (auch latent!) aus dem Handel => Übertragung bei/nach Verzehr

Wodurch kommt es im Kulturablauf am leichtesten zur Verbreitung?

Bedeutung hinsichtlich Übertragungsgefahr (in absteigender Wichtigkeit)

  • Mechanische Übertragung in entstehende Wunden: Blätter schneiden, Trosse schneiden, Ausgeizen => Messer, Scheren, Hände
  • Mechanische Übertragung ohne direkte Wunden durch Mikroläsionen (z. B. geknickte Pflanzenhaare). Berührung durch:
    • Hände, Kleidung, Haare
    • glatte Oberflächen: Kisten, Hubwägen, Erntewägen
  • Hummeln (und andere Insekten?)
  • Berührung der Pflanzen untereinander => kranke neben gesunden Pflanzen
  • Gießwasser/Nährlösung

Wie kann ToBRFV sicher festgestellt werden?

Wichtiges zur Diagnose

Um ToBRFV feststellen zu können, muss auch spezifisch auf ToBRFV untersucht werden!

  • Spezifischer ELISA-Test: Beim Diagnoselabor des Pflanzenschutzdienstes der LWK NRW erfolgt die Untersuchung auf ToBRFV mittels eines spezifischen und sensiblen ELISA-Tests. Das Ergebnis ist innerhalb einer Arbeitswoche zu erhalten und ist relativ preisgünstig.
  • RT-PCR mit anschließender Sequenzierung: Auch der sehr sensitive Nachweis mit RT-PCR und anschließender Sequenzierung ist beim Diagnoselabor des PSD möglich. Er wird zur Absicherung eines ToBRFV-Befalls nach positivem spezifischem ELISA-Test zusätzlich durchgeführt.

Probenmaterial unbedingt vor Ort im Bestand sicher in Plastiktüten verpacken, das heißt nicht lose durch den Betrieb tragen!

Zu Fragen der Diagnose und Probeneinsendung wenden Sie sich bitte an den Pflanzenschutzdienst, Diagnostik Pflanzenkrankheiten, Dr. Monika Heupel. Probeneinsendung an:

Pflanzenschutzdienst der Landwirtschaftskammer NRW
Diagnostik Pflanzenkrankheiten
Gartenstraße 11
50765 Köln-Auweiler
Telefon Probeannahme: 0221 5340-410

Hinweis auf der Probe wichtig: Untersuchung auf Virus ToBRFV


Wie kann eine Tomaten- oder Paprikakultur vor ToBRFV geschützt werden?

Präventionsmaßnahmen

Der sicherste Schutz vor einer Infektion mit ToBRFV besteht darin, alle potenziellen Übertragungswege zu kappen. Generell gilt: alles, was ins Gewächshaus gelangt, muss virusfrei sein. Die folgende Tabelle zeigt wichtige Übertragungswege und Möglichkeiten, einer Übertragung entgegenzuwirken.

Potentielle Übertragung Arbeitsschritt Abhilfe
Vor Betreten der Kulturen Arbeitsbeginn

Händewaschen, Handdesinfektion 1), Handschuhe, Desinfektionsmatte; empfohlen: betriebseigene Arbeitskleidung, die im Betrieb verbleibt

Wunden durch Kulturarbeiten Blätter schneiden, Ernten, Ausgeizen 2) Zwischendesinfektion der Hände (und/oder Handschuhe) und Messer/Scheren => Werkzeuge verbleiben in der gleichen Abteilung/Schiff/Reihe
Berührung Mensch - Pflanze Alle Kulturarbeiten, Ernte 2) Betriebseigene Arbeitskleidung, Handdesinfektion
Berührung Wagen/Kisten - Pflanze Kulturarbeiten, Ernte Reinigung und Desinfektion
Tomatenkeimlinge und Unkräuter (Schwarzer Nachtschatten, Melde) sind Überträger, häufig auch latent! Entfernen im Gewächshaus und rundherum
Gießwasser (Drainage) Wasserdesinfektionsanlage
Tomaten aus dem Handel (aus Befallsländern, z.B. Italien, Türkei) Proviant für Pause 3) Verbot, Tomaten und Paprika in den Betrieb mitzubringen: Infektionsgefahr durch befallene Tomaten (auch latent!)
Außenstehende (Berater, Händler, Besucher): Betreten des Betriebes nur in Absprache mit der Betriebsleitung Tür zum Betriebsgebäude verschlossen halten, Einweg-Schutzkleidung (Ganzkörperanzug, Handschuhe, Fußüberzüge, Haarschutz), Handdesinfektion

1) Achtung: Handdesinfektionsmittel auf Alkoholbasis besitzen keine ausreichende Wirkung gegen Tobamo-Viren; daher Produkte auf Basis von Benzoesäure (z.B. Enno Rapid) verwenden.

2) Arbeitsrichtung: Eine stets gleichbleibende Arbeitsrichtung bei allen Kulturmaßnahmen schränkt eine Virus-Ausbreitung in nur eine Richtung ein (Achtung: Linkshänder neigen zur gegensätzlichen Arbeitsrichtung!).

3) Über importierte Tomaten oder Paprika aus Befallsgebieten (auch latenter Befall!) kann das Virus in die Bestände gelangen. Arbeitskräften das Mitbringen fremder Tomaten und Paprika als Pausenproviant zu verbieten, wirkt zunächst ungewöhnlich restriktiv, macht jedoch angesichts des Risikos absolut Sinn.

Für Risiko-Betriebe, die bereits Befall mit ToBRFV hatten oder Tomaten anderer Betriebe sortieren bzw. verpacken, empfiehlt es sich, ein individuell auf den Betrieb zugeschnittenes Hygienekonzept in Verbindung mit der Beratung oder Spezialfirmen zu erarbeiten. Hygiene-Schleusen und Boden-Desinfektionsmatten, wie in niederländischen Spezialbetrieben weit verbreitet, bilden einen wichtigen Bestandteil solcher Hygienekonzepte. Eine strikte Trennung zwischen Produktion und Sortierung/Verpackung fremder Tomaten mit zwischengeschalteter Desinfektionsschleuse schützt vor Einschleppung. Am besten wäre auch eine Trennung der Arbeitsmannschaften z. B. durch verschiedenfarbige Betriebskleidung.

Allgemein darf die regelmäßige Reinigung und Desinfektion aller Arbeitswerkzeuge, Kisten, Maschinen und Geräte nicht vernachlässigt werden, sowohl bevor diese ins Gewächshaus gelangen, als auch im laufenden Betriebsgeschehen.

Gerade Kisten aus Pool-Systemen, die verschiedenste Betriebe und Regionen durchlaufen, bergen ein hohes Risiko. Selbst vom Pool-System gereinigte und desinfizierte Kisten enthielten aktuell noch Pflanzenreste! Weiterhin werden Tobamo-Viren bei einer Standard-Desinfektion nicht unbedingt abgetötet. Deshalb: Kisten kontrollieren und vor Einbringen in den Betrieb geeignet desinfizieren (lassen).

Pflanzenschutzmittel zur Desinfektion, auch in der laufenden Kultur:
Menno Florades (Wirkstoff: Benzoesäure)

  • Tauchbehandlung für Schnittwerkzeuge:
    4%ig, 3 min, vollständige Wirkung nur bei pH-Wert < 4,5, überprüfen mit Indikatorstäbchen oder Sonde!
  • Spritzen/Gießen für Kisten, Hub- und Erntewägen und größere Flächen:
    4%ig, 4 h bei Applikation als Schaum, sonst 8-16 Stunden Schaumapplikation bietet höhere Wirksamkeit

Wasser mit Trinkwasserqualität verwenden


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Desinfektionsschleuse mit Hand- und Fußdesinfektion. Foto: Heike Scholz-Döbelin
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Desinfektionsschleuse mit Hand- und Fußdesinfektion. Foto: Heike Scholz-Döbelin
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Bodenmatte zur Desinfektion von Transportfahrzeugen und Schuhen mit automatischer Beschickung. Foto: Heike Scholz-Döbelin
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Spender für Handdesinfektionsmittel mit Desinfektionsbehälter für Messer und Scheren befinden sich an mehreren Stellen im Gewächshaus. Foto: Heike Scholz-Döbelin
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Mobiler Ständer zur Desinfektion von Händen und Arbeitswerkzeugen. Foto: Heike Scholz-Döbelin
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Ein anderes System: In jeder Reihe ist rechts und links je ein Behälter mit Desinfektionslösung und ein weiterer Behälter zum Abtrocknen der desinfizierten Arbeitswerkzeuge fest installiert. Foto: Heike Scholz-Döbelin
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Dasselbe Messer für eine Reihe verhindert eine Infektion der Nachbarreihen. Foto: Heike Scholz-Döbelin
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Scheren mit zugehörigem Desinfektionsbehälter hängen übersichtlich am Eingang des Gewächshauses.. Foto: Heike Scholz-Döbelin
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Berater, Besucher und sonstige Außenstehende sollten den Betrieb nur in Einweg-Schutzkleidung (Ganzkörperanzug, Handschuhe, Fußüberzüge, Haarschutz) betreten. Foto: LWK NRW
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Im Kofferraum, der mit Einmalfolie ausgekleidet wurde, lassen sich Virusproben sicher transportieren. Foto: Heike Scholz-Döbelin

Was, wenn (erneut) Befallsverdacht besteht?

Richtiges Verhalten bei Befallsverdacht

Entscheidend ist, schnell und konsequent zu reagieren. Bleibt der Befall auf wenige Pflanzen, Reihen oder Teilbereiche des Gewächshauses beschränkt, kann es durch richtiges Handeln gelingen, den Befall zu tilgen (und ist auch bereits im Herbst 2018 gelungen!).

Erste Maßnahmen bei Verdacht:

  • Verdachtsbereich absperren, kein Betreten der betroffenen Reihen bis Probeergebnis da ist
  • Hummelkästen im Verdachtsbereich schließen (auf “in“= nur Einflug stellen), denn Hummeln übertragen nachweislich das Jordan-Virus
  • Proben ziehen für Untersuchung auf ToBRFV:
    • Pflanzen direkt an Ort und Stelle in Plastiksack verpacken, Verdachtsmaterial niemals unverpackt durch den Betrieb tragen!
    • Hygiene beachten => Einmal-Schutzkleidung, Arbeitswerkzeuge gut desinfizieren
    • Stelle markieren
  • ggf. Rücksprache mit Labor, denn dringliche Proben können vorgezogen werden (reine Analysedauer bei ToBRFV-ELISA: 48 Stunden)
  • Pflanzenschutzdienst (in NRW: Pflanzengesundheitsdienst) informieren. Auch der Verdacht ist meldepflichtig!

Maßnahmen bei positivem Probenergebnis:

  • Pflanzenschutzdienst (in NRW: Pflanzengesundheitsdienst) verständigen: ToBRFV ist meldepflichtig! (Quarantäneschadorganismus)
  • Bekämpfungsmaßnahmen werden von den zuständigen Pflanzenschutzdiensten unter Berücksichtigung der Befallssituation geprüft und angeordnet und mit dem Betrieb besprochen. Sie können die folgenden Maßnahmen umfassen. Weitergehende Maßnahmen hiervon können aus fachlicher Sicht zusätzlich ergriffen werden:
    • Beprobung der angrenzenden Pflanzen bzw. Gewächshausbereiche, um abzuklären, ob bzw. wie weit der Virusbefall schon (latent) verbreitet ist
    • Räumen wie angeordnet
    • Substrat entsorgen (durch Dämpfen können diese Viren nicht ausreichend sicher abgetötet werden)
    • Hummelvölker im weiteren Umkreis entsorgen und ggf. erneuern
    • Entsorgung allen virusbefallenen Materials per Müllverbrennung (Quarantäneauflage entsprechend der Risikoanalyse zur Bekämpfung des Virus, Quelle: JKI), das heißt industrielle Kompostierung ist nicht mehr zulässig
    • Desinfektion der ausgeräumten Fläche und weitere Maßnahmen gemäß ToBRFV-Hygieneprotokoll
  • Eine virusbezogene Fachberatung zu allen praktischen Fragen beim Räumen, Desinfizieren und zur Prävention ist jetzt sinnvoll.

Da ToBRFV äußerst schnell voranschreiten kann und je nach Sortenanfälligkeit bereits nach wenigen Wochen massive Ertragseinbußen aufgetreten sind, besteht so die einzige Chance, durch zügiges und entschiedenes Handeln das Mögliche noch zu retten!


Was ist im geräumten Gewächshaus zu tun?

Desinfektion nach Kulturende bzw. nach (Teil-)Räumung


Gibt es einheitliche Regelungen zu ToBRFV für die gesamte EU?

EU-Durchführungsbeschluss zu ToBRFV

Am 01.11.2019 ist der neue EU-Durchführungsbeschluss gegen ToBRFV (Nummer 2019/1615/EU) in Kraft getreten. Die wichtigsten Punkte sind:

  • Meldepflicht bei Auftreten oder Verdacht von ToBRFV, gültig in der gesamten EU und für alle Personen
  • Amtliche Kontrollen zum Auftreten von ToBRFV bei Tomaten und Paprika durch die zuständigen Behörden (Pflanzenschutzdienst)
  • Der Fokus liegt darauf, vor allem eine Verbreitung über Samen und Jungpflanzen zu verhindern. Bei „Verbringung“ von Samen und Jungpflanzen von Tomaten und Paprika gilt:
    • Einfuhr aus Drittländern: Pflanzengesundheitszeugnis
    • Verbringung innerhalb der EU: Pflanzenpass
    • Jungpflanzen und Saatgut stammen aus befallsfreien Gebieten (amtlich anerkannt) oder:
      • Jungpflanzen stammen aus befallsfreien Produktionsorten (amtlich anerkannt) und stammen von getestetem Saatgut ab
      • Saatgut amtlich beprobt und als befallsfrei getestet

Vollständiger Text:


Was Sie auf keinen Fall tun sollten

  • Erst mal „Abwarten und Teetrinken“, dafür ist dieses Virus zu gefährlich.
  • Panisch reagieren

Stattdessen: sich gut informieren, gegebenenfalls nachfragen und besonnen handeln!

Virusbefallene Pflanzen(teile), Substrat oder auch Früchte niemals auf dem Kompost oder Feld entsorgen! (siehe Punkt Persistenz)


Dank an…

Bedanken möchte ich mich für die fruchtbare Zusammenarbeit bezüglich der vielen ungeklärten Fragen, die dieses für uns völlig neue Virus aufwarf, die unzähligen Mails, SMS und Telefonate, je nach Dringlichkeit auch nach Feierabend und am Wochenende, bei allen Kolleginnen und Kollegen der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen und insbesondere für die fachliche Unterstützung durch die Kollegen aus Belgien, die Informationen aus erster Hand von Aviv Dombrowski (Israel), sowie bei Herrn Prof. Wohanka (reaktiviert aus dem Ruhestand!), Fr. Prof. Büttner und allen hier nicht eigens Genannten und ganz besonders bei den betroffenen Tomatenbetrieben für ihre Offenheit und kritische Diskussion. Denn nur durch diese gemeinsame Anstrengung war es möglich, solch ein gefährliches Virus wieder loszuwerden.

Heike Scholz-Döbelin, September 2019


Stand: November 2019

Autor: Heike Scholz-Döbelin